Datenübertragung: Azura Kazaka (POV), sechsundvierzig Jahre vor dem Geschehen.
Vaters Hand umschloss meine fester und gröber, als es angenehm war. Die weiße Manschette zu seinem schwarzen maßgeschneiderten Anzug streifte weich mein Handgelenk. Er zog mich mit – meine Beine waren zu kurz, um mit seinem Tempo gleichauf sein zu können –, lotste mich in den Aufzug, und die kalte, uns spiegelnde Tür schloss sich aus beiden Seiten. Vater schwieg, während wir sanken. Der Ort, zu dem wir unterwegs waren, fühlte sich kälter an, je tiefer wir in ihn eindrangen, und mir wurde innen drin ganz eng zumute. Beinahe hätte ich gefragt, wo wir waren, doch ich traute mich nicht. Vater mochte es nicht, wenn ich unaufgefordert sprach, deshalb blieb ich stets leise und still und versteckte mich, sobald ich konnte. Ich machte daraus oft ein Spiel. Es hieß »Wer-mich-nicht-sieht-kann-mich-nicht-finden«. Beim Spielen genoss ich das Gefühl vom Frieden, allein und ich selbst sein zu können. Ich wünschte, ich könnte immer spielen.
Aber Vater hatte Pläne mit mir. Ich sei seine Erbin, trichterte er mir ein, ich sei das Überbleibsel der Kitsune-Dynastie und die Letzte der Kazaka-Abzweigung, auf mir läge das Gewicht unseres großen Namens. Um seine Ansprüche zu erfüllen, solle ich gehorsam sein, perfekt, stark, schlau und ehrgeizig. An ihm solle ich mir ein Beispiel nehmen. Er sei, zu was ich eines Tages heranwüchse. Ich hatte versucht, ihm zu erklären, dass mir das Angst mache, doch er hatte mir nicht zuhören wollen. Er hörte mir nie zu. Wenn er redete, redete er zu mir, nicht mit mir. Mittlerweile wurde ich gern überhört.
Der Aufzug stieß ein schnaufendes Geräusch aus, als er sich öffnete und Vater wieder an mir zerrte. Ich wusste, wir befanden uns unter der Erde in einer von Vaters Fabriken. Er führte mich immerzu mit sich, damit ich seine Arbeit kennenlernte, mich auf meine Zukunft vorbereitete. Doch diese Orte hatten alle das Gleiche an sich: sie gefielen mir nicht. Sie waren leer, kühl, gefühllos und mechanisch. Metall über Metall gefüllt von geschäftigen Forschern und Wissenschaftlern und niederen Mitarbeitern, die nicht glücklich wirkten. Unter ihnen war es normal, keine Emotionen zu zeigen. Ich vermutete, dass Vater darum nie lächelte, lachte oder anders als nachdenklich und streng schien. Meine Nanny meinte, darin sei ich ihm sehr ähnlich. Mutter guckte mich nicht an, ich wusste nicht, was sie dachte. Mutter war ebenfalls sehr still.
Wir durchquerten anthrazitfarbene Hallen aus Stahl, mehrere von ihnen. Sie waren von blau leuchtenden Schilden abgeschirmt, hinter denen Tiere eingepfercht waren. Ich sah rosa Schweine, die grunzten. Ich winkte ihnen zu, aber Vater schlug meine Hand weg. »Lass den Unsinn!«, zischte er mich an. Die anderen Herden schaute ich stumm an. Sie faszinierten mich. Bunte Hühner liefen lustig auf ihren Stelzen, flauschige Schafe mähten auf engem Platz, Truthähne plusterten ihr Gefieder auf, Fische sprangen Bögen in flachen, silbrigen Becken und so manches Getier, das ich nicht kannte, studierte mich genauso neugierig wie ich es. Als wir die Kühe erreichten, wurden wir von einem wichtig aussehenden Mann im Kittel empfangen. Dieser schüttelte meinem Vater die Hand und sagte: »Guten Tag, Doktor Kazaka, mir wurde gemailt, Sie besäßen Anlass, an ein paar unserer Subjekte forschen zu wollen?«
Vater desinfizierte sich nach Kontakt die Hand mit einem Feuchttuch und steckte es sich sich danach in seine Paspeltasche. Seine Oberlippe verzerrte sich in einen angewiderten Winkel. »In der Tat, ich entwickle eine neue Substanz und benötige Testsubjekte. Besprechen wir die Details doch in Ihrem Büro.«
»Sehr wohl.« Der Herr verbeugte sich formell und ließ Vater den Vortritt. Ich wagte es nicht, ihn direkt anzustarren. Vater bestrafte penetrantes Glotzen.
»Azura, du bleibst hier, es wird nicht lange dauern.« Bevor er von mir abließ, neigte er sich zu mir hinunter und flüsterte harsch: »Stell nichts Dummes an! Ich will, dass du dir die Tiere anguckst und sie auf ihren Wert überprüfst. Sie dürfen weder krank noch verwundet sein. Ich habe dich gelehrt, wie man Ware begutachtet. Enttäusche mich nicht!«
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A Fall of Rain - Hawk's Eyes Serie
Ciencia Ficción"Poetisch, kraftvoll, romantisch", ein Dark-Rainbow-Epos Dieser ist der zweite Teil von Hawk's Eyes. ACHTUNG: SEX, GEWALT, UMSTRITTENE THEMEN!!! 5 Jahre sind nach den Geschehnissen auf Francis vergangen. Während sich die Weltpolitik spaltet, feilt K...