5. Kapitel: Der Kartenjäger

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~ Chiyo ~ 

Ein lauter Rumms durchdrang die Stille. Erschrocken fuhr der Tempelwächter zusammen. Hammer und Meißel fielen ihm aus der Hand. Mit einem Klirren landeten sie auf den Boden.

Ich war zurückgekehrt. Mit ziemlich mieser Laune, dass ich die steinernen Tore des Tempels mit solcher Wucht zuschlug, dass er das Beben bis unten spürte.

Und er behielt Recht mit seiner Vermutung.

Schon vernahm er das wütende Stampfen meiner Schritte auf den Felsstufen. Ein Schmunzeln huschte über sein gebräuntes Gesicht, als ich in die große Höhle stürmte.

Die meisten Menschen würden jetzt unverzüglich das Weite suchen, damit sie nicht ungewollt Ziel meines Wutausbruches wurden. Doch der hellblonde Tempeldiener mit der markanten Tätowierung unter den Augen liebte mein feuriges Temperament und er hatte schnell gelernt, damit umzugehen. Er wusste, dass ich mich nur austoben musste, um wieder zur Ruhe zu kommen. Wäre ich nicht so aufbrausend und impulsiv, könnte ich niemals die Stärke erlangen, die gegenwärtig von mir verlangt wurde.

Und da das Schicksal Großes mit mir vorhatte, benötigte ich diese Kraft mehr denn je.

Aus diesem Grund grinste er nur, als ich mit wehenden Umhang und flatternden Haaren die unterirdische Gruft betrat.

„Willkommen zurück, Chi-chan."

Das Ausgrabungswerkzeug verstaute er feinsäuberlich in die Kiste zu seinen Füßen. „Deiner guten Laune nach zu urteilen, vermute ich, dass deine Reise von Erfolg gekrönt war. Dein Plan ging wohl nicht auf, was? Ich will ja nicht sagen, ich habs dir gesagt, aber - ich habs dir ja gesagt."

„Verschone mich mit deinem Spott, Marik. Der ist hier fehl am Platz.", knurrte ich, noch immer ziemlich säuerlich. „Verdammte Sturköpfe. Sie werden es bereuen, meine Warnung in den Wind geschlagen zu haben." Unruhig, bebend vor Zorn und die Fäuste geballt, tigerte ich durch die Höhle. Das Zittern meiner Unterlippe zeigte, wie dicht ich vor dem endgültigen Ausbruch stand. Ich war aufgewühlt, emotional auf dem Höhenflug.

Marik blieb auf Sicherheitsabstand, auch wenn er wusste, dass meine Kräfte hier keinen Schaden verursachten. Dieser Tempel war einer von sieben, die sich überall verstreut auf der gesamten Welt befanden und sie waren der einzige Ort, an dem ich die Kontrolle verlieren durfte, ohne dass ein Armageddon drohte. Dafür sorgten die starken Zauber, die die Orte vor der Entdeckung schützten. Für normale Menschen war dies ein einfacher Berg.

Doch dass er unbeschadet meinen Kontrollverlust überstand, war eine andere Frage. Gewiss, ich würde ihm nie absichtlich wehtun oder ihn verletzen, doch ich konnte nicht aus meiner Haut. Für seine Sicherheit musste ich mich beruhigen, nur war das leichter gesagt als getan.

„Ich hatte dich gewarnt, Chi-chan. Yugi mag vielleicht etwas kleingeraten sein, aber sein Dickschädel ist dem deinen ebenbürtig. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, kann ihn nichts und niemand davon abbringen." Er unterbrach sich und runzelte nachdenklich die Stirn. „Sie? Also lagen wir mit unserer Vermutung richtig, dass der Pharao zurückgekehrt ist."

Abrupt blieb ich stehen. Meine Miene verdüsterte sich. „Live und in Farbe. Und nerviger denn je. Ich hatte echt gehofft, mich zu irren, aber leider irre ich mich nie." Ich lachte tonlos. „Das nenne ich mal mieses Karma, das ausgerechnet die beiden einen Auserwählten verkörpern."

Marik bekam große Augen. „Du hast das Drachenmal gesehen?"

Ich rieb mir den Nacken. Gesehen und gespürt traf es eher und wer wusste das besser als er? „Sie tragen den Drachenkopf. Im Nacken. Wie üblich mit roter Gravur. Und die Kräfte, die ihnen damit übertragen werden, beginnen zu erwachen. Noch ahnen sie nichts davon, doch das wird sich ändern."

Drachenstern Saga - Part 1 - Die Legende der DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt