Ich eile zum Kleiderschrank. Eine Leggings und ein schwarzes, enganliegendes Kleid mit kleinem Kragen sind meine Wahl. Schnell schlüpfe ich in die Sachen. Meine Haare richte ich schnell und auch die Kontaktlinsen tausche ich fix aus. Kurz betrachte ich mich im Spiegel. Mit einem Seufzen schnappe ich mir mein Handy und meinen Schlüssel. Als ich die Tür öffne, stehen alle aus der Einheit im Flur. Sie teilen sich, sodass sie einen Gang bilden und ich an ihnen vorbei laufen kann.
Alle senken respektvoll den Kopf. Nun wird sich zeigen, wie gut ich als Kommandantin arbeiten kann. Als Oberhaupt dieser Gruppe. Mit festen Schritten gehe ich auf die Treppe zu, während sich hinter mir der Gang schließt. Ich stoppe erst, als ich vor der Sicherheitstür stehe. "Es ist keiner im Gebäude" flüstert mir Emma zu und reicht mir eine Kette und einen Ohrstöpsel. Ich lege beides an, stelle es ein. Bevor ich mich der Tür zuwende, nicke ich allen einmal zu. "Bis später" murmle ich.
Die große Tür öffnet sich. Ich betrete den Vorraum, laufe im gezwungenen, normalen Tempo weiter. Die Treppe aus dem Keller heraus steige ich ohne Probleme im Dunkeln hoch. Kurz vor dem Eingang des Gebäudes stoppe ich, lausche. Es ist nichts zuhören, doch ich weiß, das sie auf mich warten. So verlangen es die Regeln. Ich hole noch einmal tief Luft, bevor ich erhobenen Hauptes das Gebäude verlasse. Es dämmert bereits, die Umgebung wird dunkler. Doch meine roten Haare und meine grünen Augen erkennt man trotz allem ohne Probleme.
Langsam komme ich auf der Mitte des breiten Hauptweges zum stehen. Ich weiß, das sie mich bereits gesehen haben. Als ich mich langsam zu ihnen drehe, höre ich ein Murmeln. Ca. 15 Meter von mir entfernt stehen die mächtigsten Männer der Welt. Nun heißt es vorsichtig sein und sich keinen Fehler erlauben. Langsam, scheinbar gelassen, bewege ich mich in Richtung Tor. 10 Meter.
Die Blicke der Männer brennen auf meiner Haut. Sie sind angespannt, aber auch überrascht. Einige scheinen sich zu zwingen normal weiter zu atmen. Je näher ich ihnen komme, desto größer werden ihre Augen. Ich kenne sie alle, seit wir klein waren. Wir haben zusammen gespielt, wenn wir uns dann mal getroffen haben. Ich war immer so etwas, wie ihre kleine Schwester. Sie haben geradezu darum gekämpft, wer mich in Beschlag nehmen durfte. Es blitzt erkennen auf, doch nur ganz kurz, bevor es wieder in Verwirrtheit umschlägt. 5 Meter.
Ich bleibe stehen, wahre den Sicherheitsabstand. Meine Augen wandern über die Gesichter. Sie bleiben bei James hängen. Ich merke selber, wie mein Blick kalt wird. Das fällt selbst durch die Kontaktlinsen auf. Mein Bruder senkt betroffen seinen Blick. Auch die anderen Männer bemerken es. Sie wollen sich in Bewegung setzen, werden jedoch vom Patron gestoppt. Er schüttelt leicht den Kopf. Adrian, der die ganze Zeit einen Schritt vor den anderen stand, tritt nun einen weiteren Schritt in meine Richtung vor.
Sein Blick ist fest auf meine Augen gerichtet. Er ist sanft, ein Lächeln umspielt seine Lippen. "Rubinia" haucht er und streckt mir seine Hand entgegen. "Rose, das gefällt mir nicht" erklingt Mayas Stimme in meinem Ohr. Ich schüttle leicht den Kopf. Zum einen um Maya zu signalisieren, das ich ihr zustimme. Zum anderen um Adrian darauf hinzuweisen, das ich nicht mehr Rubinia bin. "Sie ist nicht hier." Meine Stimme ist wieder sanft, doch bestimmend. Es ist eindeutig, das ich mich nicht einschüchtern lassen werde. Der Pate senkt seine Hand. Für einen kurzen Moment huscht so etwas wie bedauern über sein Gesicht, doch schnell verschwindet der Ausdruck wieder.
Nun meldet sich der Patron zu Wort. "Was ist passiert?" Seine Stimme ist ebenfalls sanft, doch man hört die Autorität deutlich in ihr. Er muss seiner Position gerecht werden, auch wenn er mich schon als kleines Kind geliebt hat. Es war immer sein Wunsch, das ich irgendwann Adrian heirate und somit auch zu seiner Familie gehöre. Ich wende mich ihm zu. Mein kalter Blick stört ihn nicht, doch er weiß, dass das nun kommende ihn nicht erfreuen wird.
"Sie wurde verraten." Einen Moment ist es still. Alexander, der Anführer der Iren, durchbricht die Stille. "Von wem?" Mein Blick wandert wieder zu James. Die Köpfe der Anderen drehen sich in seine Richtung. Selbst Adrian dreht sich zu ihm. "Du hast was?!" brüllt Stephan, der Anführer der Russen, ihn nun an. James zuckt zusammen. Ein schallendes Lachen entweicht meinen Lippen. Blitzartig drehen sich alle Köpfe wieder zu mir. "Tut nicht so. Ihr wusstet doch alle bescheid." Mein Lachen erstirbt. Mit finsterem Blick mustere ich die Männer vor mir. Betretenes Schweigen legt sich über uns.
"Ihr seid nicht hier, weil ihr von einer neuen Gruppe gehört habt oder aus Nettigkeit. Also was wollt ihr?" Meine Stimme ist wieder kalt, abwertend. Alle schlucken. Interessant. Ich wusste gar nicht, das ich so eine Wirkung haben kann. Adrian dreht sich wieder zu mir. Sein Gesichtsausdruck wirkt durch das schummrige Licht verzweifelt. "Wir wollen unsere Princesa nach Hause holen. Sie gehört zu uns." Eindringlich sehen mich nun alle an. "Rose?" Emma klingt besorgt. Ich lächle leicht und schüttle den Kopf. "Tut mir leid, ich kann euch nicht helfen."
Plötzlich steht Adrian vor mir. Wie er so schnell den Abstand überwinden konnte, ist mir ein Rätsel. Sein Gesicht ist meinem ganz nah. "Du gehörst an meine Seite Prinzessin. Und ich werde nicht aufgeben." Ich reiße mich von ihm los und trete einen Schritt zurück. Verständnislos sehe ich ihn an. Eine Minute, zwei. Dann hole ich aus und verpasse Adrian Salvador, dem Paten höchstpersönlich, vor allen Anwesenden eine saftige Ohrfeige. Wortlos drehe ich mich um und schlendere zu dem Gebäude, aus dem ich gekommen bin.
Vor dem Eingang bleibe ich stehen, drehe mich noch einmal zu den Männern. Alle starren mich mit teils schockierten, teils amüsierten Blicken und offenen Mündern an. Ich lächle kalt. "Ich kann euch versichern, wir haben kein Interesse an Konflikten mit euch. Aber auch an einer Zusammenarbeit sind wir nicht interessiert. Lasst es einfach." ich will mich abwenden, doch stocke. Reizen wir das Ganze noch etwas aus. "Rubinia existiert nicht mehr. Dafür habt ihr selber gesorgt."
Nun wende ich mich endgültig ab und gehe auf die Treppe in den Keller zu. Schnell bewege ich mich die Stufen runter und durch den dunklen Raum. Ich sehe das Licht aus dem Lager, die Sicherheitstür ist bereits geöffnet und Maya wartet auf mich. Mit zügigen Schritten trete ich ein, doch bevor sich die Tür schließt, höre ich Adrian von oben rufen. "Rose! Warte!"
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Die Dornen der Rose
AcciónWas würdest du tun, wenn sie dir das Wichtigste in deinem Leben nehmen wollen? Würdest du aufgeben oder würdest du kämpfen? Genau vor diese Entscheidung wird Ruby gestellt. Doch sie überlegt nicht, sondern reagiert. Keine regelmäßigen Updates garant...