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Ein paar Wochen später war der Winter noch tiefer geworden. Der Schnee lag hoch rund um die Burg. Lediglich der Innenhof wurde regelmäßig von der dicken Schneeschicht befreit.
Die letzten Tage hatte Aaron meist darauf bestanden, dass Finya mit ihm gemeinsam die Mahlzeiten einnahm.
Zugleich war er jedoch deutlich strenger, wenn Finya sich nicht an die Tischregeln hielt. War er bisher nachsichtig gewesen, wenn seine junge Sklavin Schwierigkeiten mit dem Umgang mit den diversen Besteckteilen hatte, so rügte er sie neuerdings immer wieder dafür.
Scheinbar ohne Nachsicht machte er sie auf jeden Fehler aufmerksam und ließ sie ihn korrigieren, bis Finya fast keine Fehler mehr machte. Wenn doch reichte ein kurzer Blick und sie korrigierte eigenständig ihren Fehler.
„Heute essen wir im Salon zu Abend." erklärte Aaron auf einmal, während Finya gerade neben ihm in der Bibliothek kniete.
Verwundert sah sie ihn an, nickte aber. „Wie Ihr wünscht, Herr.", erwiderte sie.
Mit einem leichten Schmunzeln lehnte Aaron sich zurück.
Er wusste, dass die letzten Tage anstrengend für Finya gewesen waren und sie seine Beweggründe nicht verstand, doch das sollte sich heute Abend ändern.  Gehorsam, wie Finya war, hatte sie sich seinem Willen gebeugt, ohne ihn zu hinterfragen, hatte sich auf ihn eingelassen und wie stets ihr Bestes gegeben..
Aaron war sich sicher, dass Finya jetzt soweit war.

Am späten Nachmittag kehrte Aaron mit Finya in seine Gemächer zurück.
„Hol mir bitte mein dunkelrotes Hemd aus dem Schrank."
Finya verneigte sich lächelnd und betrat das Schlafzimmer ihres Herren.
Mitten im Zimmer stand eine Schneiderpuppe und auf dieser hing ein dunkelrotes, mit goldenen Ornamenten besticktes, Kleid.
Finya erstarrte in der Bewegung und blickte fasziniert auf das Kleid. Das Kleid reichte bis zum Boden. Die langen Ärmel waren leicht ausgestellt. Langsam trat Finya näher auf die Schneiderpuppe zu. Sie hatte richtig gesehen.
Ganz verschnörkelt und kaum zu erkennen bildeten die Muster auf der ausgeschnittenen Brust des Kleides das Wappen des Königs.
Behutsam hob sie die Hand und strich sanft und fasziniert über den teuren Stoff.
Aaron war leise hinter Finya getreten und legte ihr nun die Hände auf die Schultern.
„Gefällt es dir, meine kleine Sklavin?"
Finya nickte. „Es ist wunderschön, Herr. Für wen ist es?"
Aaron lachte leise. „Für meine Begleitung auf den Winterball von König Nikolai."
Finya nickte und ließ ihre Hand sinken.
Immer wieder war ihr Herr, seit sie bei ihm war, auf Bälle eingeladen gewesen. Oft hatte sie ihn als seine Sklavin begleitet. Es hatte aber auch Tage gegeben, da war er ohne sie dorthin gegangen. Dann hatten ihn stets irgendwelche adeligen Frauen begleitet, die sich ihm nahezu an den Hals geschmissen hatten.
König Aaron hatte sie immer so gut es ging auf Abstand gehalten und Finya konnte ihm jedes Mal deutlich ansehen, wie sehr ihm das Gebaren der Frauen missfiel.
Finya seufzte leise. Sie würde also wieder einmal einen langen Abend, vielleicht sogar eine lange Nacht, alleine verbringen. Vielleicht erlaubte ihr Aaron ja, die Zeit gemeinsam mit Rebecca zu verbringen.

Noch immer stand Finya mit dem Rücken zu ihrem Herren. So konnte sie auch nicht sehen, wie er immer amüsierter auf sie herab blickte.
„Willst du es nicht anprobieren, Finya?"
Finya erstarrte, dann drehte sie sich langsam um und blickte Aaron verwirrt an. „Ihr sagtet doch, es sei für Eure Begleitung auf den Ball?"
Aaron nickte. „Richtig. Das sagte ich, Finya." erwiderte er.
„DU bist meine Begleitung, meine kleine Sklavin. Auch wenn du mich dieses Mal nicht als meine Sklavin begleiten wirst." erklärte er lächelnd.
Noch immer reglos und ungläubig sah Finya zu ihrem Herren auf.
Schließlich schob Aaron sie sanft, aber bestimmt auf Armeslänge von sich weg. „Ich hatte dir vor langem bereits gesagt, dass ich gedenke, dich auf Empfänge mitzunehmen, bei denen du nur meine Begleitung und nicht meine Sklavin bist. Und ich habe entschieden, dass du jetzt so weit bist. Oder warum glaubst du, war ich die letzten Tage so streng?"
Er lächelte Finya freundlich zu. „Und jetzt probier das Kleid an." fügte er gespielt streng hinzu und verließ sein Schlafzimmer.

Einige Minuten später folgte ihm Finya und Aaron half ihr, das Kleid zu schließen. Es passte wie angegossen.
Aaron reichte ihr seinen Arm. Unsicher hängte Finya sich ein und ließ sich von ihm in den Salon führen. Sie bewegte sich sichtlich unsicher in dem ungewohnt langen Kleid und hätte Aaron sie nicht gehalten, wäre sie bestimmt das ein oder andere Mal gestürzt.
Als sie gemeinsam den Salon betraten, blieb Finya wie gebannt stehen. Der Raum war hell von Kerzen erleuchtet und festlich gedeckt.
Aaron führte Finya an die lange Tafel. Als sie sich jedoch von ihm löste und für ihn den Stuhl herausziehen wollte, schnalzte er missbilligend mit der Zunge.
„Auch für heute Abend bist du meine Begleitung und nicht meine Sklavin."
Finya nickte und in ihr reifte die Erkenntnis, dass der heutige Abend wohl als Übung gedacht war.
Kurz darauf trat Kjell grinsend auf sie zu und zog erst Finya, dann seinem König den Stuhl zurecht. Leicht hilflos ließ sich Finya auf den Stuhl sinken.
Doch der Abend wurde noch anstrengender und fordernder für Finya.
Bald nach dem gemeinsamen Essen setzte Musik ein. Kjell zog für Aaron und Finya den Stuhl zurück und Aaron führte seine Sklavin auf die freie Fläche, zog sie dort dicht an sich. „Lass dich einfach von mir führen. Schließ die Augen, wenn du möchtest."
Finya schluckte, nickte dann aber und Aaron begann, mit ihr zu tanzen.

Einige Stunden später, Finya war bereits sichtlich erschöpft von dem Abend, den Eindrücken und den ungewohnten Bewegungen, hatte Aaron schließlich ein Einsehen und führte sie zurück in seine Gemächer.
Zufrieden nickte er ihr zu. „Wie du vielleicht schon erraten hast, war dieser Abend als Übung für dich gedacht."
Finya nickte.
„Morgen fahren wir los. Bleibt nur noch eine Sache, die ich dich lehren muss." erklärte er. „Du wirst vor König Nikolai nicht wie vor den anderen Herrschern auf die Knie gehen, sondern nur einen Knicks machen. Das heißt, du beugst lediglich leicht deine Knie."
Er nickte ihr zu, es auszuprobieren und korrigierte sie wie stets geduldig.
Etliche Versuche später war er schließlich zufrieden und nickte ihr zu.
„Geh schlafen, Finya. Ich möchte, dass du für morgen ausgeruht bist. Wir werden gegen Mittag abreisen."

Am nächsten Tag trat Finya mit ihrem Herren auf den Innenhof. Erneut trug sie das dunkelrote Kleid und darüber ihren warmen Umhang. Dennoch fröstelte sie leicht in der kalten Winterluft.
Überrascht hielt Finya inne. Mitten am Hof stand nicht, wie sonst, die Kutsche, sondern ein offener Schlitten, auf dessen Kutschbock bereits Arvid und Kjell saßen.
Die Sitzbank war mit warmen Fellen ausgelegt.
Aaron ließ Finya zuerst einsteigen und nickte Ivar zu, der sie sogleich in weitere wärmende Felle einpackte. Erst dann stieg er selber ein und der Schlitten setzte sich in Bewegung - wie stets in Begleitung der Garde.

Es war bereits Abend, als der Schlitten endlich vor einem hell erleuchteten Schloss hielt.
Sofort eilten Diener auf den Schlitten zu, um den beiden Insassen beim Aussteigen behilflich zu sein. Unsicher wandte Finya ihren Blick zu Aaron, der ihr dezent zunickte, bevor sie sich von einem der Diener helfen ließ.
Als Aaron ihr schließlich seinen Arm bot, nahm sie ihn an, so wie er es mit ihr geübt hatte.
Gemeinsam betraten sie das Schloss und sogleich wurde Finya von einer angenehmen Wärme umfangen.
Sofort nahmen eilfertige Diener ihr und ihrem Herren die warmen Mäntel ab.
Ohne Pause ging es danach weiter in einen kleineren Vorraum.
Finya ging mehr als nur angespannt neben ihrem Herren her. Sanft legte dieser seine freie Hand auf Finyas Arm und nickte ihr zu.
Da erklang auch schon die Stimme eines weiteren Dieners.
„König Aaron mit seiner Begleitung Finya." kündigte dieser die beiden an und Aaron zog Finya mit sich durch die Türe.
Hätte er sie nicht weitergezogen, Finya wäre gebannt stehen geblieben. Der Saal war in warmes Licht getaucht. Von den Decken hingen teure Kristallleuchter, in denen sich der Schein der Kerzen fing und in funkelnden Farben gespiegelt wurde. An den Fenstern standen Eisskulpturen, die verschiedenste Tiere darstellten.
„Du kannst später alles bestaunen." raunte Aaron Finya leise zu.
Sanft, aber unnachgiebig zog er seine junge Sklavin mit sich mit und so fand diese sich nur kurz darauf vor einem vergoldeten Thron wieder.
König Nikolai saß entspannt zurück gelehnt auf seinem Thron. Anders als die meisten Vampire, die Finya bisher getroffen hatte, trug Nikolai helle Kleidung. Der Anzug selbst war in einem hellen grau gehalten. Dazu trug er ein weißes Hemd mit Stehkragen. Sein schwarzes, kurzes Haar stand in einem starken Gegensatz zu der hellen Kleidung und war glatt zurück gekämmt.
Aaron löste seinen Arm von Finya und verneigte sich galant. „Es ist mir eine Ehre, heute Euer Gast zu sein, König Nikolai."
König Nikolai neigte leicht den Kopf. „Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, König Aaron." erwiderte dieser den Gruß.
„Und wer ist Eure zauberhafte Begleitung?"
Aaron berührte Finya sacht am Arm. Sofort löste sie sich aus ihrer Starre und machte einen leicht ungelenken Knicks.
„Das ist Finya." stellte Aaron sie vor.
Nikolais Augen legten sich auf Finya.
„Finya, also. Und wie noch?"
Finya schluckte, als der fremde König sie direkt ansprach. „Nur Finya, He....Hoheit..."
Kurz flackerte Erkenntnis in Nikolais Augen auf, dann wurde sein Blick wieder neutral.
„Dann wünsche ich Euch viel Vergnügen auf meinem Ball."
Aaron führte Finya an die lange Tafel. Ein Diener rückte ihr den Stuhl zurecht und Sie nahm Platz.
Finya fühlte sich sichtlich unwohl in der Rolle als Aaron's Begleitung. Viel lieber würde sie gerade an der Seite ihres Herren knien, wo sie sich immer sicher fühlen konnte.
Statt dessen saß sie neben ihrem Herren und wurde von den anderen Gästen neugierig gemustert.
Sie war sichtlich erleichtert, als König Nikolai schließlich ebenfalls an der langen Tafel Platz nahm und sich die Aufmerksamkeit der anderen Vampire auf ihn legte.
Er erhob seinen Kelch und alle Anwesenden taten es ihm gleich.
„Lasst uns gemeinsam den Tag der Wintersonnenwende feiern." forderte er seine Gäste auf.
Er hatte den Kelch kaum abgestellt, als sich die Türen öffneten und eine ganze Schar Diener den Raum betrat um das Essen aufzutragen.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt