Der Patron räuspert sich erneut. "Wie wäre es, wenn wir uns setzen?" fragt er in den Raum. Die Männer murmeln zustimmend, doch ich schüttle den Kopf. "Danke, aber ich bleibe lieber stehen." Damit sollte ganz deutlich sein, das ich nicht vorhabe länger als nötig hier zu bleiben. Die Anführer brechen tatsächlich aus ihrer Linie und setzen sich auf die Stühle, genau wie der Patron. Der Weg ins Freie ist damit nicht mehr versperrt, aber ohne Antworten werde ich nicht gehen. "Also" setzt der Patron an. "Wie ich dir schon mitgeteilt habe, ist mir erst vor Kurzem zu Ohren gekommen, das du den Grund für die Auflösung nicht erfahren hast. Ich habe es auch nur durch Zufall erfahren. Das hätte sicher einiges an Ärger erspart." Abwartend sehe ich ihn an, gespannt darauf was als nächstes kommt. Natürlich lasse ich mir davon nichts anmerken.
"Die Dornen sollten aufgelöst werden, damit ihr als Elitegruppe die fünf anwesenden Anführer unterstützt" erklärt er nun. "Daher auch die neue Uniform?" Das Wort Uniform setze ich in Gänsefüßchen, was aber niemanden zu stören scheint. Alle nicken zur Bestätigung. "Euch ist bewusst, das ich diese Entscheidung nicht alleine treffen will und kann. Das muss am Ende die Einheit entscheiden, ob sie dazu bereit ist. Aber vielleicht wäre es besser gewesen erst mit uns zu reden anstelle von meinem Vater." Man merkt mir die Wut deutlich an. Sie hätten es wissen müssen. Ich bin nie über Interna, die nichts mit einem Eingreifen meiner Gruppe zutun hatten, informiert worden.
Der Patron nickt erneut. "Ja, das stimmt. Leider ist uns das zu spät aufgefallen. Da wart ihr schon hier. Übrigens war eure Flucht wirklich gut geplant." In seiner Stimme klingt Anerkennung mit. Das kann er sich sparen. Mein Wut ebbt nicht ab. "Ist das alles?" Er schaut mich nachdenklich an. "Also was sagst du zu diesem Vorhaben? Seit ihr bereit dafür?" Ich starre ihn nieder. Mein Blick hat keinen Funken von Respekt. "Das entscheide nicht ich, sondern die Einheit." Meine Stimme ist kalt und genervt. Man könnte mit ihr Glas schneiden. Alle zucken bei dem Klang zusammen, selbst der Patron. Beschwichtigend hebt er die Hände. "Bist du bereit deiner Einheit dieses Angebot zu unterbreiten?" Hoffnung schwingt in seiner Stimme mit.
Ich schaue ihn mit leerem Blick an. Bin ich bereit meiner Einheit dieses, eigentlich unschlagbare, Angebot zu unterbreiten? Will ich es ihnen sagen? Die Antwort ist einfach: Ja. Das ist eine unglaubliche Chance, aber ich will, das die Anführer und der Patron schwitzen. Ich sehe von Einem zum Anderen. Sie alle sehen mich mit hoffnungsvollen Augen an. Hoffnung. Die hatte ich auch, als wir hierher gekommen sind. Die Hoffnung auf Ruhe. Die Hoffnung alles andere in Spanien zurück zu lassen. Man sieht wie gut das geklappt hat. Genervt reibe ich mit zwei Fingern über meinen Nasenrücken. "Ich denke darüber nach" entfährt es mir genervt.
Es mag nicht fair sein, dem Patron gegenüber, aber man muss auch mich verstehen. Wir sind geflüchtet, hatten keinerlei Informationen und nun kommen sie mit so etwas. Das bedeutet eine erneute große Änderung und ich weiß nicht, ob die Mädchen dafür bereit sind. "Princesa" setzt Stephan an, doch ich unterbreche ihn sofort. "Ich sagte, ich denke darüber nach" fauche ich ihn an. Sofort herrscht wieder Stille im Zelt. Alle, selbst der Patron, schauen betroffen auf die Tischplatte. Archibald ergreift erneut das Wort. "Ich weiß, das ihr es nicht leicht hattet und viel auf euch genommen habt. Das ist eine große Veränderung. Vor allem, nachdem ihr gerade erst geflüchtet seit." Ach, was er nicht sagt. Das waren doch gerade genau meine Gedanken. Ich verdrehe die Augen. Es mag unhöflich sein, aber für Höflichkeiten bin ich gerade nicht in der Stimmung.
"Tatsächlich? Das wäre mir im Traum nicht eingefallen Patron" gebe ich spöttisch von mir. Ein breites Grinsen schleicht sich in sein Gesicht. Nach und nach mustert er die Anführer bevor er sich wieder mir zuwendet. "Das ist die Raubkatze ja wieder. Ich muss zugeben, das habe ich vermisst." Ein Lachen kommt über seine Lippen und nun schleicht sich auch in mein Gesicht ein kleines Lächeln. Ja, dieser Mann hat es schon immer geschafft mich aufzumuntern. Nie, und ich meine wirklich nie, hat er mir irgendeine Aussage oder Tat übel genommen. Egal wie sehr ich ihn damit vor anderen in Frage gestellt habe. Dieser Mann hat seinen Posten zu recht.
Als er sich wieder beruhigt hat, wendet er sich an die anderen Männer. "Meine Herren, ich schätze mein Teil ist damit erledigt. Ich hoffe ihr seid gut im zähmen, denn einfach wird das bei dieser jungen, schlagfertigen Anführerin definitiv nicht." Die Blicke sind einfach nur göttlich. Sie haben den alten Mann wohl noch nie so gelassen gesehen, nachdem ihm jemand nicht ganz so freundlich kam. Verwirrt schauen sie zwischen ihm und mir hin und her. Er erhebt sich von seinem Stuhl, kommt um den Tisch herum. Bei mir angekommen nimmt er mich in den Arm. "Es ist schön, das du immer noch du selbst bist, nach allem was passiert ist. Mach es ihnen nicht zu leicht, versprochen?" Er löst die Umarmung und sieht mir ins Gesicht. Nun ist das Lächeln auf meinen Lippen deutlich zu sehen.
"Versprochen Archibald." Man hört die Anderen deutlich nach Luft schnappen. Adrian legt sogar einen leisen Prostest ein indem er empört 'Papa' flüstert. Der oberste Anführer und ich wenden beide unser Gesicht zu ihm. "Ich habe dich gewarnt. Wenn ich mich entscheiden muss zwischen euch beiden, wähle ich keinen von euch." Nun lache ich laut auf. Ein Laut, der die Blicke der Anführer entsetzt werden lässt. Spielerisch boxe ich Archibald auf den Oberarm. "Du wirst dich auch nicht mehr ändern." Mit einem Zwinkern zu mir, lässt er von mir ab. "Ich habe meinen Job hier erledigt. Jetzt liegt es an euch ihr den Rest zu erklären und sie zu überzeugen. Vermasselt es bloß nicht, sonst seid ihr eure Positionen schneller los, als ihr glaubt." Mit diesen letzten Worten verlässt er das Zelt.
Schmunzelnd schaue ich ihm hinter her. Ich muss zugeben, ich hab den alten Mann vermisst. Er hat es immer geschafft mich aufzubauen oder mich zu motivieren. Er hat mich nie ausgebremst. Ganz anders als mein Vater, der mir immer alles ausreden wollte, was ihm nicht den Kram gepasst hat. Kurz starre ich noch auf den Zelteingang, bevor ich mein Gesicht wieder den Anführer zuwende. Auf das was jetzt kommt bin ich wirklich gespannt. Es herrscht Stille, doch diese unterbreche ich. "Also?"
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Die Dornen der Rose
ActionWas würdest du tun, wenn sie dir das Wichtigste in deinem Leben nehmen wollen? Würdest du aufgeben oder würdest du kämpfen? Genau vor diese Entscheidung wird Ruby gestellt. Doch sie überlegt nicht, sondern reagiert. Keine regelmäßigen Updates garant...