Protokoll: Die Schlange und der Wolf III; part 43

82 15 2
                                    

Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)







»Sobald es dir besser geht, werde ich dich schimpfen, bis dir die Ohren taub werden.« Das hatte Rose mir zärtlich am Krankenbett zugeflüstert, ehe ich eingedöst war, und scheiße, ich hatte mehr Angst vor ihr als vor dem, was mich im Gericht erwartete.

Ich erinnerte mich nicht an viel. Offenbar hatte ich einen Herzstillstand erlitten, geschürt von den Entzugssymptomen, wenngleich sie nicht dessen Ursache darstellten; die Ärzte meinten, der Kollaps hätte bereits länger in mir geschlummert. Es wäre alles eine Frage der Zeit gewesen. Nach meiner Wiederbelebung, die fast drei Minuten in Anspruch genommen hatte, hatten sie mich darüber grob aufgeklärt. Ohne Rose' Beiwohnung, darauf hatte ich insistiert. Die Wahrheit lautete, dass mein Herz kaputt war und dass sich die Leiden mit jeder Woche verschlimmern würden. Man müsste mir ein neues einpflanzen, um mein Überleben zu sichern, doch die Chance, dass ich eines kriegte, na ja, jene sei gering. Folglich würde ich sterben, irgendwann, und bis dahin sollte ich mich schonen. Keine körperlichen Anstrengungen, Stress vermeiden, Bettruhe, kein Alkohol, keine Drogen, kein Koffein, Nikotin, Fleisch (als ließe Rose das zu), keinen Wutanfälle erliegen – als könnte ich das beeinflussen! So ein verfickter Mi- ... ugh, ruhig bleiben, Kaya. Kein Sex. Bringt mich doch gleich um.

Es war bizarr. Zu hören, dass man so gut wie tot war. Obwohl die Fakten für sich sprachen, konnte ich es nicht glauben. Ich war jung, hatte einen Sohn, ich würde heiraten, und auch wenn all meine Pläne ins Leere flogen, hatte ich nicht das Gefühl, dass mein Leben vorüber wäre. Also verdrängte ich es. Eher genoss ich es, bei Rose zu liegen, ihrer lieben dünnen Stimme zu lauschen und ihre Finger in meinem Haar zu spüren, als über meinen Tod zu sinnieren. Noch war ich es nicht. Und ich würde jede verfluchte Sekunde verdammt nochmal genießen. Mit ihr.

Ich tat Rose unrecht, das wusste ich. Damit, ihr meinen Herzfehler zu verschweigen, mit meinen verrückten Ideen, ihr meine Liebe und Vertrauen zu beweisen, damit, sie zu lieben und zu beanspruchen, wo sie weitaus Besseres verdient hatte. Ich war eine Egoistin und ein Arschloch, und ich würde immer eins bleiben, aber ... hoffentlich bis zum Schluss ihr Arschloch. Wen sie nach mir lieben würde, konnte ich mir denken, drum dachte ich gar nicht daran. Kazaka bedeutete ihr mehr, seit ich sie kennengelernt hatte, dagegen war ich machtlos. So sehr ich es hasste, keine Macht, keine Kontrolle über etwas zu besitzen, so beruhigte es mich gleichermaßen wenigstens, dass sie niemals allein wäre. Und Keith bei ihr sicher. Vielleicht war es Schicksal. Vielleicht hatte mit Arthurs Stunde ebenfalls meine geschlagen, bloß dass mir eine mehr geschenkt worden war. Von ihr, der Frau aus meinen Träumen, oder den Ärzten, keine Ahnung. Das war letztendlich egal.

Der Prozess begann, das langsame, gewichtige Aufklappen der verzierten Doppeltür schob mich aus meinen düsteren, selbst bemitleidenden Gedanken, und ein Stoß der Wärter rückte mich nach vorn in den Hauptsaal des Palastes. Darin hockten auf ihren Thronen die Senatoren in prächtiger Kluft, Edelsteinen, Tüchern und je einen goldenen Weinkelch in der Hand, den sie schwenkten, während sie mich süffisant taxierten. Politiker. Oh, wie sehr sie mir auf die Eierstöcke gingen. Mittig und am höchsten von ihnen positioniert saß Florence, ein Bein übers andere, die Arme elegant auf den Lehnen ausgebreitet und das Kinn erhoben, in einem sandfarbenen Seidengewand, das gerade noch ihre schamhaften Regionen verhüllte. Sonne beschien sie aus den hohen Fenstern und ließ ihre dunkelbraune Haut glänzten wie Walnussöl. Ihr hochgestecktes Haar fundamentierte auf einem Kranz aus grünen Kräutern und veilchenblauen Blümchen. Sie sah aus wie eine Königin der Antike. Ich richtete meine hasserfüllten Augen auf sie, ehe sie erweichten, als ich meinen Blick zur Seite steuerte, wo Rose mir inmitten einer beachtlichen Litanei Nacktkatzen beipflichtete.

Die sandige Röte des Gemäuers akzentuierte ihre Wellen wie Flüsse aus Kastanien, mehr rot als braun, und ließ ihre grauen Augen bläulich zu Wasser schmelzen. Mir kam ihr Ausdruck von gestern in den Sinn, das verheulte Gesicht, die verwischte Schminke, die Trauer und Sorge in ihren Zügen. Diese Frau war zu sensibel für diese harte Welt und trotzdem stark genug, sich an meiner Seite in ihr zu bewegen. Ihr sorgenvolles Lächeln spendete mir Kraft, genauso wie der lockere inkarnate Einteiler, der sie zu den sieben Sommersprossen in einer gewissen Süße ausschmückte. Lässig, aber angemessen. Fuck, sie fand stets das Richtige, um sich mit jedem Tag noch schöner als am vorherigen zu machen. Ich wünschte, ich könnte sie entkleiden und mich dafür bei ihr bedanken, ausgiebig, doch solche Fantasien waren mir im Augenblick nicht gestattet.

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt