Lights Gedichtstunde VI

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Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)







Anstatt das Vertrauensgespräch in der Schule stattfinden zu lassen, hatte mich Mrs. Light zu sich nach Hause eingeladen, und wie ich gestehen musste, pumpte mein Herz vor Aufregung deswegen. Mit dem schweren Rucksack auf den Schultern hüpfend joggte ich auf dem Fußgängerweg grenzend zur gängigen Landstraße. Sand und Kiesel schlüpften unter meine Rennschuhe, weiße mit rosa Häkchen-Aufdruck und hellen Schnüren, deren pinken Pinken vom Laufen durcheinander wirbelten. Von der Hitze musste ich schnaufen, meine Lungen waren diese Raserei nicht gewöhnt; Staub, Ruß und bittere Abgase aus Devons Autowerkstatt hingegen schon. Dem Sport untauglich war ich nicht, lediglich ungeübt. Ein verkrustetes Wegschild, das halb schief hing, ließ mich in eine Nebenstraße einbiegen, in eine ärmere Gegend. Als ich die mir angegebene Adresse erreichte, stand mein Atem vor Erschöpfung in Flammen. Ich stützte meine Hände auf die Knie und ließ schnappend die Zunge heraushängen. Im Fensterspiegelbild des kahlen, eingedrückten Mietshauses glühte mir die Röte meiner Wangen wie ein Sonnenbrand entgegen. Die Scheiben waren verdunkelt, um die Flure vor Überhitzung zu schützen, doch mich selbst sah ich. Das traurige blaue Glimmen meiner Augen hatte sich im Fortschritt meiner Jugend versilbert, es mischte sich zu einer eigenartigen, aschigen Farbe mit Tupfen Himmelslicht. Poetischer beschrieben, als es war. Ein wenig kam ich mir dadurch kühl vor, und ich fürchtete, anderen dadurch falsche Kälte auszusenden. Im Geist meiner Freunde wollte ich keinen Schneeabdruck hinterlassen.

Mein Zeigefinger schwebte vor den Klingeln, ehe ich die richtige läutete und hin und her tapste in der Unruhe, endlich mitzukriegen, wie Mrs. Light wohnte. Lehrer verdienten nicht allzu schlecht, insoweit ich informiert war, außerdem hatte sie Familie, ihr Mann steuerte sicherlich auch etwas bei, und ihre Kinder? Ob sie daheim waren? Die Überlegung ängstigte mich. Ich war schüchtern und stotterte, sobald ich nervös wurde, so sollte mich Mrs. Light nicht erleben. Vielleicht wäre ich ihr peinlich – oder noch schlimmer – ich mir selber. Irgendwann würde ich an meinem Selbstbewusstsein feilen müssen. Menschen waren manchmal gemein und oberflächlich. Über mich machte man sich leicht lustig. In der Elementary School war ich wegen meines Stotterns gehänselt worden, ich hegte noch immer Angst davor, dass es jemand bemerkte und mich auslachte. Diesmal könnte ich mich in keine Bibliothek retten.

Einatmen, ausatmen, Rose, alles wird gut ... ICH WERDE ES RUINIEREN UND UMZIEHEN MÜSSEN!

DRRRrrrrrrrr! Ein sägendes, grollendes Plärren schreckte mich aus meinen Albträumen, ich japste schulternzuckend auf und stemmte die Haustür mit dem Ellbogen nach innen, worauf ich die schnöden, gewöhnlichen Treppen hinaufsprintete und vor der falschen Tür hielt. Mrs. Light öffnete ihre hinterrücks. Zwischen den weißen Wänden strahlte ich wie ein roter Stiftmarker und presste die Lippen aufeinander, um vorzugeben, ich wäre nicht aus der Puste. Anhalten, maßregelte ich mich.

Sie hatte die ästhetischen Finger sachte um die Türklinge geschlossen und blickte sanftmütig in die leblose, saubere Etage. Ihre ruhige, feminine Stimme hallte. »Rose. Komm doch herein.« Ihre schlanke, weichherzige Gestalt schwenkte auf, um mir den Eintritt freizuräumen, und ich zog gesenkten Kinns an ihr vorbei. Ich hatte vergessen, sie zu begrüßen, und entschädigte sie drinnen mit einem schüchternen Lächeln.

Rasch fiel mir auf, wie zügig ihre überraschend dürftige Wohnung war. Wind aus herausgebrochenen Fenstern schlug sich beidseitig an mir vorbei, mit dem Blick zurückverfolgend stellte ich fest, dass scharfe, zackige Scherben im Fensterrahmen ragten. Der glatte Holzboden darunter bezeugte in seinem Glanz, erst kürzlich gewischt worden zu sein, der Wohnraum mit fader, undekorativer Einbauküche duftete frisch und winterlich und das schlichte Schrankbett war eingeklappt. Eine Kopfdrehung verriet mir, dass Mrs. Light zwar einen Fernseher besaß, ihn jedoch nicht angesteckt hatte, keines ihrer Geräte sog Strom, im Allgemeinen war dieser Ort mehr als minimalistisch. »Leben Sie hier mit Ihrer Familie?«, platzte meine Verwunderung ungehalten heraus.

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt