16. Kapitel: Ritter ihres Herzens

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Gerade als Ryoken und ich uns auf den Weg seiner Unterkunft begaben, begann es zu regnen. Nicht nur ein paar Tropfen. Es war ein richtiger Schauer. Binnen weniger Sekunden waren wir vollkommen durchnässt. Die Kleidung klebte an uns wie eine zweite Haut, als wir schließlich die Hotelsuite betraten.

Nun saß ich mit einen von Ryokens Hemden am Leib auf dem Bett und hielt eine Tasse warmen Tee zwischen den Händen. Der milde Geruch der Kräuter beruhigte meine flatternden Nerven. Mein Haar war noch feucht von der Dusche.

Im Badezimmer verstummten die Geräusche des Wasserhahns. Kurz darauf betrat Ryoken das Zimmer. Mit nichts als einem Handtuch um den Hüften durchquerte er den Raum und holte sich aus der Kühlschrank eine Flasche mit Sprudel. Ich beobachtete das sinnliche Spiel seiner Brustmuskeln und verfolgte einen Wassertropfen, der aus seinem Haar tropfte, über den Hals floss und von dort einen langen Weg bis hinab zu seinem Bauch zurücklegte.

„Drachenmädchen." Sein Grollen holte mich zurück.

Ertappt senkte ich den Blick auf meine Tasse. „Sorry."

Seine Haut trug die Farbe von hellem Sand. Das feuchte Haar glitzerte im Licht wie frischgefallener Schnee. Seine Augen besaßen die Farbe von Eiskristallen. Er war hochgewachsen und sehr athletisch, mit beeindruckenden Bauch- und Brustmuskeln. Ich war bei Gott kein Fliegengewicht, dennoch konnte er mich problemlos hochheben. Die schmale Taille verschwand unter dem Frotteetuch. Was sich darunter verbarg, konnte ich nur erahnen.

Die Hand in die Hüfte gestemmt, in der anderen Hand die Wasserflasche, stand Ryoken am Fenster und schaute hinaus in die Nacht. Der Regenschauer hatte so schnell gestoppt, wie er begonnen hatte. Der Himmel war wieder wolkenklar. Für eine Stadt ein seltener Anblick zeigten sich ziemlich viele Sterne. Es herrschten angenehme, kühle Temperaturen nach der Sommerhitze des Tages. Der Lärm der Großstadt war verstummt. Abendliche Stille legte sich wie ein Kokon über das Land.

Erneut schweifte mein Blick zu seinem Hintern. Ich wollte nicht starren, absolut nicht, aber ich konnte auch nicht wegsehen. Mit schwirrten unartige Dinge durch den Kopf. Dinge, bei denen wir beide nackt waren und . . .

„Drachenmädchen." Ryokens Stimme vibrierte. Der Bass klang tiefer als sonst. Seine Augen, mit denen er mich durch das Spiegelglas musterte, wirkten dunkler.

„Entschuldige." Ich wandte hastig den Blick ab.

Um mich zu beschäftigen und auf andere Gedanken zu kommen, schnappte ich mir das Hotel-Tablet und durchsuchte das Netzwerk nach Nachrichten. Bis auf die üblichen Verbrechen gab es nichts zu berichten. Mein Blick verharrte bei einer Fotografie von Heartlandcity.

Seit der Pharao zurück in diese Welt gekommen war, überschlugen sich die Ereignisse. Davor war mein Leben ruhiger. Kein Ferienurlaub, aber lange nicht so turbulent wie die vergangenen Wochen. Ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, konnte ich nicht beurteilen. Es beunruhigte mich. Zudem schlossen sich die Gedächtnislücken. Je älter ich wurde, umso mehr Erinnerungen kehrten zurück.

Manchmal war es mühsam, die einzelnen Leben auseinanderzuhalten. Oft lagen ganze Jahrhunderte zwischen ihnen. Das schwarzhaarige Mädchen hatte in einer Zeit der Kriege gelebt. Tayla erlebte die Zeit der Pyramiden und Pharaonen. Meine letzte Wiedergeburt war ein Drache gewesen. Mehr wusste ich von ihr aber nicht mehr.

Ich bekam Kopfschmerzen, wenn ich versuchte, mich eigenständig zu erinnern. Da lag noch so viel im Dunkeln. Soviele Erinnerungen, die verborgen. Personen, die ich vergessen hatte, an die ich mich unbedingt erinnern musste. Besonders an ihn . . .

Das Bett bewegte sich, als sich Ryoken neben mich setzte. Die Matratze gab nach, so dass wir gegeneinander fielen. „Was ist los mit dir? So kenn' ich dich gar nicht."

Drachenstern Saga - Part 1 - Die Legende der DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt