Protokoll: Die Schlange und der Wolf V; part 45

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Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)







Kayas Lippen schmeckten verschwitzt und salzig, als ich sie überraschte und an mich schmiegte, zunächst mit neckischem Nasenkuss, dann einem liebenden, zärtlicheren. Nach unserer Trennung stieß sie eine hohle Luftwolke aus, als hätte sie während unserer Berührung den Atem unterbrochen und ihn erst jetzt aus ihrer Luftröhre hinausgeknotet. Ich war bereit, sie davon zu befreien. Zu entwirren von dem, was sich derart widerlich in ihrem Inneren verheddert und stramme Stränge durch ihren versteiften Muskeln gespannt hatte. Nichts an ihr wirkte so leicht und unbeschwert wie sonst. Etwas belastete sie, doch es war nicht die Trauer um Arthur, in diesem Fall würden ihre ozeantiefen Augen schimmern. Nein, sie war gestresst und müde. Letzteres konnte ich von den dunkelblauen Ringen in ihrem Gesicht ablesen. Ich beschloss, meine Bedenken nicht gleich zu äußern. »Es tut mir leid, dass wir uns erst so spät finden. Du ahnst gar nicht, in wie viele Gespräche der hohen Gesellschaft man verwickelt wird, sofern man eine Konversation auch nur mit der Nadel streift. Immer, wenn ich es geschafft habe, die eine Gruppierung zu verlassen, bin ich in die nächste gestolpert, und einmal wollte ich mir eigentlich bloß was zu trinken holen, weil mein Mund von den ausweichenden Antworten so trocken war.«

Kaya lächelte gequält. »Schon okay.« Ihre Hände fanden zu meiner Taille, die – dank meiner geliehenen Garderobe – nackte tätowierte Haut präsentierte. Florence' Schneider hatte mir aus verstohlenem, rabenschwarzem Chiffon ein Kleid dem Anlass angemessen gemustert, was in Shaikstation so viel bedeutete wie »freizügig, sexy, kurz«. Dazu trug ich Kayas Armbanduhr, die aus Silber mit der Rosenquarzblüte, meinen Verlobungsring und ein hauchdünnes Halsbändchen aus Sterling-Silber, das meinen Nacken beinahe wie ein halbes Kettenhemd rüstete. Darunter scheuerte es kratzig, gut schaute es trotzdem aus. »Ich verstehe, dass du höflich bleiben musst. Schließlich geht's um ein Bündnis.«

Ich seufzte. »Ich denke nicht, dass es davon abhängt, ob ich mir von der eingebildeten Schnepfe eines Senators anhöre, wie unzuverlässig sich ihr Dienstmädchen überarbeitet, und sie daraufhin erwartet, dass man sie um eine staubige Vase bemitleidet, deren Pflanze sie nicht einmal selber gießt.«

»Wenn das so ist, warum haust du dann nicht einfach ab?«

Meine Wangen färbten sich rötlich. »Ich will sie nicht verletzen, indem ich brüsk davonrase.«

»Geht das denn?« Kaya grinste mich schief an.

Ich fing mein eigenes Räuspern ab. »Vermutlich nicht.«

Sie würdigte mein übertriebenes Mitgefühl mit einem Schmatzer auf die Backe, woraufhin sie ihre liebe Geste zerstörte, da sie sich über mich lustig machte. »Du bist viel zu nett, Babe. Und du passt eindeutig nicht hierher.«

»Ich weiß.«

»Mhm.«

Es freute mich, dass Kaya trotz ihrer schlechten Verfassung ungezwungen vergnüglich aufgelegt war. »Du hast mir gefehlt«, gestand ich schüchtern. »Die letzten Tage, alle Tage, ständig. Du fehlst mir immer.«

Ihre gestrafften Schultern lockerten sich. Kaya seufzte: »Echt? Ich hatte den Eindruck, dass du mir ausweichst ... was ich verstehen würde. Mein Kommen hat alles durcheinandergebracht, und vor Gericht musstest du meinen Scheiß ausbaden.«

»Kaya.« Ich nahm ihre Hände. »Ich will bei dir sein. Glaub mir.«

Ihre feuchten Finger rutschten durch meine und zogen sich zurück. Wie sie dastand, wie sie mich ansah – sie quoll vor Schmerz. Dennoch mühte sie sich ein falsches Lächeln ab. »Ich weiß, ich will nur sagen ... Es tut mir leid.«

Trotz der uns beobachtenden Augen schloss ich sie in die Arme – ganz der Etikette zuwider – und ließ sie so lange nicht los, wie über uns getuschelt wurde. Ihr Körper fühlte sich so leicht an, dass ich sie am Buffet mästen wollte. Vielleicht gibt es weißen Zucker, den ich ihr heimlich in die Getränke rühren kann. »Ich verzeihe dir, Dummkopf«, flüsterte ich.

A Fall of Rain - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt