Auf meine Worte hin herrscht Stille im Trainingsraum. Emma legt sanft ihre Hand auf meine Schulter und drückt vorsichtig zu. "Wir schaffen das. Und selbst wenn er dich findet, wird er dich nicht bekommen. Du weisst das genauso gut, wie jede Andere hier in dieser Einheit." Ich nicke. Sie hat recht. In dieser Gruppe steht jeder für jeden ein. So war es schon immer und so wird es immer sein.
Das ist es was diese Einheit so stark und gefährlich macht. Jeder vertraut auf jeden und niemand wird allein gelassen. Wir sind eine Familie und diese wird mit allen Mitteln und unter allen Umständen beschützt.
Ich drehe mich zu Emma und will etwas sagen, als unsere beiden Handys anfangen aufgeregt zu piepsen. Schnell holen wir sie hervor und schauen darauf. Ein kurzer Blickwechsel. Wir stürmen aus dem Trainingsraum und hasten zur Zentrale.
"Wo?" Der Ton ist scharf. Es klingt mehr wie ein Befehl, als eine Frage. Doch Alice, welche gerade die Überwachungsschicht hat, weiß natürlich was ich meine. Immerhin hat sie uns die Nachricht gerade geschickt. "Berlin. Das ist zu nah Kommandantin." Ich höre ihren verzweifelten Unterton in der Stimme. Sofort fasse ich mich wieder. Drehe mich zu Emma. Diese nickt nur und schwindet schnell aus dem Raum. "Wann?" Dieses Mal ist die Frage etwas sanfter. Sie soll nicht noch mehr verängstigt werden. Allein die Tatsache, das er hier ist, ist nicht gut für uns.
"Vor 48 Minuten." Emma kommt zurück in den Raum und auch der Rest der Mädchen versammelt sich. Emma hebt ihren Zeigefinger. Das Zeichen, das sie gerade nicht unterbrochen werden sollte, also wende ich mich an den Rest. "Er ist in Berlin gesehen worden. Vor ca. 50 Minuten." Alle schnappen nach Luft. Ich kann es nachvollziehen. Wir sind noch keine 24 Stunden im Lager und schon ist er wieder in der Nähe.
Emma springt auf und fliegt gerade zu in ihren Bereich. "Ich weiß, dass du dich nicht verstecken willst, also zeig dich endlich." murmelt sie, während die Tastatur regelrecht unter ihren Fingern leidet. Maya kommt mit Kim rein. Sie sieht mir in die Augen und ich bringe nur ein Nicken zustande. Sie zieht zischend die Luft durch die Zähne ein. "Das kann doch wohl nicht wahr sein", grummelt sie.
Sie wendet sich an die Mädchen. "Okay Ladys. Der Tagesplan bleibt bestehen. Wir haben keine andere Wahl, allerdings werden wir nicht nach Berlin fahren. Er wird dort eine Weile bleiben, deswegen gehe ich davon aus, das wir in den Dörfern und kleineren Städten besser aufgehoben sind." Alle nicken. "Vorerst. Ich werde das Lager nicht verlassen. Maya wird draußen die Führung haben, während Emma und ich von hier aus arbeiten werden", füge ich nun hinzu. Wieder ein Nicken von allen.
Während wir warten, das Emma fündig wird, kommt eine Frage immer wieder auf. "Wie hat er uns so schnell gefunden?" richtet Ellie das Wort nun an mich. Ich überlege. Haben wir irgendeinen Hinweis hinterlassen? Irgendetwas, das uns verraten hätte können? Mich trifft der Blitz. Sofort schnelle ich an meinen Platz in der Zentrale und entsperre meinen Rechner.
Ich scanne die Umgebung, doch weder wurde versucht unseren Server zu hacken, noch sehe ich etwas verdächtiges. Okay hier ist alles sauber. Ich hangel mich weiter, bis mir etwas ins Auge springt. Der alte Backup-Server in Spanien läuft noch. Verdammt, natürlich! Über die IP konnte er den ungefähren Standort ermitteln. Schnell springe ich durch die Verbindungen und starte die Löschung des Servers. Auch wenn es zu spät ist um den ungefähren Standort zu verschleiern, den Genauen kann er nun nicht mehr finden. Ein Glück haben wir regelmäßige IP-Wechsel.
Ich hatte vorhin noch etwas von Fehlern gesagt und nun ist mir und Emma einer der gröbsten passiert. Warum haben wir nicht an den alten Backup-Server gedacht? Ich schüttle den Kopf. "Hab ich dich!" ruft Emma da plötzlich. Alle zucken zusammen. Auf dem großen Monitor erscheint eine Aufnahme einer Überwachungskamera, in die Emma sich gehackt zu haben scheint.
Adrian steht dort, die Tür seines Wagens wird ihm geöffnet. Doch er steigt nicht ein. Stattdessen dreht er sein Gesicht zur Kamera, starrt sie einige Sekunden an und beginnt zu lächeln. Seine Lippen formen Worte und es braucht einen Moment, bis ich realisiere, das er zur Kamera gesprochen hat. Einen weiteren Moment später realisiere ich WAS er zur Kamera gesagt hat und schnappe nach Luft.
"Hab dich"
Es sind nur zwei Worte. Zwei Worte die alles zerstören können. Mein Magen dreht sich um. "Wann war das?" frage ich Emma angespannt. "Vor einer Stunde und 12 Minuten am Flughafen." Wieder herrscht Stille. Ich überlege, lasse die Szene immer wieder vor meinen Augen ablaufen. Bis mich plötzlich die Erkenntnis trifft.
"Em orte ihn. Sofort!" brülle in den Raum und schon hört man das laute Geräusch von Tasten, die eilige gedrückt werden. Kurze Zeit herrscht Stille und bis auf die Tastatur hört man nicht einmal das Atmen der Menschen in diesem Raum.
"Fuck! Nein, nein, nein!", höre ich plötzlich Emma rufen. Ich drehe mich zu ihr und sehe sie fragend an. Ihr Gesicht ist kreide bleich und sie beginnt leicht zu zittern. "Em was ist los?" fragt Maya sie sichtlich beunruhigt. Auch ich beginne mir Sorgen zu machen, denn diese Reaktion heißt nichts Gutes.
"Ich hab ihn geortet. Über sein Handy." Sie verstummt. Ich kann mir schon denken, was sie sagen will, doch solange sie es nicht ausspricht, ist es nicht wahr. Nicht real. Solange haben wir noch eine Chance. Alle schweigen, alle wissen, was sie als nächstes sagen wird. Keiner wagt es auch nur einen Mucks zu machen. Keine von uns will, das es real ist. "Er ist" setzt Emma an, räuspert sich einmal und fängt von vorn an. "Er ist gerade die nahe gelegene Autobahnabfahrt runter gefahren."
Erleichtert atme ich aus. Das sind bessere Nachrichten als ich dachte. Ich lächle. Nun liegen alle Blicke auf mir. Alle verwirrten Blicke. Ich sollte es ihnen erklären. "Dieses Lager wird durch lange Gänge mit anderen Unterschlupfen verbunden. So können wir ihn und auch seine Männer umgehen, wenn wir raus wollen. Wenn sie im Dorf sind, können wir in das Nächste, ohne an die Oberfläche zu müssen." Erkläre ich ruhig, fast schon gelassen.
Nun lächeln auch die Anderen und nicken. Zumindest vorerst müssen wir uns keine Sorgen machen, so schnell auf Adrian und seine Männer zu treffen. Das hoffe ich zumindest. Denn der Film, der sich vor meinem inneren Auge abspielt gefällt mir gar nicht.
Ein Film in dem er in die Kamera schaut, als würde er mir in die Seele schauen. Mich anlächelt. Und zwei Worte spricht bevor er in das Auto steigt.
"Hab dich"
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Die Dornen der Rose
ActionWas würdest du tun, wenn sie dir das Wichtigste in deinem Leben nehmen wollen? Würdest du aufgeben oder würdest du kämpfen? Genau vor diese Entscheidung wird Ruby gestellt. Doch sie überlegt nicht, sondern reagiert. Keine regelmäßigen Updates garant...