Protokoll: Wo sich die Liebe neu entfachte III; part 30

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Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)





Nachdem wir die Tierklinik verlassen hatten, hatte ich in der Villa Ardó übernachtet. Munter faltete ich die Laken und Bezüge, um sie der Wäsche im Hauswirtschaftsraum beizufügen. Bei Morgengrauen machte ich mich davon.

Den Berg stieg ich zu Fuß hinab und rückte in Richtung Stadtmitte, wo ein kleines, süßes Café auf mich wartete, das ich unbedingt auskosten wollte, seit es Cin empfahl. Des Weges dachte ich über Jason nach. Es trieb mich ins erbarmungslose Schwitzen, dass er vorgestern in Kazaka Corp. gewesen sein soll – oder nicht, wie meine Annahme lautete. Doch der Gedanke, ihn in meiner Nähe zu wissen, wenige Meter entfernt, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Und dass er nicht erschienen war, beunruhigte mich sogar noch ein Stück mehr. Ihm konnte man nicht trauen, so war es schon immer gewesen. Jason war ein Rüpel und Egoist, ihn scherten Mitgefühl und Moral nicht. Er war zwar nicht so scheußlich wie Hayden, jedoch nah dran. Die beiden hatten einander wahrlich verdient. Während ich allerdings über Haydens Aufenthalt im Klaren war, stocherte ich bei Jason im seichten Gewässer. Gleichzeitig konnte er nirgends und überall sein. Ich hatte Angst. Angst. Mitten in der Stadt unter Menschen – und ich fühlte mich nicht sicher.

Ein Bimmel kündigte mein Eintreten an. Ich ließ den Blick schweifen und ließ mich von der Gemütlichkeit, die von den gepolsterten gelben Plätzen, gestickten Kissen und eichhölzernen Möbeln ausgestrahlt wurde, in Empfang nehmen. Mich entspannten die freundlichen Gelbtöne und das Schachmuster der Bodenfliesen. Am runden Zweiertisch bestellte ich bei der Bedienung nach einiger Wartezeit. Mein Magen rumorte nach heißem Zitronentee und Rührkuchen. Die Gäste drumherum plapperten. Es war schön, wie belebt und gewöhnlich dieser Ort war. Ach, es fehlte mir, hier zu leben. Kazaka Corp. lag zu abgeschieden, und es war meistens viel zu hell, auf gruselig beengende Weise, und draußen, außerhalb des Firmengebäudes spross finster Wald. Natürlich liebte ich die Natur, aber ich ich liebte auch Menschen und Sonne.

Als mich eine Gruppe Schüler grüßte, die ich – und ich war mir dabei sicher – nie unterrichtet hatte, fiel ich grünen Augen ins Licht. Es war eine Dame in Azuras Alter, die meinen Namen aufgeschnappt hatte. »Sie sind Miss Hawk? Die Miss Hawk, die meine Tochter unterrichtet hat? Darf ich mich setzen?« Ihre Hand zitterte beim Deuten. Sie wirkte etwas gehetzt und durcheinander.

Ich spreizte meine Lippen zu einem einladenden Lächeln. Gegen ein wenig Gesellschaft hatte ich nichts, und dieser Frau schien es wichtig. Seltsam. Sie kam mir bekannt vor. »Selbstverständlich, freut mich. Und wer sind Sie?«

Ein schwerer brauner Mantel belastete ihre Schultern. Sie trug ein blumiges Halstuch, Bluse, einen Rock und befand sich im leichten Übergewicht. Ihr Haar beeindruckte mich. Es war glänzend und fein und lockig wie ... O mein Gott. »Mrs. Hainsworth. Mir wurde so viel von Ihnen erzählt. D-d-darf ich sie Rose nennen?« Nicht nur ihre Motorik, sondern genauso ihre Sprache war zittrig. Das waren die Folgen von Nervenschädigungen. Nerven, die von Medikamenten verletzt worden waren. Azura deckte einst auf, was Hayden seiner Mutter angetan hatte, und jeder hatte es erfahren. Dafür säße er im Knast, wenn er kein Held Firewalks wäre. Meiner Meinung nach hätte sie ihn trotzdem niemals freisprechen sollen.

Immerhin hatte er seine eigene Mutter jahrelang sediert, um seine jüngeren Geschwister zu konditionieren, als wären es Hunde, die mit ihm gelebt hatten.

»Meine Tochter hat so viel von Ihnen geschwärmt«, stotterte Mrs. Hainsworth. Sie war eine so liebevolle Frau. Ich begriff nicht, wieso Hayden sie missbraucht und kleingehalten hatte. Welcher Mensch war dazu fähig?

»Tochter?«, brachte ich verwirrt hervor.

»Meine Giulia.« Es raubte mir den Atem, wie mich diese Frau anguckte. Das Grün, Haydens Grün, war vollgesogen mit Sorge und Kummer. Sie leuchteten vor Traurigkeit. Ich hatte nie jemanden auf diese Weise dreinblicken sehen. Sie tat mir schrecklich leid. »Sagen Sie, wie geht es Ihr? Geht es ihr gut, ja? Geht es meinen Kindern gut?«

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt