Kapitel 20

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Kat öffnet meine Tür und ich steige langsam aus. Gemächlich bewege ich mich vor das Auto. Ich sehe in die überraschten und verwirrten Augen der Männer. Einigen klappt die Kinnlade runter. Ich darf jetzt nicht grinsen. Vor dem Auto angekommen, lehne ich mich an die Motorhaube. Yasmin und Alice, die fordere "Eskorte", stehen an ihren Maschinen, nicht weit von mir entfernt. Adrian hat sich als erstes wieder gefangen. Seine Stimme hallt über die Entfernung in unsere Richtung.

"Und wer seid ihr?" ruft er, während er einen Schritt in meine Richtung macht. Ich antworte nicht, sondern sehe ihn nur durch die Sonnenbrille an. "Es ist unhöflich bei einem Gespräch eine Sonnenbrille zutragen, zumal wir hier im Wald sind" mischt sich nun auch der Fremde von den Snakes ein. "Sein Name ist Tobias und er ist in Deutschland geboren. Er ist eine ziemlich große Nummer hier" erklärt mir Emma durch die Ohrstöpsel. Dann wollen wir mal. Langsam drehe ich mein Gesicht in die Richtung von Tobias.

"Es ist auch unhöflich sich einfach in einem fremden Gebiet auszubreiten, ohne sich vorher eine Erlaubnis zu holen Tobias." Meine Stimme klingt weich und fast gar nicht nach mir, dennoch sehr natürlich. Der Stimmwandler ist wirklich gut. Tobias macht einen Schritt auf mich zu und sofort haben die Mädels ihre Waffen in den Händen. Abrupt bleibt er stehen. Ich muss mir ein Lächeln verkneifen. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier" meine Frage klingt drohend, trotz der sanften Stimme.

"Das geht dich gar nichts an" faucht Tobias, wird jedoch von Adrian zurückgehalten. "Wer bist du" fragt der Pate nun etwas sanfter in meine Richtung. Ich schüttle den Kopf. "Irrelevant. Also was wollt ihr hier?" Ich sehe etwas in seinen Augen aufblitzen. Auch die Augen von Tobias zeigen für einen kurzen Moment dieses blitzen, doch so schnell wie es gekommen ist, ist es bei beiden wieder verschwunden. Ich richte mich auf und gehe einen Schritt nach vorn. Erstaunlicherweise weichen die Männer ALLE einen Schritt zurück. So bedrohlich bin ich doch gar nicht.

Adrian wechselt einen kurzen Blick mit Tobias, bevor er sich wieder mir zuwendet. "Wir suchen jemanden" Ich nicke und wende mich an Tobias. "Ihr habt einen Tag um das Gebiet zu verlassen" Er mustert mich, versucht mich zu lesen. Na viel Erfolg. Er nickt und gibt seinen Männern Anweisung. Der Vize des Paten wendet das Wort an mich. Carlos hat mir nie etwas getan, aber ich muss vorsichtig sein. "Das hier ist euer Gebiet?" Seine Stimme ist nicht bestimmend, eher ist es eine vorsichtige Frage. Wieder schüttle ich den Kopf. "Nein." Nun sieht Tobias verdutzt aus und macht wieder einen Schritt auf mich zu. "Und wie kommt es, das du der Meinung bist uns hier rausschmeißen zu können?" Ich lache einmal auf. Mein Lachen ist kalt.

Während seiner Frage hat er noch einen Schritt auf mich zugemacht. Vielleicht ist es zu früh, aber ich versuche es trotzdem. Langsam wandert meine Hand zu meiner Sonnenbrille, nimmt diese ab, während ich die Augen geschlossen halte. Als ich sie vorsichtig öffne, sehe ich wie er erstarrt. Er ist also doch nah genug. "Weil ich immer meine Schulden begleiche" ist meine Antwort auf seine Frage. Und nun hört man die Bedrohlichkeit aus meiner Stimme ganz deutlich. Trotz der Weichheit, hört man, das ich es ernst meine. Um jeden Preis. Ich sehe wie ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht. Es dauert einen Moment, doch dann wendet er sich ab. Er verschwindet direkt in einem der Wagen und fährt los.

Seine Männer bauen die Zelte ab, während der Pate mit seinen Männern und ich das Spektakel beobachten. Es dauert nicht lange, ca. eine halbe Stunde, und die Snakes sind verschwunden. Ich sehe ihnen nach und schüttle schon wieder mit dem Kopf. Das war einfach. Zu einfach. Da wird noch etwas kommen, aber wir werden vorbereitet sein. Nun nehme ich das Vogelgezwitscher wahr, doch kann mich nicht davon ablenken lassen. Der Pate und seine Männer sind immer noch in unserer Nähe. Da ist Vorsicht und höchste Alarmbereitschaft geboten, denn sie sind ZU nah.

Besagter Mann beobachtet mich. Ihn interessieren die Snakes nicht, seine Augen liegen auf mir. Ich weiß, das er mich analysiert, versucht einzuschätzen. Aber auch, das er mir nicht erkennt. Meine Haltung, mein Aussehen und meine Stimme sind anders. Wenn er mich erkennen würde, wäre das ein Wunder. Sein Blick brennt sich regelrecht in mich. Ich wende meine Augen von der Stelle, wo die Snakes verschwunden sind und richte sie auf den Paten und seine Männer. Ich spüre die Anspannung meiner Mädchen und denke es ist Zeit, das wir ebenfalls verschwinden. Zurück ins sichere Lager.

Ich lasse meinen Blick über seine Männer gleiten, bis ich am Ende bei ihm lande. "Das selbe gilt für euch. Verschwindet. Dieses Gebiet ist nichts für euch." Mein Blick bohrt sich in seinen. Wir liefern uns ein Blickduell, keine Ahnung wie lange. Nach einer Weile nickt er kurz. Das ist das Zeichen, das er es verstanden hat und in Zukunft bedachter sein wird. Ob nun bedachter beim Eindringen oder bedachter die Grenzen zu achten wird die Zeit zeigen. Seine Männer lassen die Waffen sinken, doch meine Mädchen nicht. Adrian hebt fragend eine Augenbraue, doch wir lassen uns nicht beirren.

"Wir sollten zurück. Deine Tarnung hat mehr als gut funktioniert." ertönt Mayas Stimme in meinem Ohr. Ich höre das Grinsen in ihrer Stimme und muss mich wieder stark zusammenreißen, nicht selbst zu grinsen. Meine Augen wandern noch einmal durch den Wald, checken diesen nach unerwünschtem Besuch ab, doch ich werde nicht fündig. Das ist mehr als zufriedenstellend. Damit ist unsere Show hier fast beendet, es fehlt nur noch der Abgang. Und das ist auch das Stichwort: wir sollten uns auf den Weg nach hause machen.

Ich wende mich ab und gehe zurück zum Auto. Auf halbem Weg ruft Adrian mir hinterher. "Warte! Hast du Kontakt zu ihr?" Ich bleibe nicht stehen und ignoriere seine Frage. Meine Mädchen stehen schon wieder an ihren Maschinen und warten darauf, dass wir aufbrechen. Kat öffnet mir die Tür. Bevor ich einsteige schaue ich noch einmal kurz zu Adrian und setze meine Sonnenbrille wieder auf.

Er hat mich wirklich nicht erkannt.

Die Dornen der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt