Von einem schrillen Ton wird Ann geweckt.
Verschlafen schreckt sie hoch und sieht sich sogleich in ihrem Zimmer nach diesem lästigen Ton um. Ihr vernebelter Verstand braucht einige Sekunden bis er realisiert, dass es ihr Wecker auf dem Handy ist.
Schnell drückt Ann ihn aus, nur um kurz darauf schlaftrunken aufzustehen und zum Bad zu torkeln. Dort macht sie sich für den anstehenden Tag frisch.
Zurück in ihrem Zimmer, kramt sie ein weißes Crop Top, eine schwarze Leggings sowie passende Unterwäsche heraus. Diese zieht die Brünette auch sogleich an.
Schon etwas munterer stellt sie sich vor den großen Standspiegel. Ein prüfender Blick auf sich selbst genügt, um zu wissen, dass alles sitzt. Zufrieden nickt sie ihrem Spiegelbild entgegen.
Wie oft die kleine pummelige Ann damals vor genau diesem Spiegel stand. Diesem fast schon zu schönen Spiegel für ihr damaliges Antlitz. Dieser Spiegel, der sie fast schon verspottet hatte mit seinen in Metall eingefassten Blumen, die sich elegant um dem Rahmen des Spiegelglases und das Gehäuse des Rahmes schlängeln.
Damals hatte sie immer das Gefühl, dass er sie förmlich anschrie Sieh dich an! Sieh, wie hässlich und fett du bist! Und doch weiß sie heute, dass es nur ihre eigene verdorbene Ansicht von sich war die sie dort schreien hörte.
So wie sie sich jetzt gerade in diesem ansieht, sieht sie dieses kleine schüchterne Mädchen ganz genau vor sich. Ihr altes Ich. Das kleine, pummelige, schüchterne Mädchen, dass gemobbt wurde und somit diese falsche Ansicht von sich bekommen hat. Ihr ganzes Selbstbewusstsein wurde fremdbestimmt und sie war damals noch zu jung um sich dagegen zu stellen. Denn wenn man jung ist, ist der Geist noch willig, Man kann ihn noch manipulieren. Zumindest wurde ihr dies wie ein Mantra von Erwachsenen einbläut.
Und doch waren es Jugendliche, die sie manipuliert haben.
Doch heute hat sie ihr eigenerworbenes Selbstbewusstsein. Jetzt sieht sie dort eine schöne junge Frau stehen, die nur vor Selbstbewusstsein trotzt.
Sie hat sich in den Jahren sehr verändert. Sie hat angefangen Sport zu treiben, ist dadurch schlank geworden. Sie hat zwar immer noch ihre Kurven, aber die machen sie als sich selbst aus. Das damals runde Gesicht ist ein wenig kantiger geworden. Die Haare sind nun länger und gesünder, nicht mehr kurz und leicht fettig.
Einzig und allein ihre blauen Augen und die Stupsnase erinnern noch an ihr früheres Ich.
Ann ist misstrauisch gegenüber anderen geworden. Man muss sich ihr Vertrauen hart verdienen. Kann es aber auch genauso schnell durch eine dumme Tat wieder verlieren. Früher war sie so darauf fixiert Freunde zu finden, dass sie schnell ausgenutzt wurde. Dies hat zwangsläufig zu Kummer und Schmerz bei ihr geführt. Und nun hat Ann Angst.
Angst wieder verletzt zu werden.
Angst wieder vor einen Scherbenhaufen ihrer Gefühle stehen zu müssen.
Menschen und Werwölfe sind, bis auf einige wenige Ausnahmen, schreckliche Individuen. Immer darauf aus sich verbal und physisch fertig zu machen. Als hätte sich die Evolution in diesem Hinblick niemals weiterentwickelt. Einzig und allein ihre Sprache, die Gründe dessen und die Fortbewegung hat sich dabei geändert.
Mit erhobenen Kinn blickt die Brünette ihrem Spiegelbild in die Augen. Kurz nickt sie sich zu, als Zeichen für sich selbst, dass sie zufrieden ist. Dann dreht sie sich um.
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Mit einen Blick in den Kühlschrank, muss Ann zu ihrem Missmut feststellen, dass sie vergessen hat gestern noch einzukaufen.
Nun verflucht sie ihre gestrige Müdigkeit, sowie Faulheit. Es wäre schließlich noch genug Zeit gewesen, eben noch an einen Supermarkt heranzufahren und ein wenig Brot und Aufstrich zu kaufen. Dennoch hat sie mal wieder ihre Faulheit siegen lassen. Somit muss sie dies jetzt wohl oder übel nachholen.
Seufzend schnappt sie sich ihre Schlüssel und ihr Portemonnaie, streift sich schnell Schuhe über und will gerade das Haus verlassen, als ihr Bauch laut knurrt.
Sie murmelt leise:,, Ich denke es wäre doch besser erstmal in ein Café zufahren. Mit vollen Magen kaufe ich nur Blödsinn."
Verlässt das Haus, schließt die Tür und läuft die Einfahrt hinab.
Der schwarze Lack ihres Opel Corsas glänzt in der gerade aufsteigenden orangenen Sonne. Er steht verloren in der großen gepflasterten Einfahrt ihres Elternhauses.
Gestern ist sie mit ihrem Auto drei Stunden hergefahren. Es war eine schöne Fahrt. Sie hat zu den Songs im Radio gesungen und sich über die Fahrweisen der anderen Verkehrsteilnehmer sowohl geärgert, aber auch lustig gemacht. Sie ist zwar selbst nicht die beste Autofahrerin, dennoch ist sie in dieser Hinsicht ein kleiner Hitzkopf.
Ob es noch Marys kleines Café gibt? Fragt sie sich selbst in Gedanken.
Einmal vorbeifahren schadet nicht, denkt sie sich. Also startet sie den Motor und macht sich auf den Weg in die Stadt.

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Forgive
FantasyEr ist ein Alpha Er hat sie gemobbt Er bereut es Sie ist ein Außenseiter Sie hat ihre Eltern verloren Sie ist wegen ihn weg gezogen Nach vier Jahren kommt sie wieder zurück. Was ist wenn er merkt, das sie seine Mate ist? Und was ist wenn sie ihn aus...