Zwei Wochen später herrschte geschäftiges Treiben auf dem Innenhof der Burg.
Aaron stand auf dem Balkon seines Schlafzimmers, verborgen durch den dichten wilden Wein und beobachtete die Vorgänge auf dem Burghof.
Zufrieden lag sein Blick auf Jaro, der eine schwere Kiste nach der anderen auf die Kutsche lud und sicherte.
Sehr bald schon hatte er seinem Gefangenen Aufgaben außerhalb der Zelle zugeteilt und es hatte nicht einen Moment gegeben, in dem er diese Entscheidung bereut hatte.
Was auch immer er Jaro auftrug, wurde von diesem zuverlässig und ohne zu zögern erledigt.
Schließlich war auch die letzte Kiste gesichert und Jaro trat abwartend und mit gesenktem Kopf zur Seite.
Aaron seufzte. Obwohl er Jaro diese zweite Chance gegeben hatte, wirkte der Mann nach wie vor traurig und niedergeschlagen. Nun...in gewisser Weise konnte er es verstehen, machte sich Jaro doch selbst die größten Vorwürfe für sein fehlerhaftes Handeln in der Vergangenheit.
Dennoch war Jaro bereits jetzt auf dem besten Weg, sich Aarons Vertrauen wieder zu erkämpfen.
Die ganzen letzten Tage hatte Aaron gegrübelt, wie er mit Jaro weiter verfahren sollte - besonders in Bezug auf seine baldige Reise.
Immer wieder hatte er ihn heimlich beobachtet und stets war er zufrieden mit Jaros Verhalten gewesen.
Egal worum es ging: Jaro war allen und jedem gegenüber respektvoll, erledigte die ihm aufgetragenen Arbeiten zuverlässig und ohne zu zögern und hielt sich auch sonst genauestens an alle Regeln, die ihm auferlegt worden waren.
Aaron atmete tief durch und nickte dann, mehr zu zu sich selbst. Er hatte soeben seine Entscheidung getroffen.
Er hoffte nicht nur, sondern er bezweifelte nicht einmal, dass Jaro sich auch dieses Mal als zuverlässig zeigen und die Situation nicht ausnutzen würde.
Langsam drehte Aaron sich zu seiner Sklavin um, die gerade damit beschäftigt war, das große Bett neu zu beziehen.
„Finya...?"
„Ja, Aaron?"
Aaron lächelte sacht. Noch immer viel zu selten für seinen Geschmack verwendete Finya seinen Vornamen.
Allerdings rechnete er es ihr hoch an, dass sie ein sehr gutes Gespür hatte, wann diese Anrede angebracht war, und wann nicht.
„Lauf bitte in den Burghof und schick Jaro in mein Büro."
Finya nickte nur und verließ das Schlafzimmer.
Nachdenklich verließ Aaron seinen Balkon. Dass er Finya direkt mit Jaro in Kontakt treten ließ und dabei nicht einmal ein schlechtes Gefühl hatte, zeigte ihm einmal mehr, dass sein Entschluss so falsch nicht sein konnte.
Hatte er anfangs jeglichen Kontakt zwischen Finya und Jaro unterbunden, weil er fürchtete, dieser könnte seiner Sklavin etwas antun, so war diese Sorge inzwischen gänzlich verschwunden.Kurz darauf betrat Finya den Burghof und trat direkt auf Jaro zu.
„Jaro...?" wandte sie sich an ihn. „Mein Herr, König Aaron, möchte Euch in seinem Büro sprechen." erklärte sie.
Jaro zuckte sichtlich zusammen und wurde etwas blasser. Dann verneigte er sich jedoch leicht vor Finya.
„Dann sollte ich meinen König nicht unnötig warten lassen..." erwiderte er mit leicht zittriger Stimme und schluckte schwer.
Seit er sein Urteil erfahren hatte, hatte er den König nicht mehr persönlich getroffen.
Was konnte sein Herrscher nur von ihm wollen?
Nervös spielte Jaro mit den Fingern. Hatte er sich vielleicht wider aller Bemühungen etwas zu schulden kommen lassen?
Bei all seinen Überlegungen merkte Jaro nicht einmal, dass Finya bereits losgegangen war.
Rasch schloss er zu ihr auf und stand kurz darauf vor Aarons Büro.
Finya klopfte, öffnete kurz darauf die Türe und ließ Jaro eintreten.
Während sie selbst die Türe wieder schloss und neben ihrem Herren auf die Knie ging, trat Jaro unsicher vor den Schreibtisch und beugte mit gesenktem Kopf das Knie.
„Ihr wolltet mich sprechen, Hoheit?"
Nachdenklich musterte Aaron den Mann. Deutlich erkannte er die Zeichen der Furcht in Jaros Verhalten.
„Steh auf und setz dich, Jaro." forderte er ihn ruhig auf.
Er wartete, bis der Mann saß und ihn unsicher anblickte, nickte ihm zu.
„Was fürchtest du, Jaro?"
Jaro schluckte und biss sich auf die Unterlippe.
„Ich fürchte, Euch unwillentlich enttäuscht zu haben, Hoheit." gab er dann offen zu und senkte den Blick.
Aaron lachte leise.
„Ich kann deine Befürchtungen zerstreuen. Wenn du mich enttäuscht hättest, wärst du längst wieder dauerhaft im Kerker eingesperrt." erklärte er dann.
„...das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Ich bin sehr zufrieden mit dir und deinem Verhalten."
Für einen Moment ließ Aaron die Worte wirken.
Jaro hob erneut den Blick und sah den König fast schon ungläubig an.
Wie zur Bestätigung nickte Aaron.
„Du bist zuverlässig und höflich, du erledigst jegliche Aufgaben ohne Murren." kurz zögerte Aaron, bevor er weiter sprach. „...du bist auf dem besten Weg, mein Vertrauen wieder zu erlangen."
Mit großen Augen sah Jaro seinen König an und verneigte sich respektvoll.
„Das ist auch der Grund, warum ich dir entgegen meines ursprünglichen Plans mehr Freiheiten, verbunden mit der Möglichkeit, dich zu beweisen, geben werde.
Ungläubig lehnte sich Jaro leicht nach vorne, unfähig, etwas zu sagen.
„Du weißt bereits, dass ich mich auf eine längere Reise begeben werde. Deshalb hast du schließlich heute die Kutsche beladen." ergriff Aaron erneut das Wort.
„Begleiten werden mich dabei meine Garde, sowie Finya, Rebecca und Taro." fuhr er fort.
„Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden, dich ebenfalls mit auf die Reise zu nehmen. Vorerst natürlich nicht als Wache. Allerdings kann ich zwei tatkräftig anpackende Hände auf dieser Reise gut gebrauchen"
Stumm blickte Jaro Aaron an und nickte langsam.
Wie in Zeitlupe erhob er sich und sank vor dem König auf beide Knie.
„Ich danke Euch, Hoheit, für diese Chance. Ich werde mein Bestes geben, Euch nicht zu enttäuschen." erklärte er aufrichtig.
Aaron nickte ihm ruhig zu. „Wir reisen in zwei Wochen ab. Solltest du für die Reise noch etwas benötigen - Kleidung oder dergleichen - teile es Victor mit. Er wird sich darum kümmern, dass du entsprechend ausgestattet bist."
Erneut neigte Jaro den Kopf. „Das werde ich, Hoheit."
Aaron nickte zufrieden. „Hast du gerade noch weitere Aufgaben? Wenn nicht, kannst du in deine Zelle zurück kehren."
Langsam erhob sich Jaro. „Ich werde in meine Zelle zurück kehren." bestätigte er und verneigte sich ein letztes Mal, bevor der den Raum verließ.
Nachdenklich lehnte Aaron sich zurück, kaum, dass die Türe sich hinter Jaro geschlossen hatte.
Finya berührte ihren Herren sacht am Bein.
„Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen, Herr."
Aaron nickte nur. „Das hoffe ich. Aber wie es scheint, muss Jaro sich nicht nur mein Vertrauen wieder verdienen, er muss auch lernen, mir zu vertrauen."
Finya nickte. „Das denke ich auch. Vielleicht kann die Reise dabei auch helfen."
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Finya 3
VampireTeil 3 meiner Finya Reihe. Auch hier gilt: Bitte zuerst die anderen Teile lesen. Wie bei Teil 2 sind die Kapitel fortlaufend nummeriert. Imperator Aegir ist tot und stellt keine Gefahr für Finya mehr da. Dennoch muss sich Finya den Geistern ihrer...