Protokoll: Groß bist du geworden VI; part 51

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Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)





»Ich habe diese scheiß Warterei dermaßen satt!«, entrüstete ich mich, klaubte ein Steinchen vom felsigen Boden auf und schleuderte es über den langen, schmalen Ausguck des U-Boots. Hereinfallende Abendsonne ließ die neue Außenverkleidung zitronig glänzen. Es hatte die Form eines glattgeschliffenen Entchens mit schlitzartigen Fenstern. Ein Plumpsen verriet mir, dass der Stein im indigoblauen Wasser gelandet war.

»Deine Wutausbrüche werden's jedenfalls nicht beschleunigen, also kannst du dich genauso gut hinsetzen und chillen, bis der Kapitän angereist ist.« Amelie zielte mit ihrem braun gefleckten Scharfschützengewehr auf mich; das tat sie schon die ganze Zeit, seit sie auf dem Fass hockte, das nach in Essig eingelegten Gewürzgurken stank.

Genervt angespannt ballte ich die Fäuste. Wahrscheinlich wirkte ich gerade wie ein trotziges Kleinkind, aber das war mir egal. Ich hatte es eilig, und ich war angepisst. »Könntest du mal damit aufhören?«

Ihr Grinsen machte sich über mich lustig. »Nope.«

»Was soll ich jetzt bitte groß anstellen?« Ich grollte wie ein wütendes Tier, während ich auf sie zu marschierte. »Die Senatorin ist nicht hier, meine Waffen wurden mir abgenommen und ich bin körperlich nicht imstande, jemanden zu überwältigen. Allein könnte ich ebenfalls nicht losziehen, weil wir keinen fucking Steuermann für das dumme Teil haben.«

Amelie entfernte die Linse vom Auge. Ihr feines, glattes Gesicht schlug kaum Lachfalten, als sie verschmitzt die Lippen dehnte. Eine Hand auf den Oberschenkel ihrer Camouflage-Armeehose gestützt und breitbeinig dasitzend, könnte sie fast wie jeder andere Soldat aussehen, wäre ihre Erscheinung nicht so elfenhaft. Ihr draufgängerisches, gleichmütiges Gehabe stand in absurdem Kontrast zu ihrem Äußeren. Sie war viel zu schön für eine Söldnerseele. Dennoch war sie bepackt mit Waffengürteln, Messern, diversen Schusswaffen, einem Rucksack mit was weiß ich drinnen und wattierter Uniform. »Richtig«, sie schmunzelte, »aber Florence hat mir den Befehl gegeben, dich Tag und Nacht zu überwachen, und da jeder informiert darüber ist, was du kürzlich für Scheiße gebaut hast, gehe ich lieber auf Nummer sicher. Tilikums sollen einfallsreich sein, hab ich gehört. Tödlich selbst ohne Werkzeug. Außerdem trau ich dir kein Stück. Du bist nicht gerade verlässlich, Sensibelchen.«

Vor ihr gestoppt, schob ich das Scharfschützengewehr von meinem Gesicht und stemmte die Hände in die Hüften. »Nur meinen Methoden habt ihr es zu verdanken, dass wir wissen, wo Rose steckt.«

»He, wie du's herausgefunden hast, find ich ehrlos, aber es hat seinen Zweck erfüllt. Ich sprach eher von dem Teil 'ich bedrohe das Leben der Senatorin, löse die gesamte staatliche Alarmbereitschaft aus und riskiere dabei sinnlos mein eigenes, damit sie mich noch mehr hasst'.« Amelies schlechte Imitation untermalte sie mit einer übertrieben hohlen Stimme. »'Außerdem bin ich Kaya und ich stinke nach der Wurst, die ich vor drei Tagen abgeseilt habe'. Echt mal. Denkst du nie über Konsequenzen nach oder provozierst du die Menschen in deinem Umfeld einfach gern?«

Ich biss mir in die Backen. »Beides.«

Auf meiner Wendung zum Steg entfuhr mir ein grimmiges Knurren, worauf ich mich senkte und die Beine über die Kante schwang, um sie über dem Wasser baumeln zu lassen. Mein Spiegelbild funkelte mich böse an. Vor lauter Ungeduld suchte ich täglich den Palasthafen darauf hoffend auf, dass wie auf magische Weise dieser verdammte Kapitän herbeigezaubert wurde, sofern ich nur intensiv genug dafür betete. Der Hafen war tief an einer Mündung des Goldenen Aderlasses aus dem Berg gehauen worden. Seine künstlich angelegte Höhle räkelte dutzende Stege zum Fluss hin, wo Handelsschiffe ein- und ausfuhren und ihre hochwertigen Güter ausluden. Hafenarbeiter schleppten sich an den rauen, unebenen rotbraunen Felswänden vorbei, schnackten mit den Wachposten in ihren goldroten Rüstungen und den Laserpiken und teilten zur Pause Fischsemmeln untereinander an einem Imbiss auf. Der Mief von in Netzen gefangenem Fisch ätzte mir in die Nase. Mit den Stunden war dieser Geruch nicht auszuhalten. Zuvor hatte ich nie einen echten Hafen erkundet – es existierten kaum noch gesunde Gewässer, in denen das möglich war –, und befand mittlerweile, dass mir diese Erfahrung hätte vorenthalten bleiben dürfen. Eine Schiffsglocke bimmelte. Ich regte mich über das Geräusch auf, indes eine Kogge aus Lärchenholz am U-Boot vorbeischipperte. Ihr umbrabraunes Segeltuch, darauf das verschnörkelte Insignium einer Handelsgilde abgebildet, wurde soeben eingezogen.

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt