Kapitel 3

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Die Mädchen und ich versammeln uns auf dem Gang. „Okay. Jede bekommt ein neues Handy", sage ich leise, nur um sicher zu gehen, das man uns nicht hört. „Die Nummern von jedem aus der Einheit sind bereits eingespeichert. Ich hoffe ihr habt die alten Handys, wie besprochen, in den Zimmern gelassen?" Fragend schaue ich in die Runde. Ich schaue jedem eindringlich in die Augen und bekomme von jeder ein Nicken. „Gut. Durch das Hotel raus zu kommen sollte kein Problem sein. Die Wachen sind allerdings um das Hotel herum aufgestellt. Wir versuchen da ohne Tote durchzukommen. Sollte es nicht anders gehen, geht das auf mich."

Ich ernte für diese Aussage empörte Blicke. Doch meine Augen lassen keinen Widerspruch zu. Ich bin die Kommandantin und ich habe das letzte Wort. Alle sind sich dessen mehr als bewusst also wird in dem Punkt auch nicht mit mir diskutiert. Zögerlich nicken alle nach einander. „Ok. Dann los."
Damit setzen wir uns in Bewegung. Lautlos schleichen wir durch die Flure, biegen mal nach rechts, mal nach links ab bis wir endlich das Treppenhaus erreichen. Ich sehe fragend zu Emma, welche nickt. Als ich die Tür öffne ertönt kein Alarm. Ich atme erleichtert aus.
Wir bewegen uns schnell weiter. Eilen mit unseren Taschen die Treppen runter. Im Erdgeschoss angekommen, finden wir zwei Türen vor. Eine in die Lobby, das ist der sicherste Weg. Die Andere führt in die Freiheit, das ist der schnellste Weg. Allerdings wird an dieser Tür eine Wache stehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. „Lobby", flüstere ich in die Stille. Jasmin geht vor und öffnet vorsichtig die Tür. Nach einem kurzen Moment winkt sie uns zu sich, der Weg ist frei. Wir schlüpfen durch die Tür und Maya übernimmt die Führung. Wir schieben uns in den Mitarbeiterraum. Dort befindet sich zwar keine Tür, aber ein Fenster. Wir ducken uns und Maya schleicht zum Fenster, um zu prüfen, ob die Luft rein ist. Sie beobachtet, sie lauscht. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet sie das Fenster, springt durch und winkt uns hinterher. „Schnell", gebe ich leise und tonlos von mir.

Plötzlich geht alles sehr schnell. Ich springe gerade durch das Fenster, als ein Alarm los geht. Ich höre noch hektische Rufe und Schritte, doch bin ich schon um die Ecke zu den Anderen gerannt. „Keine Fehler. Zügiges Tempo. Wald. Los!" Meine Befehle sind kurz, knapp, aber für meine Einheit verständlich. Alle nicken und dann sprinten wir los. Maya übernimmt wieder die Führung, während ich das Schlusslicht bilde. Wir schlängeln uns durch die Straßen und Gassen darauf bedacht in der Dunkelheit zu bleiben. Nach ca. 10 Minuten erreichen wir den Waldrand, doch noch können wir uns keine Pause gönnen.
Die Gruppe fächert sich auf und so laufen wir in den Wald hinein. Als wir nach 20 weiteren Minuten eine kleine Hütte erreichen, atmen alle einmal tief durch. Diese Hütte ist unbekannt für andere. Uns hat sie schon ein paar mal geholfen, deswegen wussten wir, wo wir lang müssen. Wir sind nicht außer Atem, dafür sind wir zu gut im Training, aber man merkt wie die Anspannung langsam nachlässt. „Okay. Wir können das Tempo drosseln. Nicht schlendern aber wir sollten nicht mehr rennen müssen.", kommt es von Emma. Wir gehen an der Hütte vorbei, sie sollte nicht gefunden werden. Wer weiß, wann sie uns noch einmal nützlich sein kann.

Unsere Sinne sind geschärft. Wir achten auf die Umgebung mit unseren Augen und Ohren. Jedes knacksende Geräusche führt dazu, dass ich mich unweigerlich anspanne. Der Weg ist lang, doch für uns ist das kein Problem. Emma dreht ihren Kopf in meine Richtung. „Deine neue Identität ist fertig und durch." Ich sehe nach vorn als ich antworte. „Was ist mit euren?" Emma lacht leise auf. „Da alle relativ normale Vornamen haben, musste ich nur ein paar Kleinigkeiten anpassen. Das ist auch erledigt." Ich denke kurz darüber nach. „Über die gesetzlichen Sachen sind auch alle informiert?"
Maya hat sich während des Gesprächs zu uns in die Mitte fallen lassen. „Ja. Alle wissen bescheid. Also wie ist der Plan?" Ich drehe meinen Kopf kurz zu ihr bevor ich meinen Blick wieder nach vorn richte. „Wir kommen nach Deutschland und bauen uns dort etwas auf. Allerdings müssen wir vorsichtig sein. Die Dornen bleiben, dürfen aber unter keinen Umständen auffallen. Wir müssen uns mehr aufteilen, wenn wir da sind. Vor allem der Untergrund darf nichts mit bekommen."
Ich nehme um mich herum zustimmendes Gemurmel wahr. „Emma, leite uns." Schon ist sie von meiner Seite nach vorn verschwunden. Sie ist nicht nur unser Operator, häufig übernimmt sie auch die Navigation der Anderen.

Wir gehen mehrere Stunden durch den Wald. Langsam steigt die Sonne auf und nach weiteren Stunden bemerken wir, das der Wald sich lichtet. Etwas versteckt am Rand bleiben wir stehen. „Okay, jede Bekommt jetzt ihren neuen Pass und Ausweis. Achtet gut darauf." Und schon beginnt Emma die Dokumente auszuteilen. Es dauert ein paar Minuten bei 17 Leuten. Ich bekomme meine als letztes und Kim wendet sich an mich. „Wie heißen wir jetzt eigentlich als Gruppe?", alle Köpfe drehen sich in meine Richtung, doch ich zucke nur mit den Schultern.
Maya meldet sich zu Wort „Ich wäre für die Dornen der Rose", verkündet sie und bekommt dafür zustimmendes Raunen. Ich sehe sie skeptisch an. „Das ist ein bisschen zu auffällig, findest du nicht? Und wie kommst du überhaupt darauf?", doch sie schüttelt den Kopf und sieht zu Emma.
Mit fragend hochgezogener Augenbraue schaue ich ebenfalls zu Emma und sie grinst. „Schau doch mal auf deine Ausweis. Du hast ihn noch keines Blickes gewürdigt und dabei hab ich mir bei dir so viel Mühe gegeben", jammert sie.

Ich hole das kleine Kärtchen aus meiner Tasche und reiße die Augen auf. „Noch auffälliger ging es ja wirklich nicht!" Mein Ruf ist empört, aber irgendwie gefällt mir der Name. Es ist ein Stück Heimat und so offensichtlich, das wir einige Zeit Ruhe haben sollten. Jetzt verstehe ich auch, warum Maya den Namen vorgeschlagen hat. Alle wussten davon, nur eben ich nicht. Ich bin gerührt, wie sehr die Mädchen zu mir stehen, mir vertrauen. Mit einem leichten Lächeln schaue ich in die Runde. „Ok, aber der Name darf nirgends fallen", hauche ich und versuche nicht in Freudentränen auszubrechen.

Dann eben die Dornen der Rose.

Die Dornen der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt