11. Kapitel: Der fünfte Auserwählte

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Astrals Idee war gar nicht mal so abwegig. Zumindest bot sie mir eine Chance, ungehindert zu recherchieren, ohne dass jemand unangenehme Fragen stellte. Das internationale Netzwerk der Oberschule war der perfekt dazu geeignet, um nach Informationen über Exodus zu suchen. Die Stadtbibliothek wäre zwar eine weitere Anlaufstelle, doch erhoffte ich mir dort kein Ergebnis. Die Lokalnachrichten berichteten eher über Katastrophen und anderen, unvorhersehbaren Geschehnissen. Zum Beispiel ein Terroranschlag einer Geheimorganisation.

Der Stadtbücherei würde ich dennoch einen Besuch abstatten. Schließlich konnte ich dort auf Informationen über meine früheren Leben stoßen. Irgendjemand hatte gewiss das eine oder andere Buch oder Manuskript über das Drachenkind verfasst. Je mehr ich über mich erfuhr, umso besser.

Yuma und Rei trauten ihren Augen nicht, als ich vor der Schule auf sie wartete. Astral schwebte neben mir und es wirkte, als hätte er sein Leben lang nie etwas anderes getan. Seine Miene wies Belustigung aus. Die Arme hielt er vor sich verschränkt. Die Füße hatte er übereinander gekreuzt.

Diese Haltung hatte ich oft bei ihm beobachtet. Ich machte mir darüber keine Gedanken.

Mein Blick auf die Uhr verriet mir, dass die Prüfungen vor über einer Stunde beendet waren. Astral hatte mir die genauen Daten verraten.

„Seid ihr durchgefallen oder warum seid ihr so spät dran?"

„Vermutlich mussten sie wieder Nachsitzen, weil Shingetsus Abkürzung keine war und die zwei zu spät gekommen waren.", mutmaßte Astral.

Yumas geröteten Wangen gab uns die Antwort.

Eins zu null für die Leuchte.

Erst jetzt bemerkte ich den dritten Jungen, der die zwei begleitete. Er war etwas jünger. Die himmelblauen Haare reichten ihm bis zum Nacken. Seine großen, grün-gelben Augen musterten mich neugierig. Irgendwas an ihm kam mir bekannt vor. Ich kam nur nicht drauf.

Ganz wie die Schulordnung verlangte, trug er eine dunkle Hose und ein weißes Hemd mit Krawatte. Sollte ich mich an der Schule anmelden, würde ich auch solch eine Uniform tragen müssen. Statt der Hose gab es für Mädchen einen kurzen Rock. Nicht unbedingt mein Modegeschmack. Meine Hosen waren mir allemal lieber.

„Ist das eine Freundin von euch?", fragte der Junge Yuma und Rei.

Als Yuma nur mit den Schultern zuckte und schief grinste, wandte er sich fragend an Astral.

In meinem Hinterkopf machte es hörbar klick.

„Sieh einer an. Der Knirps gehört zu denen, die die Leuchte sehen können."

„Leuchte?" Yuma wechselte einen Blick zwischen dem Astralwesen und mir.

Ich hob die Schultern. Eine Marode von mir. Es hatte keine Bedeutung.

Astral schenkte mir ein missbilligendes Lächeln. Bisher hatte er nichts über meine Bezeichnung für ihn gesagt, doch seine zu einem schmalen Strich zusammengepressten Lippen verrieten, dass es ihm missfiel. Allerdings verbiss er sich eine Bemerkung. Das war ungewöhnlich, entnahm ich Yumas Gedanken, da er sonst mit Bemerkungen nicht hinterm Berg hielt. Sehr zum Verdruss des kleinwüchsigen Jungen. Sein transparenter Freund hatte ihn das eine oder andere Mal in gehörige Schwierigkeiten gebracht.

Ich rieb mir die Schläfen und bemühte mich, seine Gedanken auszublenden.

Diese Gabe war echt ein Fluch.

Als nun ein Bild aus seinem Kopf zu mir herüberwanderte, musste ich mich zusammenreißen, um mir nichts anmerken zulassen. Yuma erinnerte sich gerade an eine Szene vor einiger Zeit. Nach dem Abendessen war er ins Bad verschwunden. Die Leuchte musste draußen warten. Yumas Erklärung, warum er nach dem Essen die Sanitärräume aufsuchen musste, kommentierte er mit einem Satz, bei dem andere in schallendes Gelächter ausgebrochen wären.

Drachenstern Saga - Part 1 - Die Legende der DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt