Ich lege meine Sachen auf einer Bank, die an einer der Wände steht, ab. Spüre, wie die Emotionen sich aufbauen. Das wird böse. Böser als sonst. Auch wenn es unvernünftig ist, verzichte ich auf sämtliche Zusätze. Keine Bandagen, kein Gelenkstützen. Ich gehe zum Schrank und hole die Gewichtsmanschetten für die Arme und Beine hervor. Als ich sie mir angelegt habe, gehe ich zum Boxsack. Das ist Station eins.
Der erste Schlag trifft den Boxsack schon mit voller Wucht und er schwingt stark. Doch es ist mir egal, ich weiche ihm aus und trete ihn zurück. Wieder kommt er mit viel Schwung auf mich zu. Dieses Spiel spiele ich eine Weile. Bilder holen mich ein. Bilder, in denen ich mit meinem Bruder spiele, als wir noch klein sind. Bilder, in denen er mich vor Anderen beschützt, weil ich noch nicht in der Lage war mich selber zu wehren. Bilder, in denen er sich um mich kümmert, weil Mama und Papa nicht da waren. Wie ein Film laufen die verschiedenen Szenen vor meinem inneren Auge ab. Und mit jeder Szene werde ich wütender.
Weiß Papa darüber bescheid? Bestimmt ist er involviert. Immerhin wollte er immer, das James den Rose-Clan übernimmt und mich einfach nur verheiraten, damit ich niemandem von ihnen im Weg stehe. Mein Körper steht in Flammen. Zumindest fühlt es sich so an. Die Wut brennt in meinen Adern. Ein letztes Bild erscheint. James, wie er mir mitteilt, das die Dornen aufgelöst werden. Dieser mitleidige Blick in seinen Augen bringt bei mir das Fass zum überlaufen. Sein Gesicht erscheint auf dem Boxsack.
"Verräter!" schreie ich und schlage so fest auf den Boxsack, das er aus seiner Halterung fliegt. Er landet laut knallend an der Wand und fällt zu Boden. Die Wut und der Schmerz brodeln jedoch noch immer in mir. Ich bin noch nicht fertig. Ich gehe zur Wand, an der nun der Boxsack liegt. Kurz betrachte ich sie, bevor ich auf die Wand einschlage. Immer und immer wieder. Ich sehe, wie sie sich langsam rot färbt von meinem Blut. Doch das hält mich nicht auf. Je länger ich auf die Wand einschlage, des mehr lässt die Wut, lässt der Schmerz nach.
Ich weiß nicht, wie lange ich die Wand bearbeite. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Doch irgendwann kommt mein letzter Schlag und ich breche zusammen. Tränen laufen mir übers Gesicht. Meine Hände schmerzen. Man sieht deutlich, wo ich die Wand getroffen habe. Wann hat er sich so geändert? Wann hat es begonnen, das er mich unbedingt los werden wollte? Ich schluchze auf. Das wird eine tiefe Wunde, doch auch diese wird verheilen. Und da ich nur noch meine Einheit habe, werde ich keine Rücksicht mehr nehmen. Komme was wolle.
Ich höre nicht, wie die Tür zum Trainingsraum geöffnet wird. Erst als mir jemand eine Hand auf die Schulter legt, zucke ich zusammen und registriere, das ich nicht mehr alleine bin. Ich hebe meinen Blick und treffe auf Mayas besorgtes Gesicht. "Das werde ich ihm nie verzeihen", flüstere ich. Ihr Ausdruck wechselt zu ernst. "Das wird keine von uns. Komm wir verarzten dich erst einmal." Damit hilft sie mir auf und lenkt mich zu der Bank, auf der meine Sachen liegen. "Wir machen hier mal sauber." Höre ich die Stimme von Kim hinter mir.
Maya holt Desinfektionsmittel und Bandagen aus ihrer Tasche. Das Mittel brennt auf meinen offenen Wunden, aber ich sage nichts. Ich bin selbst schuld und dessen bin ich mir mehr als bewusst. Sie nimmt mir die Manschetten ab und legt die Verbände an. Als das erledigt ist, kommt Ellie auf mich zu. "Also ich glaube, der Boxsack ist hinüber." Sie deutet hinter sich. Maya und ich werfen einen Blick auf die andere Seite des Raum. Tatsächlich habe ich es geschafft, das er gerissen ist. Naja, es ist nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein. Ich nicke nur.
"Welche Verstärkung hatte er denn?" fragt Maya nun. Amy ruft durch den Raum. "Dreifache. Und er ist nicht mal an der Naht geplatzt, sondern mitten drin." Ich schlucke einmal. Ups. Maya sieht mich an und auch ich richte meinen Blick auf sie. "Du wächst über dich hinaus. Irgendwann brauchen wir einen mit Metallverstärkung. Aber ich schätze, selbst den würdest du dann zerstören." Sie beginnt zu kichern und schüttelt ungläubig den Kopf. Sie versuchen es mit Humor zu nehmen. Ändern können sie es eh nicht und sie wissen, das es sein muss. "Wir werden sehen", murmle ich mit rauer Stimme. Ich greife nach der Wasserflasche und trinke einen Schluck.
Meinem Hals geht es schlagartig besser. So viel Chaos ist dieses Mal nicht entstanden. Aber ich schätze, es liegt daran das nur der Boxsack und die Wand mein Ziel waren. Die Bewegung meiner Finger tut weh, aber auch das bin ich gewohnt. Also lasse ich mir dies nicht anmerken. Ein Piepen durchbricht die Stille. Maya holt ihrem Handy hervor, schaut darauf. Sie schüttelt den Kopf. "Meins war es nicht." Wir blicken zu meinem Handy, wo sich gerade das Display wieder verdunkelt. Ich seufze, greife danach. Als ich die Nachricht lese, ziehe ich dabei automatisch die Augenbrauen zusammen. "Was ist?" fragt Maya, die meinen Blick sieht. Ich hebe meinen Blick vom Bildschirm zu ihr. "Komm mit mir."
Damit stehe ich auf, greife nach meinen restlichen Sachen und ziehe Maya mit mir aus dem Trainingsraum. "Danke fürs aufräumen und sauber machen Ladys", rufe ich noch nach hinten bevor ich Maya hastig in die Richtung meiner Wohnung ziehe. Als wir bei mir sind und die Tür geschlossen haben, ziehe ich Maya mit in mein Büro und schließe auch diese Tür hinter uns. Ihre Augen strahlen pure Verwirrtheit aus. Ich entsperre mein Handy, öffne die Nachricht und reiche es ihr, damit sie diese liest. Ihr Ausdruck wandelt sich von Verwirrtheit zu entsetzen. "Was" setzt sie an, doch unterbricht sich sofort.
Die Nachricht ist von Emma. Es ist ein Foto vom See. An der einen Seite des Ufers, gegenüber des verlassenen Camps, sind Zelte aufgestellt. Man erkennt mehrere Wagen. Doch es sind nicht Adrians Männer. Ein Mann ist klar erkennbar, als der Fremde mit dem Adrian gesprochen hat.
Es sind die Snakes.
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Die Dornen der Rose
ActionWas würdest du tun, wenn sie dir das Wichtigste in deinem Leben nehmen wollen? Würdest du aufgeben oder würdest du kämpfen? Genau vor diese Entscheidung wird Ruby gestellt. Doch sie überlegt nicht, sondern reagiert. Keine regelmäßigen Updates garant...