ALTE FREUNDE

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Edward

Der Schweiß lief mir in Strömen von der Stirn; trübte meine eh schon rote Sicht nur noch mehr. Stoßweise atmete ich ein und aus, während der Boxsack unter meinen stetig kräftigen Schlägen hin und her schwang. Mein Körper konnte schon langsam nicht mehr, trotzdem boxte ich immer weiter. Immer stärker. Ich ließ meine ganze angestaute Wut und Frustration heraus.

Mit dem letzten Schlag, brüllte ich lauthals auf.

Ich musste mich beruhigen - das wusste ich - doch ich ließ es nicht zu. Aufgewühlt verschränkte ich meine schmerzenden Hände hinterm Kopf, löste sie darauf wieder und fuhr mir übers nasse Gesicht. Tiegernd lief ich durch die Trainingshalle und ließ mich dann schließlich einfach auf den kühlen Boden sinken.
Die Sicht meiner Augen verschwamm, weswegen ich sie schloss und mich von dem Schwindel einfangen ließ.

Langsam kam etwas Entspannung zurück in meinen Körper und mit ihr leider auch die Szenen und Bilder, welche ich erfolgreich seid Jahren verdrängte und nun durch Spencer's Entführung wieder hoch kamen.

~einige Stunden zuvor~

"STOPP!", schrie Garcìa auf dem Beifahrersitz plötzlich auf.

Impulsiv trat ich auf die Bremse und wurde durch die ruckartige Bewegung in den Gurt gepresst.
"Verdammt, Emma!", wütend sah ich zu der Spanierin rüber, "Wir haben keine Zeit, für irgendwelche-" "Das wir keine Zeit haben weiß ich.", unterbrach sie mich motzig, "Aber dem lebensmüden Typen dort vorne scheint das nicht zu interessieren!" Mit ihrem Finger zeigte sie geradeaus, auf die dunkle Straße, welche nur vom Scheinwerferlicht erhellt wurde und wo nun, wie aus dem Nichts, plötzlich jemand stand.

Ich kniff meine Augen zusammen, um gegen das grelle Weiß nicht nur schwarz zusehen. Eigentlich hätte ich sofort wissen müssen wer dort stand. Eigentlich hätte ich einfach wieder umdrehen sollen, um das Schlimmste nicht noch schlimmer zu machen. Eigentlich hätte ich Emma sowie auch mich in Sicherheit bringen sollen. Eigentlich hätte ich mich soweit entfernen sollen, wie es mir nur möglich gewesen währe. Eigentlich währe es am besten gewesen, wenn ich den Kerl überfahren hätte.

"Garcìa, du bleibst im Wagen.", sagte ich und öffnete halb die Tür. "Was? Wieso? Nein! - Edward, du kannst da nicht einfach so alleine raus spazieren. Du weißt immerhin nicht ob der Typ gefährlich ist oder nicht." "Emma! Du bleibst im Wagen, das ist ein Befehl!" Sie öffnete zum Protest ihren Mund, doch da war ich schon aus dem Auto gestiegen. Versucht locker ging ich vor und blieb dann einige Meter entfernt von dem schwarz gekleideten Mann stehen.

"So sieht man sich also wieder."

Bei dem Klang dieser Stimme wurden meine Augen groß. Ich hatte sie zuletzt vor zehn Jahren gehört. Die Haare in meinem Nacken stellten sich auf und meine Finger verkrampften sich.

"Hat dir mein Anblick die Sprache verschlagen?", Sebastian kam auf mich zu, doch blieb sofort wieder stehen. Der Grund dafür war Garcìa, welche gegen meine Anweisungen aus dem Auto gestiegen kam. "Alles okay, Edward?", fragte sie, ohne den schwarz haarigen dabei aus den Augen zu lassen. "Oh,", antwortete Sebastian für mich, da mein Hals zu trocken zum sprechen war, "bei uns ist alles bestens, Ms. Garcìa." Verwundert sah sie ihn an. "Wer sind sie, dass sie wissen wer ich bin?" "Verzeihung; wie unhöflich von mir. Ich bin Sebastian Morgan und mein vorhandenes Wissen über sie, Emma Louisa Garcìa, stammt von Recherchen. Und ich muss schon sagen, das sie nicht schlecht sind, so als renommierte Forensikerin, Liebes - und dies als Frau; stark, stark." "Und warum, wenn ich fragen darf, haben sie diese Recherchearbeit über mich unternommen?", fragte die Spanierin neugierig, dennoch vorsichtig weiter. Ein schmales Lächeln bildete sich auf Sebastian's Lippen: "Ich muss doch wissen, mit wem sich Eddi umgibt."

"Eddi?!", Garcìa's Kopf drehte sich im gleichen Moment zu mir, als ich zischte: "Nenn mich nicht so!"

Dies entlockte dem schwarz haarigen ein leises Lachen: "Wieso denn nicht? Damals hast du es geliebt, wenn ich mich noch recht erinnere." "Damals liegt in der Vergangenheit. Damit will ich nichts mehr zu tuen haben. Außerdem hast du in dem Augenblick das Privileg verloren, mich Eddi zu nennen, als du mir dein wahres Gesicht gezeigt hast, Sebastian.", meinte ich verbissen. Die Erinnerung von vor zehn Jahren schlich sich in mein Herz und hinterließ dort ein ziehendes Gefühl. Einen Moment lang sah Sebastian mich stumm an. Seine Augen wirkten nun leicht trüb vor Trauer, doch das bildete ich mir sicherlich nur ein. Traurigkeit war nämlich etwas, was in der Gefühlskiste von Sebastian Morgan nicht vorhanden war.

"Ihr kennt euch.", stellte Garcìa fest, "Leider.", murmelte ich. Nun wechselte der Blick des schwarz haarigen, in eine böse, verzogene Miene.
"Leider, also?! Mehr hast du zu unserer vergangenen Zeit nicht zu sagen, außer ein lächerliches 'Leider'? Das tut weh, Edward, das tut weh." "Ha! Du weißt doch gar nicht, was Schmerz ist, Sebastian.", lache ich auf, "Also kann dir da auch nichts wehtun." Der Mann, mit dem ich damals alles geteilt hatte, sah mir tief in die Augen. Es war genau wie vor zehn Jahren, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, bevor ich gegangen bin. Da hatte er mich auch genauso angesehen. Mit diesem einen Blick, welcher steht's nur für mich bestimmt war und nur mir zeigte, dass selbst so jemand wie Sebastian etwas empfinden und fühlen konnte. Doch das war eine lange Zeit her. Heute war ich älter. Leider aber nicht schlauer, denn ich merkte, wie mein Herz weich wurde. 'Scheiß Verräter!', dachte ich und wusste nicht genau, ob ich den Muskel in meiner Brust meinte oder meine nie wirklich zu Ende gegangene Liebe.

"Hey.", ich spürte wie sich Garcìa's Hand auf meine Schulter legte, "Ich glaube, es ist besser wenn wir gehen. Spencer wartet bestimmt auch schon auf uns." "Oh, diese Sorge kann ich dir abnehmen, Liebes. Euer Freund ist gerade mit zwei anderen Dingen beschäftigt und hat im Moment keine frei Zeit, um auf euch zu warten. Ihr könnt also getrost langsam machen und euch noch etwas mit mir unterhalten.", meinte Sebastian zu der Spanierin, dessen Blick sich nun in Besorgnis verwandelte. Versucht ihre zittrige Stimme zu unterdrücken fragte sie: "Was haben sie getan?" "Ich? Gar nichts. Obwohl, naja,", druckste der schwarz haarige gespielt herum, "das stimmt nicht ganz. Ich habe den Auftrag gegeben, mir das wiederzuholen, was ich um alles in dieser Welt und darüber hinaus beschützen soll. Leider bin ich dieser Bitte wohl nicht ganz so gut nachgekommen, wie ich es hätte eigentlich machen sollen - ansonsten müsste ich jetzt hier nicht dieses ganze Theater veranstalten, aber was soll's. Was tut man nicht alles für einen alten Freund." "Meinst du etwa den, den du eigenhändig umgebrachtes hast?", fragte ich sarkastisch.

Ich hätte schwören können, Sebastian's Zähne bis hier her knirschen zu hören. Da hatte ich wohl Salz, in die noch offene Wunde gestreut.
"Ich habe keine weiße Weste, das stimmt, aber zwei Dinge kann man mir definitiv nicht vorhalten und du, Edward am wenigsten.", meinte dieser verbissen, "Und zwar, dass ich Vincent getötet habe, denn ich hätte ihm, unserem Ersten und meinem Bruder, nie auch nur ein Haar gekrümmt. Das weiß jeder und du von allen am besten." Es entstand eine längere Pause, welche ich dann schließlich durchbrach. "Und was ist das Zweite?" Wieder erschien das schmale Lächeln auf seinen Lippen. "Das du jemals der Einzige und Letzte sein wirst, dem ich mein Herz geschenkt habe..."

~zurück~

"Brauchst du eine Umarmung?" Ich hatte nicht gemerkt, wie Emma herein gekommen war und sich neben mich gelegt hatte. Nun drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung und sah sie an. Ich kam mir erbärmlich vor. Ich war der Leiter des R.S.G's und lag hier, wie ein geprügelter Hund am Boden. Dabei sollte ich viel besser nach Spencer fanden.

"Nein."

"Bueno, desafortunadamente, canónicamente no aceptes esta respuesta.", sagte die lockig haarige und schon lag ich in ihren Armen. Für einen Augenblick, tat es wirklich gut und wir schwiegen, bis Emma leise fragte: "Was machen wir jetzt wegen Spenc?" Ich löste mich ein bisschen, um ihr erneut in die Augen sehen zu können.

"Wie holen ihn uns zurück und zwar lebend und nicht in einem Leichensack."
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Das erste Kapitel, welches mal aus einer anderen Sicht ist. Und, was glaubt ihr? Was hat es wohl, mit Edward's und Sebastian's Vergangenheit auf sich? Und wird diese, den Leiter des R.S.G's einholen?

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