Protokoll: Groß bist du geworden V; part 50

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Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)





Schwärze vor meiner Sicht hatte keinen Ort zugelassen, den ich mir hätte markieren können, der Kopfschutz um meinen Ohren hatte die Aufnahme keines Geräusches erlaubt, und auch meine Hände waren nach hinten auf dem Rücken gedreht gefesselt worden, um meine Bewegungsfreiheit, meine Orientierung, einzuschränken. Panik hatte mich durch das Fehlen von Sinnen und Reizen übernommen. Ich hatte versucht zu schreien, doch der Mund war mir geknebelt gewesen. Ich hatte in das streng gezogene Gebinde um meinen Kopf geweint und in das Knäuel in meinem Mundinnenraum gespuckt, mit den aneinander gebundenen Beinen ausgeschlagen im dem Wissen, dass es zwecklos war, mich auf irgendeine Art und Weise zu wehren. Eine Weile war ich getragen worden, dann hatte sich die Fahrt um mindestens zwei Stunden gestreckt, bis man mich in dieses sterile Zimmer transportiert und dort zurückgelassen hatte.

Derselbe, der Kaya hoch über sich gehoben und wie einen Schlittschuh über den blutnassen Marmorboden gleiten lassen hatte, war es, der mir nach und nach meine Sinne wieder gewährte. Ohne Worte hatte er mich aufs Bett gesetzt – mit der Kraft seiner bloßen Arme – und die Panzertür hinter sich verschlossen. Die indigoblauen gluckernden Wände aus Aquarien hatten den glänzend roten Exosuit in ein dunkles malerisches Blau getränkt. Sein gezähnter Haihelm erschien mir vor Augen, wenn ich daran dachte, wie es meiner Frau ging. Ich wusste, dass Kaya sich Vorwürfe machen würde. Sollte sie an etwas zerbrechen, dann an ihrer Machtlosigkeit. Nichts kränkte sie mehr, als zu erleben, wie sie versagte. Wie ihr die Kräfte versagten.

Am ersten Tag in diesem seltsamen Raum wurde ich kein einziges Mal aufgesucht. Man ließ mich allein mit meinen Gedanken, Gefühlen und Eindrücken, ohne Medikamente, die mein inneres Gleichgewicht balancierten. Ich fühlte mich wie ein Wirbelsturm, mal traurig, panisch, wütend, ängstlich und entschlossen gleichzeitig. Wenn die Winde standen, empfand ich Leere und starrte zu den bunten Fischen, die sich um tiefgrüne Wasserpflanzen manövrierten. Ich redete mit ihnen. Teilte ihnen meine Sorgen mit. Lachte – einfach so, ohne Grund, wahrscheinlich war mir alles zu viel und ich konnte meine Emotionen nicht mehr ordnen. Nahrung brachte man mir durch einen Speiseaufzug; ich bemaß ihn, er war zu eng, um in ihm aufzusteigen. Ich kriegte Haferschleim ohne alles, er schmeckte nach nichts, was meinen Appetit nicht gerade anregte. Ich stellte ihn auf das schubladenlose Kästchen bei meinem dünnen, bedürftigen Bett aus silbernem Metall. Es war so unbequem und hart, wie es aussah. Der Brei war mittlerweile eingetrocknet.

Eine finstre Kamera beobachtete mich aus der Ecke. Ich war dankbar, dass sie den Winkel im Bad, wo die Toilette ruhte, nicht filmte. Beim Duschen jedoch konnte man mir zugucken, deshalb ersparte ich mir diesen Teil der Körperhygiene bis zum dritten Tag. In dieser Zeit tauchte lediglich einer dieser rotanzügigen Männer auf, um das Tablett mit meinem Essen wegzuschaffen. Immer, bevor das geschah, wurde der Sauerstoff aus dem Raum gesogen, sodass ich nach Luft schnappend am stählernen Boden kroch und gierig einatmete, wenn sich die Tür in der Mitte trennte. Dann hatte ich keine Zeit, an Flucht zu denken – ich musste atmen. Am vierten Tag führte das dazu, dass mir Panikattacken vorspielten, es wäre bereits soweit. Ich konnte es nicht mehr auseinanderhalten. Ohne Pillen schwand mein Sinn für Realität und Fantasie.

In diesem deprimierenden Blaulicht von allen Seiten hämmerte ich gegen die Tür, ich brauche meine Medikamente, doch niemanden, den es scherte, erreichte meine Nachricht. Trotzdem zählte ich heulend auf, welche ich benötigte in der Hoffnung, doch erhört zu werden.

Am fünften Tag antworteten mir die Fische. Aus ihren voluminösen Lippen blubberten Blasen, sobald sie mit mir sprachen, und ihre Glupschaugen starrten mich penetrant an. Dieser eine war gelb mit einem blauen Streifen, der sich an der Schwanzflosse grün färbte. Er war ein wenig fett. Ich nannte ihn Boba. »Aber, aber, Rose«, tadelte er mich. »Hat dich deine Erfahrung nicht gelehrt, dass man sich einer Verrückten nicht nähert? Sei brav, kauere dich in die Ecke und schweige. Dann kommt Azura vielleicht zu dir und streichelt dich. Du möchtest doch ihre Stimme hören, nicht wahr? Ihre ist die einzige Stimme, nach der du dich sehnst. Sie beruhigt dich. Du liebst sie so sehr, dass du ihr nie was antun könntest. Nicht wie den anderen. Nicht wie Phynx, den du in den Arm gebissen hast. Deinetwegen hat er dort einen blauen Fleck. Das war unartig von dir. Du solltest dich wirklich bei ihm entschuldigen!«

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt