Protokoll: Mutter V; part 21

225 19 13
                                    

Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)




War ich zu harsch gewesen?

Diese Frage stellte ich mir immer wieder. Es war, als wäre ich programmiert, ein schlechter Mensch zu sein und massive Fehlentscheidungen zu treffen. Solche wie letzte Nacht. Ich hatte Rose aufgesucht, obwohl ich wusste, dass ich damit auf jegliche Liebe schiss, die uns verband. Weil ich ein Betrüger war und selbstsüchtig. Was war aus mir geworden? Warum lockte ich Rose, um sie letztendlich wieder wegzustoßen? Ich hätte sie in Frieden lassen sollen. Das wäre das Beste für sie.

Doch es hatte sich so gut angefühlt.

Gleichgültig, wo ich war, was ich tat, woran ich feilte, worüber ich grübelte - stetig war sie in meinen Gedanken, und es gelang mir nicht, Rose daraus zu verjagen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich je so wohl und sicher gefühlt hatte wie mit ihr. Das hatte mir eine Heidenangst gemacht. Tat es nach wie vor. Ich wollte vor ihr fliehen, nicht darüber reden. Ein Blick, ein Wort und ich warf alles über Bord. Gerade mied ich, sie anzuschauen, denn ich sollte nicht, ich würde die Situation verschlimmern. Es wallte den Schmerz in mir auf, dass ich nicht Kendal heiraten wollte, sondern Rose - und eine gemeinsame Zukunft unmöglich war. Ich wollte wieder die Person sein, wegen der sie lachte, nicht weinte, und sie hatte geweint, ich kannte sie doch. Es ist einfach alles scheiße.

Sie und Keith spielten auf dem Deck, nachdem sie das Schiff gestartet und auf Autopilot gestellt hatte. Arthur und ich hatten das Gepäck eingeladen. Es war friedlich, still. Mein Junge überlegte, welche Karte er von ihrer Hand ziehen sollte, und Arthur las ein Fachbuch über Wirtschaftswissenschaften, das sich mit soziokulturellen Strukturen auseinandersetzte. Ich lümmelte an der Bordküche. Rose' Schiff war grau und altmodisch, der Aufenthaltsraum war so monoton wie das Metall, das die Wände zusammenhielt.

»Möchtest du eine Zigarette oder eine Umarmung, Rose?«, ließ sich Arthur aus heiterem Himmel vernehmen. Ich beobachtete die Runde aus der Ferne, süffelte den braunen, bitteren Tee aus Zimt und einem Kraut, das mir fremd war. Es kombinierte beschissen, bäh!

»Nein, danke. Wieso?«

»Du siehst schlecht aus.«

»Mir geht es gut«, versicherte sie, und da wagte ich es, sie zu mustern. Rose hing, zwischen dem Rahmen ihrer kirschroten Locken siechte ein kreidebleiches Gesicht mit blassen blauen Augen, die sich kaum offenhielten, zumal sie gelegentlich ein kränkliches Schniefen von sich gab. Wie konnte mir das entgangen sein? Sie hatte sich bei Keith angesteckt. Ziemlich heftig sogar.

»Ist wirklich alles gut, Rose?«, hakte Keith nach. »Du kippst immer weiter vor.«

»Ja, ich bi- ... Hatschi!« Rose knallte sich die Hände vor die Nase. »Oh je, tut mir leid.«

Arthur ließ ein Taschentuch aus seinem »Rucksack für alle Fälle« flattern und wischte sie mit diesem eilig ab. Es war aus gelbem Samt, mit indigoblauen Intarsien bestickt und trug seine Initialen am oberen Rand. »Verfügt das Schiff über Erkältungstees und Medizin?«

»Einen Verbandskasten«, antwortete Rose gedämpft vom Stoff. »Ich glaube, mehr ist nicht zu finden.«

»Ich hab Tabletten, die kann man lutschen!«, verkündete Keith, hastete zu seiner Koje und kehrte mit einer Packung zurück. »Apfelgeschmack. Magst du Apfel?«

Das waren Halstabletten, ich hatte sie ihm wegen der begleitenden Rau- und Trockenheit der Galloneyischen Grippe gegeben. Rose lächelte meinem Sohn schwach zu. »Äpfel gehören zu meinen Lieblingsobstsorten«, erwiderte sie. Das liebte ich an ihr. Egal, wie schlecht es um sie stand - sie achtete ihr Gegenüber, blieb nett und sanft und bescheiden, selbst wenn ihr diese Medizin kaum eine Hilfe sein würde. Keith fühlte sich hilfreich. Das stärkste sein Selbstbewusstsein. Sie musste das wissen, deshalb nahm sie an.

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt