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Gemeinsam traten sie durch das Tor in einen großen, offenen Innenhof.
In der Mitte des Hofes war eine lange Tafel mit bequemen Stühlen aufgebaut.
Ringsum an den Säulen, sowie über den Köpfen an einem Gitter, wuchsen Weinreben, die sogar Früchte trugen.
Andros machte eine einladende Geste. Eine feste Sitzordnung schien nicht vorgesehen zu sein. „Setzen wir uns..."
Aaron trat auf den nächstbesten Stuhl zu und setzte sich. Sogleich wollte Finya neben ihm auf die Knie sinken, wurde jedoch von einem missbilligend Schnalzen von Andros davon abgehalten.
Fragend blickte sie zu dem emeritierten König. „Auch du bist mein Gast, Finya. Setz dich also ruhig neben meinen Sohn..."
Er selbst nahm inzwischen ebenfalls Platz. Nach kurzem Zögern setzten sich Rebecca und Taro ebenfalls an den Tisch, wo unterdessen auch die Garde Platz genommen hatte.
Einzig Jaro stand noch etwas abseits. Gerade wollte er sich dezent zurückziehen, als Aaron zu ihm blickte.
„Setz dich zu uns, Jaro." nickte er ihm zu.
Kurz darauf trat Raphael aus dem Gebäude und nickte Andros zu. „Das Essen wird gleich gebracht..." bestätigte er und setzte sich neben Andros.
Im nächsten Moment kamen bereits einige Sklaven aus dem Haus und stellten große Platten mit allerlei Köstlichkeiten, die die Insel zu bieten hatte, auf den Tisch
Mehrere Gänge später, bei denen sich jeder jeweils selbst bedient hatte, war das Essen schließlich beendet und die Sklaven begannen, den Tisch abzuräumen.
„Elena, Mariella..." hielt Andros zwei der Mädchen auf.
„Zeigt unseren Gästen doch bitte ihre Zimmer."
Respektvoll verneigten sich die beiden und wandten sich dann an König Aaron und seine Begleitung.
„...wenn Ihr uns bitte folgen würdet, Herr..."
Während Elena die Gardemitglieder mit sich nahm und ihnen im ersten Stock des Hauses ihre Zimmer zeigte, gingen Aaron und seine drei Sklaven mit Mariella mit.
Lediglich Jaro blieb stehen, unsicher, was er tun sollte. „...Hoheit...?" wandte er sich fragend an Aaron, als dieser gerade losgehen wollte.
Aaron blickte zu ihm. „Geh mit der Garde mit. Auch du erhältst ein Zimmer im ersten Stock. Ich erwarte jedoch, dass du dieses nicht ohne Erlaubnis verlässt."
Respektvoll verneigte sich Jaro. „Ich danke Euch, Hoheit." erwiderte er und beeilte sich dann, der Garde nachzukommen
Mariella führte die Gäste in den zweiten Stock. Gleich vor dem ersten Zimmer blieb sie stehen und öffnete die Türe. Dahinter lag ein gemütlich eingerichteter Raum mit großen, bodentiefen Fenstern, die auf einen kleinen Balkon hinaus führten. An den Fenstern waren Fensterläden zum Schutz vor der Sonne angebracht, die jedoch im Moment geöffnet waren.
Fragend blickte sie zu Aaron. „Dieses Zimmer haben wir für einen Eurer Sklaven vorgesehen, Herr, sofern ihr einverstanden seid."
Aaron blickte sich um und nickte dann. „Rebecca, du kannst dieses Zimmer nehmen."
Lächelnd verneigte sich Rebecca und betrat ihr Zimmer.
Taro erhielt das Zimmer direkt neben Rebecca zugewiesen, das identisch eingerichtet war, und auch er strahlte, als er den Raum betrat.
Schließlich führte Mariella Aaron und Finya bis zum Ende des Ganges, an dem zwei Türen lagen und öffnete die größere der beiden Türen.
„Dieses Zimmer haben wir für Euch vorgesehen, Herr." erklärte sie. „Für Eure Sklavin gibt es ein Zimmer direkt daneben mit einem eigenen Eingang. Dennoch sind beide Zimmer durch eine Verbindungstüre miteinander verbunden, damit sie Euch entsprechend dienen kann."
Aarons Blick lag anerkennend auf Marinella, als er zufrieden nickte. „Danke. Das war sehr gut mitgedacht von euch..."
Er nickte Finya zu, in ihr Zimmer zu gehen. „Ruh dich etwas aus. Später wird mein Vater euch hier alles zeigen."

Zwei Stunden später klopfte Aaron an die Verbindungstüre zu Finyas Zimmer.
„Hol bitte Rebecca und Taro her. Ich muss noch etwas mit euch besprechen."
Kurz darauf standen alle drei Sklaven in Aarons Zimmer.
Aaron nickte ihnen zu. „König Andros gestattet, dass ihr euch auf dieser Seite der Insel und in diesem Gebäude frei bewegen dürft." erklärte er. „Er wird euch gleich alles zeigen, damit ihr euch hier auch zurecht findet." Kurz musterte Aaron die drei Sklaven vor ihm. „Ich erwarte jedoch, dass ihr euch bei mir oder einem aus der Garde meldet, wenn ihr euch weiter als Sichtweite vom Haus entfernen wollt." fügte er etwas strenger hinzu und lächelte milde, als alle Drei ihm dies zusicherten.
„Und jetzt kommt. Mein Vater wartet bereits."
Als Aaron in den Innenhof trat, standen dort bereits gesattelte Pferde bereit.
Etwas unwohl blickte Finya zu den großen Tieren. Schnell hatte sie überschlagen, dass auch für sie, Rebecca und Taro Pferde bereit standen.
Auf einmal legte sich eine Hand auf ihre Schulter und sie zuckte leicht zusammen.
„Bist du schonmal geritten?" wandte sich die ruhige Stimme von König Andros an sie.
Finya hob den Blick und sah ihn an. „Nein, Herr." gab sie zu.
Andros lächelte. „Es sind ganz ruhige Tiere. Du brauchst dich nicht zu sorgen."
Bald darauf saßen alle auf ihren Pferden, wobei sich jeweils ein Gardemitglied neben Finya, Taro und Rebecca setzte und die Zügel der Pferde in die Hand nahm.
In gemächlichem Ritt führte Andros gemeinsam mit Raphael die Gruppe an.
Ein gutes Stück hinter dem Haus, umgeben von Weinbergen, fand sich eine kleine Siedlung mit flachen, lediglich einstöckigen kleinen Häusern.
„...dies sind die Unterkünfte der Sklaven.." erklärte Andros. „Die meisten von ihnen wohnen in diesen Häusern. Nur die wenigsten leben bei mir im Haupthaus."
Wann immer sie an einem Sklaven vorbei kamen, unterbrach dieser seine Tätigkeit und verneigte sich respektvoll vor Andros und Raphael. Keiner von ihnen schien verängstigt oder auch nur eingeschüchtert. Vielmehr schienen sie ihrem Herren tiefen Respekt entgegen zu bringen.
Selbst die Kinder liefen freudig auf Andros zu und grüßten ihn. Freundlich strich Andros ihnen über den Kopf und steckte ihnen kleine Leckereien zu.

Schließlich waren sie an der Spitze des Hügels angekommen. Auf der anderen Seite fiel die Insel wieder zum Meer ab, war aber deutlich felsiger. „Bis hier dürft ihr gehen." wandte sich Andros an Rebecca, Taro und Finya.
„Machen wir eine kurze Rast." erklärte er auf einmal und stieg ab.
Fast schon versonnen trat er auf die Rebstöcke zu, pflückte eine einzelne Traube und kostete sie.
Zufrieden nickte er und löste eine Rebe vom Stock. „Bald können wir mit der Ernte beginnen..."
Als er sich schließlich umdrehte, waren alle bereits von ihren Pferden abgestiegen.
Schmunzelnd winkte er Finya zu sich und reichte ihr eine Traube. „Aus diesen Trauben entsteht der Dessertwein, den Aaron so gerne trinkt." erklärte er, während Finya die süße Traube kostete.
Finyas Augen erhellten sich und Andros lachte leise auf. „Aaron hat mir bereits erzählt, dass du unser beider Leidenschaft teilst und einen sehr feinen Gaumen hast, wenn es darum geht, die Geschmäcker im Wein zu erkennen." Verlegen blickte Finya zu Boden, lächelte aber, als Andros ihr die Rebe reichte und ihr zunickte.
„Du wirst die nächsten Tage erleben können, wie aus den Trauben Wein gemacht wird, wenn du möchtest.
Ich lade dich ein, mich dabei zu unterstützen."
„Das würde mich sehr freuen, Herr. Also macht Ihr den Wein selbst?" dankte sie Andros strahlend.
Andros nickte. „Ja. Aber natürlich bekomme ich Hilfe. Ganz alleine ist es nicht zu schaffen... . Aber die Kelterei ist meine Leidenschaft. Genauso wie die Pferdezucht Raphaels Leidenschaft ist."
Fasziniert nickte Finya und sah dann zu den Anderen. Andros nickte ihr freundlich zu. „Geh zu deinen Freunden, wir werden bald wieder aufbrechen..."
Mit einer Verneigung kehrte Finya zu ihren Freunden zurück, um mit ihnen die Trauben zu teilen
Eine Weile später, als sich die ungeübten Reiter ausreichend die Beine vertreten hatten, gab Andros erneut das Zeichen zum Aufsitzen.
Dieses Mal ging es seitlich an den Weinbergen zur Küste hinunter und am Strand entlang.
Das Meer schien an diesem Tag recht aufgewühlt, die Wellen krachten mit Gewalt gegen die Felsen am Strand und ließen die Gischt sprühen.
„...wie ihr seht, eignet sich dieser Bereich nicht wirklich, um hier ins Wasser zu gehen." erklärte Andros.
Erst ein gutes Stück weiter, als sie schon fast wieder vor dem Haus waren, schien sich das Meer zu beruhigen.
Die Felsen wurden weniger und machten Platz für Sand.
„Hier könnt ihr, wenn ihr wollt, ins Wasser gehen." erklärte Andros auch sogleich. „Das Meer fällt hier nur sehr sanft ab. Das Wasser ist also ruhig und flach."
Besonders Taro strahlte bei dieser Aussicht und wäre am liebsten sofort vom Pferd gesprungen. Ein tadelnder Blick von Dimitri ließ ihn jedoch sofort inne halten. „Ich gehe später mit dir an den Strand, Taro." versprach er.
Sie ritten am Haus vorbei und vor ihnen taten sich weite Wiesen und Felder auf. Überall, so weit man sehen konnte, liefen Pferde frei herum.
Fasziniert legte sich Finyas Blick auf eine kleine Stute, die im Schatten eines Baumes am Boden lag.
Sie war komplett schwarz. Lediglich an der Stirn hatte sie eine weiße Blesse in der Form einer Träne.
Raphael folgte Finyas Blick und schmunzelte. „Das ist eine meiner jüngsten Stuten..." erklärte er. „Gerade erst dem Fohlenalter entwachsen."
Finya lächelte. „Sie ist wunderschön."
Raphael nickte Finya zu, abzusteigen und schnalzte mit der Zunge. Gemächlich erhob sich die Stute, lief elegant auf ihn zu und ließ sich von ihm den Hals streicheln.
Finya trat vorsichtig einen Schritt nach vorne und tat es ihm behutsam gleich. „...ihr Fell ist so weich..."
Die Stute rieb sanft ihren Kopf an Finya.
Raphael lachte leise. „Sie mag dich...du kannst sie jederzeit besuchen, solange du hier bist." bot er ihr an.
„Hat sie einen Namen?" fragte Finya neugierig nach.
Raphael nickte. „Sie heißt Andala."
„Ein wirklich schöner Name für ein schönes Tier." erwiderte Finya strahlend.
Raphael lachte leise und gab dem Tier einen leichten Klaps, der die Stute wieder wegschickte.
„Andala heißt ja auch ‚Schönheit' in deiner Sprache..."
Schließlich kam die Gruppe wieder im Innenhof des Hauses an und Finya glitt erleichtert aus dem Sattel, verzog dabei leicht das Gesicht.
Andros lachte leise. „...du wirst dich daran gewöhnen, wenn du öfter reitest." versprach er ihr und Finya senkte leicht den Kopf. „Ja, Herr."
Aaron trat neben sie und strich ihr über den verspannten Rücken. „...vielleicht sollte ich dir wirklich das Reiten beibringen. Die Zeit hier würde sich dafür anbieten."
Finya stöhnte leise, als sie an ihren schmerzenden Hintern dachte. Gleichzeitig strahlte sie jedoch bei der Aussicht, etwas Neues lernen zu dürfen.
Aaron musterte sie und grinste. „Ab morgen wirst du reiten lernen." entschied er und nickte der strahlenden Finya zu.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt