37. Kapitel: Die Geschichte des Drachenkindes

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Lange hatte ich geschwiegen. Das größte Geheimnis meiner Existenz hatte ich für mich behalten. Aus persönlichen Gründen. Zum Eigenschutz. Und weil ich bis vor kurzem verabscheut hatte, was ich war.

Sobald Kaito die Wahrheit erfuhr, würde für ihn eine Welt zusammenbrechen. Er würde so vieles klarer sehen und mich besser verstehen, aber er würde auch erfahren, wovor ich all die Zeit davongelaufen war. Und warum ich in Wahrheit die Seiten gewechselt hatte.

Denn es hatte einen Grund, warum ich das Leben gewählt hatte.

Die Beine unterschlagen, saß ich am Lagerfeuer. Mir gegenüber saßen die Barian. Links und rechts von mir hockten Kaito und Ryoken. Seto hatte sich mit Yugi neben Kaito platziert. Der Rest hatte sich um das Lagerfeuer positioniert.

Sämtliche Augenpaare ruhten auf mir. Jeder wartete darauf, dass ich das Wort ergriff. Noch hüllte ich mich in Schweigen. Sobald meine Geschichte erzählt war, würde nichts mehr so sein, wie es einmal war. Danach würden sie mich mit anderen Augen ansehen. Sie würden sich mir entfremden. Für sie bedeutete das Drachenkind ein Symbol des Friedens; für mich war diese Bürde die schwerste Last, die je ein Lebewesen tragen musste.

Obwohl mir nicht kalt, hielt ich die Hände über das Feuer. Die Flammen spendeten Wärme und weckten ein vertrautes Gefühl. Es fiel mir schwer, die Worte zu formulieren. Nicht jeder Veränderung war gut. Manche sollten besser niemals stattfinden.

„Vor vielen Jahrtausenden verliebte sich ein Engel in einen Menschen. Während eines großen Krieges verlor er sein Leben. Der Engel gab die Unsterblichkeit auf und wählte ein sterbliches Leben. Um mit ihm gemeinsam wiedergeboren zu werden, band sie sich an ihn. So wurde das Drachenkind geboren."

Spannung lag in der Luft. Es knisterte leise. Jeder, wirklich ausnahmslos jeder, hielt den Atem ein. Wie gebannt hingen sie an meinen Lippen. Die Flammen erzeugen Bilder. Ein Engel mit großen Flügeln. In ihren Armen lag die leblose Gestalt eines Mannes. Ihre Flügel verschwanden und sie ging mit ihm in Flammen auf.

„Als sie noch ein Engel war, hatte sie eine enge Verbindung zu ganz besonderen Drachen. Jeder Drache übertrug ihr ein Brandmal. Das Symbol der Verbundenheit. Und jeder Drache besaß einen Zwilling. Ein Gegenstück. Vierzehn Drachen und ein Mädchen."

Die Flammen loderten höher. Sie zeigten ein Mädchen mit wehenden Haaren, umringt von vierzehn Bestien.

„Drachenkind wurde sie schon damals genannt, doch die Bedeutung dieses Namens veränderte sich im Rad der Zeit. Damals symbolisierte es ihre Zugehörigkeit zu jenen Wesen und es verriet ihre Herkunft." Im Feuer erhob sich ein großer, majestätischer Drache. Er flog davon, sein Brüllen und seine Flügel umhüllten die Welt. „Sie ist das Kind eines Drachens. Ein echtes Drachenkind."

Leises Raunen erklang, weswegen ich kurz schwieg und ihnen Zeit gab, das gehörte zu verarbeiten. Das waren ziemlich viele Infos und es war nur ein Bruchteil dessen, was sie noch zu hören bekommen sollten. Ich trug es bereits mein ganzes Leben mit herum und das wurde ihnen nun allmählich bewusst.

„Mit ihrer ersten Wiedergeburt als Mensch begann der Zyklus des neuen Drachenkindes. Sie wurde zu einem Geschöpf, dass die Menschen wegen ihrer Macht fürchteten. Das Bündnis ihrer Drachen blieb bestehen. Ab dem Tage ihrer Geburt trug sie die sieben Male der Drachen auf ihrer Haut."

„Die Drachenmale.", flüsterte Kaito.

Ich nickte. Meine Hände waren ruhig, als ich die Bluse aufknöpfte. Kaito wollte aufbegehren, bemerkte aber schnell, dass ich darunter noch ein enges Top trug. Ich streifte den Stoff über meine Schultern und holte mein Haar nach vorne, dann drehte ich mich, dass sie die Tätowierungen auf meinem Rücken betrachten konnten. „Drachenkopf. Drachenklauen. Drachenschwingen. Drachenrumpf und Drachenschweif. Zusammen mit dem Symbol des Feuers verkörpern diese sieben Zeichen meine Herkunft und was ich aufgegeben hatte."

Drachenstern Saga - Part 1 - Die Legende der DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt