15. Kapitel: Der falsche Auserwählte

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Vollkommen lautlos landete ich auf dem Balkon zu meinem Hotelzimmer. Nachdem ich mir eine lange, heiße Dusche gegönnt hatte, ließ ich mir vom Zimmerservice Frühstück liefern. Mit der Kaffeetasse in der Hand begab ich mich erneut auf den Balkon. Den linken Unterarm auf die Brüstung gestemmt, schaute ich in den Himmel hinauf. Das Licht der aufgehenden Sonne vertrieb den Schleier der Dunkelheit. Mein Verstand hatte aufgeklart und nun wurde ich mir der Folgen der Nacht bewusst.

Es hätte niemals soweit kommen dürfen. Weder mit Zane noch mit Seto Kaiba. Gerade die Nacht mit Kaiba war ein Fehler. Nur leider fühlte es sich überhaupt nicht so an. Dieser Mistkerl hatte etwas vermocht, das nicht einmal Zane gelang.

Zum allerersten Mal fühlte ich mich komplett gefriedigt. Nicht nur körperlich. Auch mein Geist und meine Seele hatten Ruhe gefunden. Die Drachentattoos trug ich nicht nur zum Spaß. Sie symbolisierten, was ich war. Tief in mir ruhte die Bestie. Doch Kaiba hatte sie bezwungen. Nicht nur das Mädchen Chiyo, auch das Tier in mir war besänftigt.

„Wo bist du gewesen?"

Eine Stimme ließ mich herumfahren.

An der Terassentür lehnte Kaito. Die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine überkreuzt. Sein finsterer Blick bohrte sich in meinen. Instinktiv wollte ich zurückweichen, doch dann besann ich mich.

„Ich brauchte frische Luft und Zeit für mich selbst."

Ich blinzelte, als ein verschwommenes Bild durch meinen Kopf flatterte.

Gab es schon einmal eine Begegnung auf einem Balkon?

Ein Mädchen. Lange, schwarze Haaren. Smaragdgrüne Augen. Als der Wind ihr Haar nach hinten warf, entblößte er das Symbol auf ihrer Stirn. Sie hob die Hand, um ihren Pony zu richten. An ihrem Handgelenk prangte die Klaue.

Das Bild löste sich auf. Ich blinzelte, um in die Realität zurückzukehren.

Kaito stand direkt vor mir. „Wo warst du eben?"

Nun wich ich doch zurück. Er übertrat die Toleranzgrenze. „Weiß ich nicht genau. Irgendwo."

„Eine Erinnerung?" Er neigte den Kopf.

„Vielleicht."

Plötzlich kniff er die Augen fest zusammen. „Du hast überall Knutschflecke am Hals." Er schnüffelte. „Und du riechst nach einem Mann. Das nennst du also 'Zeit für dich-Nehmen'."

Ich ballte die Fäuste. „Das geht dich überhaupt nichts an."

„Stimmt." Er wandte sich ab. „Du hast den ersten Schultag geschwänzt."

„Stimmt." Ich folgte ihm ins Innere. „Ich hab Nachforschungen angestellt. War wichtiger."

„Hast du was herausfinden können?"

„Nichts über den Aufenthaltsort."

„Dann komm mal mit."

Hintereinander stiegen wir die Stufen ins Obergeschoss hinauf. Eigentlich war dieser Bereich ihm und seinen Bruder vorbehalten, doch ich sagte mal nichts dazu. Nachdem wir einen langen Flur durchquert hatten, öffnete er eine Tür zu einem Raum, der sich als Arbeitszimmer offenbarte. Auf einem großem Schreibtisch standen gleich drei Monitore und vier weitere säumten die gesamte linke Wandfront. Der Fußboden war aus teurem Marmor und mit Teppichen verlegen. An den Wänden hingen Fotographien von Kaito und Haruto. Auf einigen Bildern war Orbital mit abgelichtet.

Die rechte Wand bestand vollkommen aus Glas und gab den Blick auf die gesamte Stadt frei. Eine Wendeltreppe führte hinauf zu einer Dachterrasse.

„Hat gewisse Vorteile, der Sohn des Stadtgründers zu sein. Ihr könnt euch Luxus leisten."

Drachenstern Saga - Part 1 - Die Legende der DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt