ENTLASSTUNG

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Spencer

"Jetzt stell dich doch nicht so an." Elliott hatte seine dünnen Ärmchen gegen die Räder des Rollstuhls gestemmt und blinzelte wütend zu mir hoch. "Das du mich dann in deinem Apartment hinterhältig misshandeln kannst?", pampte er. "Ich bitte dich: warum sollte ich das tun? Ich werde dir lediglich bei alltäglichen Dingen helfen, die du zur Zeit nicht alleine hinbekommst. Wo ist da das Problem?" "Wo dabei das Problem ist? Du wirst mich begrapschen, mich mit deinem nicht vorhandene Gripps nerven und die vierundzwanzig Stunden eines Tages bei mir sein, Spencer! Das ist mein Problem." Ich schüttelte meinen Kopf und murmelte vor mich hin, bevor ich kaum Kraft aufbringend seine Hände löse. "Dann musst du damit klar kommen.", meinte ich dann laut und fügte noch hinzu, "Außerdem würde ich nichts tun, was du nicht willst."

Der Kleine schwieg die ganze Zeit, während ich ihn aus dem Krankenhaus schob, ihn in mein Auto setzte und ins Hauptquartier fuhr. Selbst als wir Edward begegneten sagte er kein Wort; auch nicht als wir in meinem Apartment angekommen waren.
Mit in die Hüfte gestemmten Händen, sah ich Elliott überlegend an. "Okay, was willst du als erstes machen? Was essen?", ich musterte seine Gestallt und hatte das Gefühl, dass er noch dünner geworden war, "Ich könnte Sandwiches machen; für dich würde ich sogar Sternekoch spielen und Grandmas Raggmunk machen." "Ich habe keinen Hunger.", kam es lediglich vom jüngeren, was meine Motivation ein Stückchen sinken ließ. Ich nickte: "Dann nicht. Willst du...dich dann ausruhen? Schlafen? Irgendwas spielen eventuell? Ich glaube, ich müsste sogar Schach haben. Das ist doch sowas für Denker wie dich - ich will ja nicht, das deine Gehirnzellen einrosten." Mit erhobenen Brauen blickte der Kleine zu mir hoch. "Du und Schach? Ich gegen dich? Das kann ja nur langweilig werden."

Zum sechzehnten Mal heute besiegte Elliott mich nun schon. Egal wie ich mich bemühte, ich schaffte es trotzdem nicht das Supergenie zu besiegen - selbst dann nicht, als ich einen recht guten Lauf hatte.
"Okay, ich gebe auf.", mit in die Luft geworfenen Armen sank ich tiefer ins Sofapolster, "Was kannst du eigentlich nicht?" "Mit Gefühlen umgehen und mich überwinden, mich selbst umzubringen.", antwortete Liot ernst. Geschockt über letzteres entkam mir ein Lachen: "Ha-ha, das war ironisch gemeint gewesen." Er zuckte mit seinen Schultern, was ihn das Gesicht verziehen ließ. "Du hast gefragt." "Aber nicht auf eine Antwort aus." Ich legte meinen Kopf in Nacken und schloss die Augen. Ich war verdammt erschöpft, denn die vergangenen Ereignisse waren ganz schön Kraft raubend und Nerven zerrend gewesen. Entspannend döste ich vor mich hin, schon halb im Land der Träume versunken, als mich ein lautes Fluchen hochfahren ließ. Elliott lag neben dem Rollstuhl auf dem Boden und schlug frustriert auf seine geschienten Beine ein.
"Stopp!", alarmiert sprang ich auf und hielt seine Hände von weiteren Schlägen ab, "Was soll das?!" Die braunen Augen des Kleinen funkelten mich an und er presste seine Lippen aufeinander - die untere bebte leicht. "Hey.", sanft löste ich meinen Griff und hab die linke Hand, um diese an seine Wange legen zu wollen, doch er drehte seinen Kopf weg. "Du solltest die Hilfe, die man dir anbietet nicht jedes Mal von dir stoßen. Was hattest du eigentlich vor? Du weißt doch, das deine Knochen gebrochen wurden und es dauert, bis sie wieder belastbar sind." "Ich habe aber keine Lust zu warten.", zischte der Brünette, "Und ich habe auch keine Lust darauf, dass du-" Ein husten unterbrach ihn. Um besser Luft zu bekommen, beugte er sich nach vorn, was ihm weitere Schmerzen einbrachte. Ohne auf seine Versuche, mich zu beschimpfen und mich von ihm zu schieben, legte ich die Arme unter seinen Körper und hob ihn vom Boden. Das Liot dabei so dicht meinem Gesicht kam, stoppte sein beleidigendes Gemurmel und blickt mir in die Augen. Kurz zuckten die seine zu meinen Lippen, was mir ein Grinsen entlockte, bevor sie wieder meinen Blick einfingen.

Übertrieben gespielt rümpfte ich meine Nase: "Nichts für ungut Liot, aber du könntest ne Dusche gebrauchen." "Oh nein!", riss er seine Augen auf, weil ihn die Erkenntnis schnell überkam. "Sorry Kleiner, aber der Geruch lügt nicht." Weiter grinsend durchschritt ich den großen Wohnraum, hin zum Bad. "Spencer James, ich warne dich! Solltest du auch nur einen Schritt weiter machen, dann-" "Ich enttäusche dich nur ungern, aber du kannst im Augenblick eh nichts gegen mich unternehmen. Also: klappe jetzt!" Ich setzte ihn auf der Toilette ab und sah ihn auffordert an. Tatsächlich hob er nach kurzem Zögern die Arme, so das ich ihm den viel zu großen Hoodie ausziehen konnte. Auch die Hose ließ er sich von mir von der Hüfte schieben. Bei der Boxershort's jedoch hielt er mein Handgelenk auf: "Übertreib es nicht." Also zog ich meinen Finger aus dem Bund zurück und begann dann mich selbst auszuziehen. "Du machst das echt mit Absicht.", behauptete Liot. "Nein, ich will bloß keine nassen Klamotten bekommen und nun, Los gehts."

Ganz vorsichtig und langsam half ich Elliott in die Kabine, die zu seinem Glück so breit war, dass er genügend Abstand zu mir aufbauen konnte. Wackelig lehnte er sich gegen die Fließen, seinen Blick überall hingerichtet, nur nicht zu mir. Wohlig seufzte ich auf, als das Wasser von oben auf mich herab prasselte und meinen Körper hinab rann. Die Wärme lockerte meine verspannten Muskeln und gab mir das Gefühl, allen Dreck und Schmutz von mir abspülen zu können. Meine Hände fuhren durch meine nassen Haare und strichen die fast weißen Strähnen nach hinten.
"Stehe ich jetzt ernsthaft nur hier, um mir eine Strippeinlage von dir ansehen zu müssen? Wenn ich gewollt mir einen heißen Körper ansehen will, hätte ich einen Porno schauen können.", meckerte der Jüngere und struggelte damit, sich an den rutschigen Wänden festzuhalten. Dieses Mal war ich es, dem sein Fehler als erstes auffiel. "Du findest meinen Körper also heiß?", grinsend überbrückte ich die Distanz zwischen uns und stützte meine Hände neben seinem Kopf ab. Neckend beugte ich mich ein Stückchen zu Liot herunter und biss mir dabei auf die Unterlippe. Erschrocken über die plötzliche Nähe gab er seinen Halt auf und rutschte dadurch beinahe weg. Sich rettend umschloss er meinen Oberkörper und presste sich zitternd dagegen.

"Du Arschloch, das hast du mit Absicht gemacht! Ist dass nun der Moment, wo du meine Wehrlosigkeit ausnutzen und über mich herfallen wirst?!", motzte der Kleinere. Ich lachte: "Du bist doch derjenige, der sich gerade auf mich gestürzt hat.", wies ich ihn darauf hin, wie er mich gerade umklammerte. Ich spürte seinen gesamten Körper, wie er sich an mich schmiegte und die nackte Haut, die zu glühen schien, wie seine knall roten Wangen. Ein Bild für Götter - für mich von oben, als wahrscheinlich auch von außen und natürlich für Elliott.
"Ich meine ich genieße deine Zuneigung voll und ganz, aber willst du nicht loslassen, Kleiner?", fragte ich nach einigen vergangenen Minuten, in denen er noch immer meinen Oberkörper umarmte und sich augenscheinlich nicht bewegen wollte. Fast schon in Zeitlupe schüttelte er seinen Kopf. "Ich glaube ich genieße das hier gerade, genau wie du." Mein dreckiges Grinsen verwandelte sich in ein liebevolles Lachen, als ich unter sein Kinn faste und es zu mir zog. Nun war ich seinem Gesicht nur noch wenige Zentimeter entfernt. "Das will ich doch auch mal schwer hoffen." Ich konnte sehr genau beobachten, wie Elliott's Kehlkopf hüpfte, als er schwer schluckte.

"Spencer?", er hauchte meinen Namen kaum hörbar.

"Ja?"

Seine wunderschönen braunen Augen zuckten umher, bevor er sie erneut mir zuwendete, so als hätte er etwas gesucht und es dann gefunden. Erstaunt sah ich seinen Bewegungen zu, die sich immer weiter annäherten. Trotzdem rührte ich mich keinen Millimeter; Angst ihn zu unterbrechen. Kurz vor meinen Lippen hielt er schließlich inne.

"Lass mich bitte vergessen. Nur für einen Augenblick. Nur für diese Nacht..."

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