Kapitel 6

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Der Abend war noch lang. Maya und ich haben über alles mögliche geredet. Wie es weiter geht, auf was wir achten müssen und vieles mehr.

Immer wieder kam das Thema Adrian auf. Auch als Emma irgendwann zu uns gestoßen ist, war er immer wieder präsent. Mir passte es nicht und irgendwann teilte ich auch meinen Unmut darüber mit.

Mittlerweile ist es weit nach Mitternacht und ich liege auf meinem Bett. Gedankenverloren starre ich an die Decke und schweife immer wieder ab. Sein Bild taucht immer wieder vor meinen Augen auf. Sein Blick. Seine Worte. "Was auch immer du vor hast, ich werde dich finden.", "Ich behalte dich im Auge meinen Liebe.", "Weglaufen hat keinen Sinn." Ich bin mir sicher, er weiß schon längst, das wir in Deutschland sind. Adrian weiß auch garantiert, wo ungefähr unser Lager ist. Ich bete nur inständig, das er den genauen Ort nicht kennt. Wundern würde es mich zwar nicht, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Seufzend stehe ich von meinem Bett auf. Ich kann jetzt nicht schlafen. Ein Glück sind wir darauf trainiert nicht viel Schlaf zu brauchen und so verlasse ich mein Bett, gehe zum Schrank, ziehe mir meine Sportsachen an und gehe aus dem Raum.

Leise schließe ich meine Apartmenttür hinter mir und laufe den Gang entlang um eine Etage höher zu gelangen. Die Wasserflasche und mein Handy, welche ich mitgenommen habe, lege ich zur Seite als ich mein Ziel betrete. Den Trainingsraum. Langsam gehe ich in die Mitte des Raumes und drehe mich im Kreis um ihn zu mustern. Erneut blitzt ein Bild von Adrian vor meinem inneren Auge auf und ich spüre die Wut in mir brodeln.

Schnellen Schrittes nähere ich mich dem Boxsack, während ich mir die Hände bandagiere. Die Bilder von ihm erscheinen immer schneller und ich beginne auf den Boxsack einzuschlagen. Nach einer Weile kommen auch wieder seine Worte dazu und ich gerate in eine unkontrollierbare Rage. 

"Was auch immer du vor hast, ich werde dich finden." In Gedanken antworte ich ihm. 'Dann komm doch her und hol mich!'

"Ich behalte dich im Augen meine Liebe." 'Ich bin erstens nicht deine Liebe du Arschloch und wie willst du mich im Auge behalten, wenn du nicht weisst, wo du genau suchen musst!'

"Weglaufen hat keinen Sinn!" 'Ich bin weggelaufen! Und ich werde alles tun, damit ich frei von dir bin!'

Mit meinem nächsten Schlag befördere ich den Boxsack von seinem Haken und er landet an der gegenüberliegenden Wand.

"Wow. Ich will dich niemals so wütend machen." Ich drehe mich reflexartig um. Brauche einen Moment, bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen und erkennen kann, wer die Worte gesagt hat. Maya steht im Türrahmen gelehnt und beobachtet mich. Als sie sieht, dass ich mich wieder beruhige und im Hier und Jetzt bin, kommt sie langsam in den Raum und schließt die Tür. "Er lässt dich nicht los oder?", flüstert sie, als sie neben mir zum stehen kommt. Wir betrachten beide eine Weile den Boxsack am Boden. Ich seufze laut. "Es ist eher das, was er zu mir gesagt hat." Ich gehe auf den Boxsack zu und Maya hilft mir, ihn wieder in den Haken zu hängen. "Rose", sie stockt kurz "Ich weiß nicht, ob ich es wissen will, aber was hat er zu dir gesagt das du so dermaßen austickst?"

Ich schlucke. Wenn ich ihr das jetzt sage, könnte sie in Panik verfallen. Andererseits sollte sie es wissen. Immerhin ist sie meine Vize. Ich streiche mir mit der Hand ein paar Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst haben. "Versprich mir, einen kühlen Kopf zu behalten ok?" Ich drehe mich zu ihr und sehe sie fragend an. Maya nickt. Ich wiederhole die Sätze und sie zieht zischend die Luft ein. Eine Zeit lang ist es still. "Jetzt verstehe ich, warum du so nervös warst. Und ja du hast recht: du solltest dich definitiv bedeckt halten. Die Mädchen und ich werden uns um die Sachen draußen kümmern. Vielleicht solltest du dich erst einmal nicht unter Menschen blicken lassen." Da sind wir uns einig und ich bin ihr dankbar, für ihre Unterstützung.

Ich konnte mich schon immer auf Maya verlassen. Auf die ganze Einheit. Und ich weiß, das Maya nichts tun würde, ohne mich zu informieren. Das ist einfach nicht ihr Stil. "Vielleicht ist das mit der Haarfarbe und den Kontaktlinsen keine dumme Idee", murmle ich. Maya sieht mich gedankenverloren an und nickt. "Ich denke aber", sagt sie nach einer Weile "dass das nicht reichen wird. Wir müssen auch deinen Stil ändern, wenn du wieder unter Menschen willst." Und wieder hat sie recht. Als ich mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen lasse und realisiere, was sie mir damit sagen will, sehe ich sie geschockt an. "Vergiss es! Ich werde nicht zu einem Mädchen!"

Maya lacht laut auf. "Und wenn das die einzige Chance ist, wie du dich in der Stadt bewegen kannst?" Ich schnaufe. Verdammt! Ich weiß, das sie recht hat. Ich weiß es. Aber ich will nicht wie eine 'Dame' mit Absätzen und Kleidern rumrennen. Dazu am besten noch Tonnen von Schminke im Gesicht. Das hat mich schon immer bei den Aufträgen gestört und jetzt sollte ich das in meiner Freizeit tun? "Sieh es mal so. Ohne Auftrag wirst du eh nicht raus gehen. Das wissen wir beide. Also ist es eigentlich nur nötig, wenn es um einen Auftrag geht." Ich stöhne auf. "Maya du weisst, wie ich das hasse. Aber du hast recht. Nur auf welchen Stil wechsel ich? Unschuldiges Mädchen? Wir wissen beide, dass das nicht zu mir passt."

Maya grinst breit. Natürlich hat sie schon eine Idee und einen Plan. "Vertrau mir. Ich mach dich zu einer unwiderstehlichen Mafiabraut. Und zwar zu einer Unabhängigen." Wir beginnen beide zu lachen. Das kann ja was werden. Aber ich werde mich dem stellen müssen. Irgendwann muss auch ich wieder unter Menschen, ich kann nicht ewig nur im Lager bleiben. Also nicke ich ihr zu und gebe ihr damit zu verstehen, das sie freie Hand hat. Und ich weiß, das sie es mir angenehm machen wird.

"So, da du ja schon aufgewärmt bist - wie wäre es mit einem Kampf? Wir müssen doch im Training bleiben." Ich lache kalt. "Liebst du den Boden so sehr?" Sie sieht mich böse an, aber auch sie weiß, das ich recht habe. Sie hat mich noch nie besiegt. Niemand aus der Einheit hat das bisher.

Die Dornen der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt