Kapitel 17

71 8 0
                                    

Ich höre, wie einige zischend die Luft einsaugen. Maya hat vor Schreck meine Hand los gelassen. Kaum habe ich seinen Namen ausgesprochen, verfliegt die Übelkeit. Interessante Reaktion Körper. Ich stehe auf. Sehe allen ins Gesicht. "Bist du dir sicher?", flüstert Alice. "Ja. Bei diesem Namen kann man nicht viel falsch machen. Und wir alle kennen nur einen James." Maya steht nun ebenfalls auf. Emma schnaubt. "War ja klar, das er sich einmischt." Ich nicke nur.

Wie gesagt, ich hatte es geahnt. Solange er seinen Nutzen daraus zieht, würde er jeden verraten. Selbst den Paten und den Patron. Was ist da schon seine eigene Schwester und deren Einheit. "Neue Regeln. Jeder Auftrag geht über meinen Tisch. Und mit jeder Auftrag meine ich auch jeder Auftrag. Keine Sidejobs ohne meine Zustimmung. Wir werden genau abwiegen, ob es das Risiko wert ist oder eben nicht. Keine Heldentaten. Wir sind eine Einheit und jetzt müssen wir uns noch mehr unter Beweis stellen. Niemand soll denken, das wir nicht fähig sind Jobs zu machen, nur weil wir von allen Großen gejagt werden."

Alle nicken und schauen mich entschlossen an. Ich drehe mich zu Maya. "Der Sicherheitstransport findet statt. Geh bitte nochmal alles durch. Wir gehen auf erhöhte Sicherheit zu unserem eigenen Schutz." befehle ich ihr und natürlich hört sie auf mich. "Geht klar. Ich gehe sämtliche Details durch und werde die Gruppe überarbeiten." Sie bekommt ein Nicken von mir. "Emma. Ich möchte, das du die Aufträge vor filterst. Alles was verdächtig sein könnte, wird ausgeschlossen. Erst dann landen sie auf meinem Tisch." Emma bestätigt meinen Befehl mit einem Daumen nach oben.

Gut damit wäre das geklärt und zwei Punkte auf meiner Tagesliste sind dann auch schon abgearbeitet. Was ich jetzt brauche ist Training. Dringend. Mehr als Dringend. Ich muss die Emotionen rauslassen, bevor sie einfach rausbrechen. "Die Besprechung ist beendet. Falls ihr mich sucht, ich bin im Trainingsraum." Mit diesen Worten wende ich mich ab und gehe erhobenen Hauptes aus der Zentrale in Richtung meines Apartments.

Sofort als ich ankomme, überlege ich, ob ich mich umziehen soll. So, wie ich das feststellen konnte, haben alle Röcke eingenähte Shorts. Ich meine, wer lässt sich schon gerne unter den Rock gucken. Und auch im Kampf kann das äußerst unangenehm sein. Ich entscheide mich gegen Sportsachen und werde in meinem jetzigen Outfit trainieren. Auch die Absatzschuhe werden ich anlassen. Ein Kampf mit solchen Schuhen will nämlich genauso geübt sein, wie ein Kampf in diesen Klamotten.

Ich greife mir eine Wasserflasche aus dem Kasten an meiner Küchenzeile und verlasse mit Schlüssel, Handy und Flasche wieder die Wohnung. Auf dem Weg begegnet mir die Ein oder Andere aus der Einheit, doch alle weichen mir aus. Sie wissen genau, das ich geladen bin, wegen dem Verrat meines Bruders. Und sie verstehen es. Ich würde es niemals an ihnen auslassen, auch das ist ihnen bewusst. Doch unnötig provozieren wollen sie mich auch nicht.

Ich sage nichts mehr dazu, habe es aufgegeben. Es ist ihre Entscheidung. Am Trainingsraum angekommen hole ich einmal tief Luft bevor ich die Tür öffne. Niemand weiter ist hier. Ich weiß, das es an meiner Ankündigung liegt. Denn wenn ich ankündige, das ich trainieren gehe, heißt das so viel wie: wenn ihr mich ausrasten sehen wollte, könnte ihr gerne kommen. Und keines der Mädchen sieht es gerne, wenn ich die Kontrolle verliere.

Kaum eine hat es bisher gesehen, aber alle durften das Chaos danach begutachten. Boxsäcke, die zerfledert herumlagen, Dellen in den Wänden, Gewichte die Risse hatten. Auch meine eigenen Wunden. Ja, wenn ich wütend bin, bin ich richtig wütend. Ich nehme keine Rücksicht auf mich oder auf die Gerätschaften, die ich in dem Moment benutze. Keiner sagt etwas dazu. Und auch dafür gibt es einen ganz einfachen Grund. Alle wissen, das ich im Normalfall meine Emotionen sehr gut kontrolliere. Doch wenn ich sie in den Kampf einbringe, macht mich das tödlich. Tödlicher als die Meisten. Den trotz der Emotionen schaffe ich es im Kampf einen kühlen Kopf zu bewahren.

Darum wurde ich in Spanien nur selten gejagt. Meistens von Dummköpfen, die es nicht wussten oder glauben wollten. Naja, das diese Dummköpfe nicht mehr am Leben sind, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Aber sie sind selber schuld. Ich warne jeden zwei Mal vor. Beim dritten Mal greife ich dann an und wer dem nicht gewachsen ist, stirbt. So ist unser Leben nun einmal. Und die wenigsten sind meinen Emotionen und der Kraft dahinter gewachsen. In der Summe haben zwei Leute so einen Angriff von mir bisher überlebt. Den einen hat man danach nie wieder gesehen. Und die zweite Person... die zweite Person ist Maya.

Bevor sie in meine Einheit kam und zum Zeitpunkt unseres ersten Kampfes, war sie Kopfgeldjägerin. Und zu der Zeit, als unser Kampf stattfand, war ein sehr hohes Kopfgeld auf mich ausgesetzt worden. Sie lag eine Woche im Koma und hat ca. ein halbes Jahr gebraucht um wieder fit zu werden. Das alles erfuhr ich von ihr bei unserem zweiten Aufeinandertreffen. Sie war bei Santos, einem direkten Konkurrenten des Rose-Clans, gelandet. Doch als sie mit ihrer Gruppe auf mich traf, tötete sie ihre Leute, als sie mich angreifen wollten.

Sie erzählte mir, was passiert war, nachdem sie mir 5000 mal versichert hatte, das sie mich nicht töten wollte. Sie wollte für mich arbeiten, wusste aber nicht, wie sie mich finden sollte. Also war Santos auch nur ein Mittel zum Zweck für sie gewesen. Maya hat sich sehr schnell bewiesen und wir wurden nicht nur ein super Team und sie entsprechend zu meiner Vize, sondern auch beste Freunde.

Sie war seit diesem Zeitpunkt immer für mich da. Und ich weiß, das ihre Loyalität mir gegenüber echt ist. Nennt mich naiv, aber ich fühle das einfach. Sie würde mich nie hintergehen. Sie würde mich nie einfach verlassen.

Maya wusste schon immer, was ich brauche und was nicht. Genau wie jetzt. Sie weiß, das ich meine Zeit brauche, um das alles zu verarbeiten. Die Jagd auf unsere Einheit. Den Verrat meines Bruders. Sie weiß, das ich Zeit brauche, mich wieder in den Griff zu bekommen. Das ich einfach Zeit für mich brauche, um auch mal die Kontrolle zu verlieren. Den Emotionen freien Lauf zulassen.

Und heute ist es wieder soweit. Das spüre ich. Ich werde die Kontrolle verlieren. Ich werde meinen angestauten Emotionen eine Möglichkeit geben auszubrechen.

Die Dornen der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt