HINTERHALT

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Spencer

"Und du bist dir sicher, Edward?", fragend sah ich meinen Vorgesetzten an. "So ziemlich." Müde fuhr er sich übers Gesicht und sah mich danach an: "James, ich weiß dass dir das nicht gefällt, aber etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Elliott kommt heute noch nach Brixton." "Das-Nein! Er ist erst sechzehn!" "Und ein Mörder. Es währe noch etwas anderes gewesen, wenn er nur ein Internet Krimineller gewesen währe, dann hätte er 'nur' Beihilfe bei Morden geleistet. Aber seine eigene Blutopferliste ist länger und selbst geschriebener, als ich mir jemals erdacht hätte."

Frustriert griff ich in meine Haare.

"Spencer.", sprach Edward väterlicher auf mich ein, "Würde ich dich nicht schon seit kleinauf kennen, würde ich dich jetzt fragen, warum dir der Fall denn so nahe geht - schließlich bist du dich ein unerschütterlicher Wachhund der Königen. Aber ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass das kleine Supergenie sich in deinen Kopf geschlichen hat.", protestierend öffnete ich meinen Mund, doch der ältere hob seine Hand, "Ich sehe doch, wie du ihn ansiehst." "Das hast du von Emma, oder?" Traurig lachte der ältere: "Ich bin zwar schon älter, aber nicht blind Spenc. Zwar war zu meiner Jugendzeit es noch weniger gern gesehen, wenn man sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlte als heute, aber auch war mal in einer ähnlichen Position, wie du jetzt. Ich kann mir also gut vorstellen, wie es dir gerade geht. Und Ja, ich weiß dass du schon mehr als genügend Betterfahrungen sowohl mit Frauen, als auch Männern hattest und bestimmt auch schon mehr, als nur Lust verspürt hast. Aber der Kleine hat es dir auf eine andere, viel tiefere Art angetan - ist zwar scheiße in unserem Beruf, aber so ist es nun mal. Liebe ist ein Gefühl, das kommt wie es will und nicht wie man es möchte und wenn es erst einmal da ist, dann musst man es festhalten und darf es nie wieder gehen lassen, denn Liebe ist das wertvollste Geschenk, was wir bekommen können. Ja, wir sollten sie nie loslassen..."

Ich bemerkte, wie dieses Thema Edward augenscheinlich ziemlich mitnahm und kam auf den eigentlichen Punkt zurück, der mich wiederum sehr mitnahm: "Wann soll es losgehen?" "Elliott ist schon auf dem Weg."

"WAS?!"

Erschrocken durch meine plötzliche Lautstärke, zuckte Edward zusammen.
"Du musst sofort alles abbrechen! Ruf den Transport an und sag denen das sie umdrehen sollen!" "Mensch Spencer, jetzt reiß dich zusammen. Die Strafe ist nicht mal gerecht, zudem kannst du-" "Nein!", aufgebracht packte ich Edward an den Schultern, "Du verstehst nicht! Sie haben nur darauf gewartet. Du musst sofort alles abbrechen und Elliott zurück bringen lassen!" Verständnislos blickte der ältere mich an. Er verstand nicht. Wie denn auch? Edward war nicht dabei gewesen, als Elliott mir erzählt hatte, dass die Könige alles dafür tun werden, ihren Prinzen wieder zurück zubekommen. Dafür würden sie über alles gehen, was menschlicher Ethik entspricht. Warum auch nicht? Elliott ist der Sohn ihres brutal verstorbenen Leiters. Elliott ist das Supergenie Numero eins weltweit. Elliott ist das achte Wunder. Elliott ist ihr Prinz. Ihr Heiligtum.

"Ich werde dir alles erklären, Carter - aber später! Jetzt musst du mir einfach glauben und endlich den Transport abbrechen lassen, ansonsten-", in dem Moment klingelte das Telefon und genau dieser Ton verriet mir, dass es längst zu spät war.

Wie ein Verrückter preschte ich mit meiner Maschine voraus - irgendwo hinter mir Edward, mit Garcìa. Mein sechster Sinn hatte recht gehabt. Der schwarze Van des R.S.G.'s, in dem man hatte Elliott transportieren wollen, hatte das Notsignal ans Hauptquartier gesendet. Jedoch ohne weiteres danach. Lediglich die Warnung, dass etwas passiert ist, hat man Edward zukommen lassen, was die ganze Sache nur noch miserabler machte. In den meisten Fällen hieß das nämlich das,wenn ich gleich ankommen werde, ich mindestens zwei tote Agent's vorfinden werde. Das es noch eine dritte Leiche geben könnte verdrängte ich, da das Bild, von Elliott's schmächtigem, totem Körper nur gruselig war.

Dadurch dass dieser Weg nur selten befahren wurde, kamen mir dementsprechend keine Autos entgegen, weswegen ich nochmal aufs Gaspedal trat und die Geschwindigkeitsbegrenzung mehr als überschritt, bis ich endlich da war.
Nun doch entwand vorsichtiger stieg ich vom Motorrad, nahm meinen Helm ab und scannte die Umgebung ab. Vor mir, in einiger Entfernung, stand der Van, mit der Fahrertür geöffnet und unter dieser ein, in Uniform gekleideter Körper liegend. Lange Schritte brachten mich schnell zum Agent. Ich hockte mich neben ihn; suchte seinen Puls. Wie erwartet zog ich meine Finger wieder zurück, als ich kein Pochen erspürte.

Weiter suchte ich die Umgebung nun Millimeter für Millimeter, mit meinen Augen ab. Edward und Garcìa waren noch nicht da, also musste ich besonders wachsam sein, schließlich fehlte mir jede Rückendeckung.
Immer noch langsam, ging ich nun um das Auto herum. Im Wageninneren befand sich niemand mehr. Der Drang, nach Elliott zu rufen, baute sich in meiner Kehle auf, doch schluckte ich diesen herunter. Es währe dumm, seinen Namen zu postulieren.

Plötzlich tropfte es mir etwas, auf meinen Haaransatz und lief dann auf meiner Stirn hinab. Verwundert wischte ich mir über diese und blinzelte dann nach oben. Erneut tropfte es; dieses Mal auf meine Wange. Durch die schon aufgekommene Dunkelheit, brauchte ich einige Sekunden, bis ich die Polizistin, in den Ästen des Baumes erkannte. "Was...", erstarrt sah ich zu der Erhängten rauf. Schlaff und völlig verunstaltet hing ihr entblößter Körper über mir. Es war ein grauenhaftes Meisterwerk.

Ein kaum wahrnehmbares Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit, von der Mischung aus Abstraktheit und Mord ab.

Eine kleine, schmale Gestallt trat aus den Schatten auf mich zu. Stumm schaute Elliott mir entgegen. Sein Körper war steif und an seiner Schläfe war eine Platzwunde zu erkennen, ansonsten sah er aber unbeschadet aus. Trotzdem hielt ich mich zurück erleichtert auszuatmen. Denn etwas an diesem Bild machte mir Magenschmerzen.

"Elliott?", sprach ich ihn vorsichtig an, "Ist alles gut bei dir?" Es dauerte eine ganze Weile bis der jüngere zur Antwort ansetzte: "Du kannst dir den einfühlsamen Smalltalk sparen, Spencer." Die Vorahnung schlich sich immer tiefer in mein Bewusstsein, trotzdem stellte ich mich dumm: "Was meinst du?" "Tu nicht so, als würdest du es nicht wissen. Es ist vorbei, Spencer. Hier das Ende." Obschon die Sonne nicht mehr schien, konnte ich dennoch sehen, wie der Blick in Elliott's braunen Augen sich veränderte. Sie bekamen den gleichen, merkwürdigen Glanz wie im Black's Red.

Ich wollte auf den kleineren zugehen, doch hinderte mich sein plötzlicher Ausruf daran. "Verschwinde Spencer!", rief Elliott, "Du musst hier weg! Das ist nicht deine Angelegenheit oder die des R.S.G.'s, sondern meine. Das alles hier, ist meinetwegen. Also steig auf dein Motorrad und fahr wieder zurück." "Ich kann dich nicht einfach so alleine zurücklassen. Du bist immer noch der meist gefürchtetste Verbrecher der Welt - sorry, aber da keine Ausnahmen." Nun ging ich doch auf ihn zu und umfasste ihn. Wie wild fing er an sich gegen mich, mit seinen dünnen Ärmchen zu wehren. "Lass mich los!" "Ganz sicher nicht, Liot."

"Lass sofort unseren Prinzen los!"

Die Stimme, die dies sagte, war durchdringend und deutlich und kam direkt von hinter mir. Mein Kopf drehte sich in diese Richtung und ich erkannte eine Gestalt, welche mit Händen in den Manteltaschen da stand. Es war ein Mann, vielleicht Anfang dreißig und mit braunem Haar. Auffordernd sah er mich an.
"Verdammt.", fluchte Elliott, "Und was machst du noch hier? Ihr solltet ebenfalls verschwinden, Henry!" Erst jetzt realisierte ich wirklich die zweite Person, welche im genauen neunzig-Grad Winkel zu seinem Partner stand. In seiner Rechten hielt er eine Pistole. Mit verschmitzt schräg gelegtem Kopf sah er mich an. Die Ähnlichkeit zum anderen, waren verblüffend. "Das geht nicht mein Prinz. Wir haben Vincent versprochen, egal was kommt, immer auf dich zu achten und zu beschützen. Wir sind deine Ritter in glänzender Rüstung.", sagte er.

Nicht vorausschauend was als nächstes hätte kommen können, lag ich schneller auf dem Boden als mir lieb war. Keuchend riss ich meine Augen auf, bevor im nächsten Augenblick alles um mich herum schwarz wurde.
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Finde what you love and let it kill you ~ Mellarie-Bellancia

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