135

114 10 0
                                    

Nach dem Mittagessen bauten Sklaven große Wannen im Innenhof auf und füllten die geernteten Trauben hinein.
Neugierig beobachtete Finya die Vorgänge, doch dieses Mal erschrak sie nicht, als Andros plötzlich neben ihr stand.
„Sie bereiten den nächsten Schritt der Weinherstellung vor..." erklang auf einmal Andros Stimme neben ihr. „Jetzt, wo die Trauben geerntet sind, brauchen wir den Saft..."
Schmunzelnd schob er Finya zum Brunnen.
„Ich hatte dir doch versprochen, dass du helfen darfst...Zieh deine Schuhe aus und wasch deine Füße.
Erst jetzt sah Finya, dass neben dem Brunnen einige hölzerne Sandalen standen.
Sorgfältig wusch sie ihre Füße und zog dann ein paar der Sandalen an.
Andros nickte zufrieden und führte sie zu einem der Bottiche, in dem bereits einige der Sklaven standen.
Mit etwas Hilfe stieg Finya ebenfalls hinein. „Und jetzt einfach stampfen..." erklärte Andros.
Finya blickte ihn skeptisch an als kurz darauf der Saft zwischen ihren Zehen hervor quoll, doch Andros nickte ihr lediglich aufmunternd zu.
Finya hatte schon eine ganze Weile die Trauben zu Saft zerstampft, als sie plötzlich erschrocken zusammen zuckte und beinahe das Gleichgewicht verlor.
Schnell griffen die Hände, die ihr zuvor auf die Schulter getippt hatten, an ihre Hüften und fingen sie auf.
„Warum so schreckhaft, Finya?" grinste Kjell hinter ihr.
Überrascht drehte Finya sich um. Kjell hatte seine Hosenbeine hochgekrempelt und ebenfalls begonnen, die Trauben zu stampfen.
Finya lachte amüsiert auf, als sie auch die restliche Garde erblickte, die alle mit hochgekrempelten Hosen vor dem Bottich standen und nacheinander hinein stiegen. Gerade half Eric Rebecca hinein, während Gregori Taro in die Wanne hob.
Finyas Blick wanderte über die Garde...einer schien zu fehlen...
Langsam glitt ihr Blick über das Haus und sie lächelte, denn soeben führte ein grinsender Dimitri einen sichtlich verlegenen Jaro zum Brunnen.
Kurz darauf waren auch diese beiden in den Bottich gestiegen um mitzuhelfen.
Je länger Jaro die Trauben stampfte, desto gelöster schien er zu werden. Zum ersten Mal seit langem erlaubte er es sich, Spaß zu haben.
Finya lächelte zufrieden. Sie wusste zwar nicht, was genau Aaron, Dimitri und Jaro besprochen hatten, aber sowohl ihr Herr, als auch Jaro wirkten seit dem Gespräch deutlich ausgeglichener.
Eine ganze Weile später trat Andros an den Bottich heran und warf einen prüfenden Blick hinein. „Das reicht. Die Trauben sind ausreichend gestampft."
„Schade..." schmollte Taro. „Ausgerechnet jetzt, wo es am meisten Spaß macht..."
Amüsiert lachte Andros auf und winkte Taro zu sich. „Komm her, mein Junge..."
Kaum, dass Taro vor ihm stand hob er den Jungen aus dem Bottich, trug ihn zu einem der anderen Bottiche und stellte ihn hinein. „Wenn es dir so viel Spaß macht, kannst du gerne hier weiter machen. Meine Leute können hier bestimmt noch etwas Hilfe gebrauchen.
Taro begann zu strahlen und begann sofort wieder, durch den Bottich zu stampfen.

Unterdessen hatte Finya ihre Füße gewaschen und ihre Schuhe wieder angezogen.
Suchend drehte sie sich nach Aaron um, der unter einem Baum im Schatten des Hauses saß.
„Ich würde gerne noch ein bisschen auf die Weide gehen, Herr..."
Aaron seufzte leicht, nickte dann aber. Nur ungern ließ er Finya aus seiner Nähe, doch hier, auf der Insel seines Vaters, wollte er ihr so viele Freiheiten wie möglich geben.
„Dann Lauf, Finya..."
Lächelnd verneigte sich Finya und lief davon.
Erst an ihrem Lieblingsplatz, einem Olivenbaum mitten auf der Weide, blieb sie stehen.
Rund um den Baum herum lief eine schlichte Holzbank.
Den Blick zum Ende der Weide gerichtet ließ Finya sich darauf nieder, den Rücken an den warmen, knorrigen Stamm gelehnt.
Sie musste nicht lange warten. Finya lächelte. Ohne, dass sie nach ihr gerufen hatte, trabte eine schwarze Stute mit einer weißen Blesse heran. Erst dicht vor Finya kam das Tier zum stehen, senkte den Kopf und rieb diesen sacht an Finyas Schulter.
Noch immer selig lächelnd schlang Finya die Arme um den Hals des Tieres und schmiegte sich an Andalas Hals.
Auf einmal ging die Stute vor Finya in die Knie.
Erstaunt hob Finya den Kopf, stand auf und strich sanft über Andalas Fell.
„Sie lädt dich ein, aufzusteigen..."
Ruckartig drehte Finya sich um. Hinter ihr stand Raphael, der nun ebenfalls neben die Stute trat und ihr sanft den Hals tätschelte.
Finya runzelte skeptisch die Stirn. Ihr Blick wanderte zum Haus. Dort, auf der steinernen Bank, saß ihr Herr. Er schien zu lächeln und nickte Finya aufmunternd zu.
Strahlend wandte Finya sich wieder um und stieg auf die Bank.  Dann griff sie in die Mähne des Pferdes und stieg auf dessen Rücken.
Langsam und behutsam stand die Stute auf und während Finya ihren Kopf erneut an den Hals des Tieres schmiegte, lief Andala bereits los.

Erst eine ganze Weile später kam die Stute vor der steinernen Bank zum Stehen.
Strahlend ließ Finya sich von ihrem Herren von Andalas Rücken heben.
Selbst, als sie längst auf dem Boden stand, lagen Finyas Hände noch um Aaron's Hals und sie zog ihn zaghaft an sich. „Ich danke Euch, Aaron, für diese Reise. Ich hätte mir nie träumen lassen, noch so viel in meinem Leben zu erleben."
Aaron schmunzelte und ließ es zu, dass Finya sich wieder von ihm löste. „Du wirst noch viel mehr erleben, Finya." versprach er. „Und jetzt, wo du reiten kannst, werden wir bestimmt des Öfteren gemeinsame Ausflüge machen. Du brauchst also nicht mehr Kjells Spiel, um die Burg zu verlassen.
Finya nickte, wirkte aber nachdenklich. Sofort blickte Aaron sie prüfend an. „Was hast du, Finya?"
Finya lächelte. „Ja, ich bin gerne außerhalb der Burg. Ich mag das Gefühl von Freiheit. Aber dafür muss ich die Burg nicht mehr verlassen. Dieses Gefühl gebt Ihr mir auch so, innerhalb der Burg."
Zufrieden legte Aaron seine Hand auf Finyas Schulter. „Wir werden dennoch Ausflüge machen." entschied er.
„Aber jetzt komm. Mein Vater hat bereits das Abendessen richten lassen.
Ein letztes Mal strich Finya über Andalas Hals und schickte die Stute dann fort, bevor sie ihrem Herren zum Abendessen folgte.
Die Tische waren bereits gedeckt. Alle schienen nur noch auf Aaron und Finya zu warten.
Wie an jedem Tag gab es ein Festmahl an leichten Speisen.
Als Finya und Aaron schließlichPlatz genommen hatten, hob Andros seinen Kelch.
„Die Trauben sind gekeltert. Lasst uns heute den Saft genießen, aus dem unser nächster Wein entstehen wird. „
Erst jetzt merkte Finya, dass an den Tischen an diesem Tag kein Wein, sondern frischer Traubensaft stand.
Lächelnd hob auch sie ihren Kelch und probierte den süßen Saft.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt