A Fall of Rain - Hawk's Eyes Serie

Protokoll: Groß bist du geworden IX; part 54

Lass einfach mal Dein Bauchgefühl antworten: Würdest Du Lily vertrauen?

Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)

*

Amelie marschierte hinter mir, ihr Gewehr in meinem Nacken. Den Aufzug hinauf, passierten wir die spiegelhaften roten Palastgänge, an denen edle Wandteppiche zwischen in Gold gefassten, muschelförmigen Lampen gespickt waren. Gerüstete Wachen taxierten mich argwöhnisch aus ihren T-Visieren und hielten ihre Piken stramm, die Laser ausgefahren. Seit dem Anschlag waren die Fenster vergittert sowie die Security vervielfacht worden. Durch eines ihrer eisernen Rautenmuster konnte ich zum Dschungel hinabblicken. Mir lief es kalt den Rücken hinab.

Trotz unseres langsamen Tempos schnaufte ich nach einem Viertel des Weges und musste mich an einem Türrahmen abstützen. Amelie lehnte sich mir gegenüber ans Eichenholz, verschränkte die Arme. Sie verbarg ihre belustigte Ungeduld nicht. Das geschah noch drei weitere Male, ehe wir in den Senatssaal gelassen wurden – mit Verspätung und doch früh genug, denn von all den Anwesenden fehlte diejenige, deretwegen die Sitzung einberufen wurde.

Ich hatte Florence seit ihrer zweckmäßigen Geiselnahme nicht mehr angetroffen. Sie war stärker geschminkt als gewöhnlich, trug jedoch knappe Bekleidung wie eh und je. Ihre weichen, eingeölten Arme glänzten der einfallenden Sonne wegen fast so sehr wie der gehobene Marmorthron. Sie versuchte, mich nicht länger zu beäugen als nötig, schürzte die Lippen und wies Amelie an, mich weiter von ihr weg zu setzen, seitlich, sodass sie mich nicht direkt ansehen musste. Vermutlich rief ich in ihr die blutigen Momente wach, in denen sie Zeuge gewesen war, wie ich den Streiter von Bright Blood Ocean folterte. Sie war ohnmächtig geworden, ehe ich Cloudscratcher gezückt hatte. Danach hatte das eigentlich Schlimme erst begonnen. Die arme Sau hatte mir bloß verraten, was ich wissen wollte, wenn ich ihm verspräche, ihn von seinem Leiden zu erlösen. Das hatte ich. Und ich hatte den Rest von ihm auch zerteilt. Seine Leiche war in Stücken fortgetragen worden, und ich bereute bis heute nichts. Es war um Rose gegangen. Ich täte alles für sie.

Ich würde jeden für sie töten.

Mir entwischte ein genervtes Brummen, das die Senatorin in ebensolcher anlässlicher Freude seufzend zur Kenntnis nahm. »Warum sollte ich mit, wenn's dich anpisst?«, murrte ich.

Florence richtete ihr Augenmerk nicht auf mich, wählte es mittiger. »Es wurde auf dein Mitwirken insistiert.«

Von Lily. Ich enthielt mich eines Kommentars und bewahrte mich vom Abdriften in Spekulationen.

Der Kreis, bestehend aus Prinz Yura, diesem schrulligen alten Riss, der Senatorin, Amelie und mich, wähnte sich in unangenehmes Schweigen. Eine der Wachen räusperte sich, irgendjemand ließ leise einen fahren. Hier und da wurde die Stille von einem Schnipsen zu lang gewordener Fingernägel unterbrochen, die sich Riss mit einer Kinderschere schnitt. Eine davon katapultierte sich in hohem Bogen in den Koiteich. Als einer der schnauzbärtigen Fische danach an die Oberfläche schnappte und sich das Wasser dezent kräuselte, bat Florence Riss, seine Fingernagelpflege bis auf Weiteres einzustellen. Der Kauz gehorchte murmelnd und steckte sich sein Werkzeug in eine Tasche seiner dunkel-purpurblauen Kutte zurück.

»Sie sehen nicht gut aus, Senatorin. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« Prinz Yura hob seinen Taschenlampenblick beim Sprechen nicht, und er klang ausgesprochen schüchtern bei seiner Frage.

»Nein.« Florence faltete die Hände ineinander. Sie erwiderte müde: »Seit kurzem macht sich ein Gerücht unterm Volk kund, dass ich geplant hätte, den Senat zu ermeucheln, um eine Alleinherrschaft zu erzwingen. Es verbreitet sich immer mehr, die Leute sind wütend. Sie werden aufmüpfiger und bestehen auf eine rasche Neuwahl ... und teilweise auf meine Absetzung. Obwohl ich ein Opfer wie sie bin, werde ich zur Schuldigen erklärt. Ich glaube, Red Shark hatte das geplant. Er ließ mich überleben, weil er bezweckte, dass mein Volk mich anzweifelt. Und«, sie seufzte entmutigt, »es gelingt ihm, wie's scheint.«