131

107 8 0
                                    

Erneut teilte die Garde sich auf. Dieses Mal suchten sie jedoch nicht nach Finya selbst, sondern nach Orten, wo sie hingegangen sein könnte.
Es dauerte nicht lange, bis Kjell mit seiner Gruppe auf einen kleinen Bachlauf stieß.
Das Wasser hatte über die Jahrhunderte eine Rinne in den Fels gegraben und floss fröhlich gluckernd durch diese Rinne und über kleinere Felsen, die im Weg lagen.
Erleichtert atmete Kjell auf, nahm die Hände an den Mund und hob den Blick zum Himmel.
Kurz darauf schallte der Ruf eines Falken durch die Lüfte.
Arvid lachte leise, als der Ruf wenig später erwidert wurde - dieses Mal jedoch von einem echten Falken.
Keine Minute später stand die restliche Garde neben Arvid, Kjell und Jonas.
Dimitri nickte zufrieden. „Dann gehen ab jetzt wieder Jonas und Jaro voraus."
Jaro nickte bestätigend. Zufrieden registrierte Eric, dass der Mann deutlich positiver gestimmt war, als auf der ganzen bisherigen Reise. 
Ruhig trat er neben Jaro und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Du leistest gerade sehr gute Arbeit. König Aaron wird zufrieden mit dir sein. Dein Verhalten heute wird entscheidend dazu beitragen, deine...Situation...zu verbessern."
Jaro nickte erneut. „...das ist aber nicht der Grund, warum ich es tue, Eric." erwiderte er ernst.
Sanft drückte Eric Jaros Schulter. „Das weiß ich, Jaro. Andernfalls hätte ich dich nicht mitgenommen. Und jetzt los. Finden wir Finya."
Mit neuer Motivation trat Jaro neben Jonas und ging mit ihm voraus.
„...wenn Finya hier entlang gegangen ist, werde ich bald Spuren finden. In diesem Boden muss sie welche hinterlassen haben..." erklärte er und wies mit der Hand auf den teils erdigen Boden, der vom nahen Bachlauf feucht war.
Schließlich stoppten beide Männer gleichzeitig und hoben den Blick, wiesen mit den Händen jedoch in unterschiedliche Richtungen.
Kjell grinste. „Da haben wohl unsere beiden Spürhunde beide einen Hinweis entdeckt..."
Dimitri seufzte leicht. So gern er die fröhliche Art von Kjell schätzte, wünschte er in manchen Situationen doch, dass sein Kamerad bei Einsätzen etwas ernster bleiben könnte.
„Jaro...?" wandte er sich zunächst fragend an den Fährtensucher.
Dieser wies, wie zuvor, auf einen kleinen, nassen Fußabdruck auf dem von der Sonne noch warmen Felsen. 
„Finya muss hier entlang gegangen sein. Und das vor nicht gar zu langer Zeit. Der Abdruck ist noch nicht gänzlich abgetrocknet."
Prüfend blickten Dimitri und Eric auf den Boden, wo gerade in diesem Moment die letzten Spuren von Finyas Fußabdruck verschwanden, als sie auf dem warmen Stein trockneten und nickten.
„..da waren wir wohl gerade noch rechtzeitig..."
Fragend wanderte Dimitris Blick zu seinem Ogun. „Jonas...?"
„Ich denke, wir müssen zur Quelle hinauf..Ich kann nicht sagen, was es ist, aber irgend etwas habe ich...gemerkt.."
Dimitri nickte nur, fragte nicht weiter nach. Er vertraute Jonas Fähigkeiten, musste sie aber nicht verstehen können.
Auch Eric nickte. „...dann also auf zur Quelle, solange wir noch genug Licht haben..." forderte er die anderen auf und blickte in Richtung Sonne, die in diesem Moment den Horizont berührte.
„...wenn wir Glück haben, finden wir Finya dort. Ansonsten werden wir die Nacht dort verbringen müssen..."

In der Höhle war es zwar wärmer als erwartet, dennoch fröstelte Finya bald leicht.
Leise stand sie auf und ging näher auf den Eingang zu, um sich dort an den Felsen zu lehnen, der von der Sonne aufgewärmt war.
Raphael sah sie prüfend an und hob leicht die Augenbraue.
Finya lächelte. „Jetzt ist es wie im Herbst. Ich sitze in einer Höhle und warte auf die Garde, während mir immer kälter wird...Wenn sie nicht bald kommen, muss ich mein Versprechen an Aaron einlösen, und zurück kehren."
Raphael schmunzelte und legte seinen Finger an die Lippen.
„Du kannst hier warten. Die Garde wird in einigen Minuten hier sein. Es sollte nicht mehr lange dauern.", erklärte er ihr leise und gab Finya ein Zeichen, weiter in die Höhle zu kommen. „Sie müssen dich ja nicht gleich sehen..."
Finya schmunzelte, setzte sich neben Raphael auf den Boden und zog die Beine an den Körper.

Zügig stieg die Garde den Berg hinauf, der Quelle entgegen. Noch immer ging Jonas voraus, doch auch so waren sich alle sicher, Finya an der Quelle zu finden.
Plötzlich blieb Jonas erneut stehen, drehte sich um und legte den Finger an die Lippen.
„Ich habe etwas gehört...es klang, als ob Finya mit jemandem sprechen würde...aber nur kurz und ganz leise.." erklärte er seinen Kameraden flüsternd.
Sofort spannten sich Dimitri und Eric an. Hatten sie sich etwa doch getäuscht und Finya war nicht „geflohen", sondern entführt worden? Aber wer hier auf der Insel würde das wagen? Es hatte kein weiteres Schiff angelegt und keiner von ihnen traute es einem von Andros Leuten zu.
Dimitri gab einige Zeichen und sofort teilte die Garde sich auf, um sich geduckt und von verschiedenen Seiten der Quelle zu nähern.
Eric griff ruhig nach Jaros Arm. „Ab jetzt bleibst du, wie Aaron es gefordert hat, an meiner Seite." forderte er leise und Jaro nickte.
Einige Minuten später konnten sie die Quelle bereits sehen. Gleichzeitig konnten sie Finyas ruhigen und entspannten Herzschlag hören. Dimitri und Eric entspannten sich sichtlich. Egal was war, Finya schien es zumindest soweit gut zu gehen.
Lautlos schlich die Garde näher an die Quelle heran, bis Jonas erneut die Hand hob und Dimitri ein Zeichen gab.
Erleichtert atmete Dimitri auf. Finya war definitiv in der Höhle, aus der die Quelle entsprang. Allerdings war ein anderer Mann, ein Vampir, bei ihr.
Erneut gab Dimitri der Garde, die alle hochkonzentriert auf ihre Befehle warteten, ein Zeichen.
Sofort verteilten die Männer sich rund um die Felsformation herum, wobei sich Gregori und Kjell rechts und links der Felsspalte postierten und Jaro dicht neben Eric blieb. Die anderen nahmen wie von selbst strategisch günstige Positionen ein. Keiner wollte etwas dem Zufall überlassen.
Noch schien es Finya gut zu gehen und keiner wollte, dass sich etwas daran änderte.
Allerdings blieb ihnen nicht mehr viel Zeit, denn die Sonne schien gerade im Meer zu versinken und bereits jetzt hatte die Dämmerung eingesetzt. In wenigen Minuten würde es dunkel sein.
Mit etwas Abstand stellte Dimitri sich direkt vor die Felsspalte. Kurz zögerte er. Irgend etwas war seltsam. Aber er konnte nicht sagen was. Irgend etwas übersah er...
Ein seltsames Gefühl machte sich in seiner Brust breit...
„Wer auch immer Ihr seid...Lasst Finya gehen, kommt heraus und stellt Euch. Ihr seid umstellt." forderte er den Vampir im Inneren der Höhle auf.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt