Datenübertragung: Rose D. Hawk
Ich hatte Kaya persönlich in ihr Zimmer – oder wohl eher ihre Zelle – auf Händen getragen. Azura hatte es nett, wenn auch leer einrichten lassen mit Bett, Schränken und einer kleinen Toilette mit enger, wandfreier Dusche. Sogar Wechselkleidung in verschiedenen Größen hatte sie auf Kleiderständer hängen lassen. Dass Kaya hatte herkommen sollen, war also von Anfang an geplant gewesen. Doch wieso nur hatte mir Azura das verschwiegen? Sie macht aus allem ein Geheimnis.
Ich brachte Kaya sachte zur Matratze; sie konnte kaum mit den Fingern zuckeln oder die Lippen zum Bibbern bringen. Ihre mitternachtsschwarzen Augen verfolgten mich, und ihr Blick tat mir weh. Er war so hasserfüllt. Sie hasste mich. Hasste mich, wo ich mich nach ihr sehnte, sie suchte und spüren wollte, wenigstens etwas. Sie duftete anders als früher. Ein warmes, scharfes Parfüm vernebelte den Gestank ihrer Zigaretten und den Minzkaugummi. Ich roch es gern. Es gefiel mir. Oh Gott, alles an ihr gefiel mir. Das Tilikum-Tattoo an ihrer Schläfe, das braune Gold ihres glatten Haars, das sie zur Seite gekämmt und wild geflochten hatte. Ihr Hautton, von zahlreichen Abenteuern gebräunt. Damals war sie käsig gewesen und dünner. Jetzt war sie immer noch dünn, an ihrem Körper haftete kein Fett, aber sie war muskulöser. Stark und flink in einem. Ich kannte keine, die schöner war. Nicht für mich. Kaya war ... Kaya war ... sie war eben Kaya.
Als ich ihre ledrigen Handschuhe ausziehen wollte, hüpfte mein Herz vor Aufregung. Sie hatte den Ring noch, unseren Ring. Sie hatte ihn sich stechen lassen, damit wir für immer verbunden blieben, und genauso hatte ich ihn behalten. Bedeutete er für sie dasselbe? Liebte sie mich vielleicht doch noch? Mir genügte allein schon die Hoffnung.
Ich schob ihr die schweren Stiefel von den Füßen und entschied, ihre Socken zu waschen, weil sie feucht vom vielen Laufen waren. Ich entdeckte eine runde, böse Narbe an ihrem Knöchel. Es sah aus, als hätte sich dort eine Schlingpflanze um sie gewunden und Dornen in sie gebissen. Wo gab es denn solche Pflanzen? Außer Shaikstation fiel mir kein Ort ein.
Oh, ich fragte mich so viele Fragen: Wo war sie überall gewesen? Was hatte sie erlebt? Hatte sie Freunde, eine Freundin? Bitte nicht Letzteres. Und wie war ihr Azuras Schuss bekommen? Hatte sie großen Schaden davongetragen? Oder war es harmloser gewesen, als es gewirkt hatte? Wie lebte sie? Zu Ellie hatte sie gemeint, sie besäße eine Wohnung in Galloneya. In einer guten Zone. Wie nah war sie mittlerweile den Icons? Wie viel wusste sie über das O-AI-G? Wie es schien, nämlich gar nichts Genaueres.
Ich strich ihr eine Strähne aus der Stirn. »Du hast keine Schmerzen, oder? Blinzle zweimal, falls doch.«
Kaya blinzelte gar nicht. Ihre Züge waren verärgert.
Ich glaubte, sie wollte mir damit sagen, ich solle sie nicht anfassen. Also nahm ich meine Hand zurück und schluckte die Kränkung. Es war in Ordnung. Ich hatte das bestimmt verdient.
Nach wie vor schmerzte mein Gesicht von ihrem Handrückenschlag, mein Magen von ihrem Tritt und mein Hals von der ausgedrückten Zigarette. Meinen Zehen ging es gut; die Stahlkappen meiner Stiefel hatten sie geschützt. Dennoch, nichts davon zählte. Denn am meisten tat mein Herz weh wegen der Art, wie sie mich betrachtete.
Mit Argwohn, Zorn und Verachtung.
Ich würde jeden Schmerz dieser Welt freiwillig kassieren, wenn das bedeutete, dass sie mich nicht mehr so ansah.
Ich begab mich hinaus, verabschiedete mich flüsternd und verriegelte das elektronische Schloss. Draußen auf dem Gang schnappte ich nach Luft. Meine Lungen barsten von der Anspannung zwischen uns. Ich erinnerte mich an kalten Krieg und wütenden Sex. Ja, genau so fühlte sich das an.
DU LIEST GERADE
A Fall of Rain - Hawk's Eyes Serie
Science Fiction"Poetisch, kraftvoll, romantisch", ein Dark-Rainbow-Epos Dieser ist der zweite Teil von Hawk's Eyes. ACHTUNG: SEX, GEWALT, UMSTRITTENE THEMEN!!! 5 Jahre sind nach den Geschehnissen auf Francis vergangen. Während sich die Weltpolitik spaltet, feilt K...