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Finya verharrte, den Fenstergriff noch immer in der Hand. Nur noch ein kleines Stück müsste sie ihn weiterdrehen, doch sie zögerte.
Den Vormittag über war ihr Herr seltsam schwermütig gewesen. Erst nach dem Essen hatte sich seine Stimmung etwas gehoben.
War es wirklich eine gute Idee, ausgerechnet heute das Spiel zu starten?
Finya schüttelte unwillig den Kopf. Entschlossen drehte sie den Fenstergriff wieder zurück in seine ursprüngliche Position und wandte sich ab. Nein. Heute würde sie nicht die Burg verlassen. Ihr Plan stand, sie konnte ihn an jedem anderen Tag in die Tat umsetzen.
Entschlossen ging sie auf die Türe zu, öffnete sie vorsichtig einen Spalt weit und lugte hinaus. Der Gang war leer. Schnell schlüpfte sie durch die Türe und schloss sie hinter sich, bevor sie sich auf den Weg in den Garten machte.
Sie war noch nicht ganz am Garten angekommen, als sie ihren Herren fluchen hörte.
Schnell lief sie weiter um die letzte Ecke und stand nur Augenblicke später vor der geöffneten Gartentüre
Gerade wollte Aaron ansetzen, nach seiner Garde zu rufen, als er Finya im Torbogen stehen sah.
Mit einigen raschen Schritten war er bei ihr und zog sie fast schon grob zu sich.
„Wo warst du, Finya?" fragte er ungewohnt streng.
Finya zuckte bei Aarons Griff leicht zusammen und sofort lockerte dieser seinen Griff um Finyas Arm.
„Ich...habe meinen Umhang geholt, Herr..." setzte Finya an, zögerte aber. „...und weiter...?"
Finya senkte betreten den Kopf. „Eigentlich wollte ich Kjells...Spiel...wieder aufnehmen..." erklärte sie leicht zerknirscht. „Aber dann ist mir wieder eingefallen, wie...schwermütig...Ihr heute Vormittag wart und ich habe mich dagegen entschieden." fuhr sie leise fort.
Aaron lächelte „Danke, Finya." erwiderte er nur. „Du warst mal wieder sehr aufmerksam. Ich hatte schon befürchtet, dass du die Burg verlassen wolltest und dachte, ich würde zu spät komme. Und du hast Recht: Heute wäre es mir wirklich nicht recht gewesen."
Erleichtert atmete Finya auf.
„Kommt zu mir..." wandte sich Aaron schließlich an Rebecca und Taro.
Sogleich kamen die beiden zu ihrem Herren und wollten auf die Knie sinken, doch Aaron hielt sie mit einer einfachen Geste davon ab. „Ich möchte, dass ihr alle heute Abend zu mir in meine Wohnung zum Abend essen kommt." erklärte er und musste wider Willen leise lachen, als er die verblüfften Gesichter seiner Sklaven sah.
„Wir werden gemeinsam essen, denn ich habe euch etwas mitzuteilen." erklärte er weiter.
Ungläubig blickten Rebecca und Taro ihren Herren an, verneigten sich dann jedoch.
„Finya...du kommst bitte jetzt gleich mit mir mit.." wandte er sich an Finya.
„Wir müssen in die Schmiede..." erklärte Aaron, kaum, dass sie in der Eingangshalle angekommen waren.
„Yorick muss etwas für mich herstellen und du sollst mich beraten."
Überrascht nickte Finya.
Aaron seufzte leise. „Du weißt, dass du jederzeit nachfragen kannst, wenn du etwas wissen möchtest, Finya." sprach er mit einem leichten Tadel in der Stimme.
Finya nickte. „Was soll Yorick anfertigen, Herr?"
„Nun....Taro ist der einzige meiner persönlichen Sklaven, der noch nicht mein Zeichen trägt." erklärte Aaron.
„Ich möchte, dass Yorick für Taro Armbänder anfertigt. Für was genau, werde ich dir aber noch nicht sagen." fuhr Aaron fort und beugte so gleichzeitig weiteren Frage von Finya vor.
Finya nickte. „Ich würde Euch für ihn Armbänder empfehlen, wie Ihr sie für Rebecca habt anfertigen lassen. Sie dürften für ihn angenehmer zu tragen sein als Reifen aus Metall."
Aaron schmunzelte. Kurz darauf standen sie vor Yorick und besprachen alles nötige mit dem gutmütigen Schmied.
Nachdenklich nickte Yorick schließlich. „Wenn es wirklich nur um einfache, verzierte Lederbänder geht, sind sie bis heute Abend fertig, Hoheit. Finya kann sie vor dem Abendessen abholen."
Aaron nickte erfreut.
Bald darauf stand Aaron mit Finya wieder in seiner Wohnung.
„JETZT werde ich dir erklären, worum es geht, Finya." begann er und wies auf das Sofa, während er selbst zwei Kelche mit Wein vorbereitete.
Finya beobachtete ihn, wie er die Flasche öffnete und die Kelche füllte und nahm schließlich dankend ihren Kelch von ihm entgegen.
Aaron selbst setzte sich Finya gegenüber in einen Sessel.
Entspannt lehnte er sich zurück und schlug die Beine übereinander.
„Du weißt noch, worüber wir heute morgen gesprochen haben...dass die letzte Zeit sehr viel los war und wir kaum zur Ruhe gekommen sind..." begann Aaron schließlich.
Finya nickte nur. „Ich habe über deine Idee nachgedacht...ich werde meinen Bruder bitten, mich eine Zeit lang zu vertreten." fuhr er dann fort.
„Deswegen wird er auch dieses Wochenende zu Besuch kommen." erneut nickte Finya und lächelte. Inzwischen hatte sie auch die Angst vor Fürst Silas längst abgelegt. Nachdenklich sah sie zu ihrem Herren.
„Vielleicht erfahre ich ja von ihm, wie es Ichiro geht..." erwiderte sie hoffnungsvoll.
Aaron schmunzelte. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er den Jungen sogar mitbringt."
„Das wäre schön."
Aaron nickte und trank einen Schluck Wein.
„Aber weiter..." ergriff er dann wieder das Wort. „In einem Monat werden wir abreisen. Es wird eine größere Reise werden, daher die längere Vorbereitungszeit." erklärte er. „Und dieses Mal werden Rebecca und Taro uns begleiten. Deswegen die Armbänder für Taro."
Überrascht sah Finya ihren Herren an. „Das wird die beiden sicherlich freuen. Wollt Ihr deswegen mit uns allen zu Abend essen? Um es ihnen zu sagen?"
Aaron schmunzelte. „Genau das ist der Grund. Du wirst die nächste Zeit viel zu tun haben, Finya. Rebecca und Taro werden dir helfen. Es muss einiges gepackt werden. Wir werden das meiste Gepäck mit einer früheren Kutsche voraus schicken."
„Und wo werden wir hinreisen?"
Aaron schmunzelte. „Wir werden meinen Vater besuchen."
„Euren Vater?" wiederholte Finya sichtlich überrascht."
Aaron nickte bestätigend. „Meinen Vater und seine erste Wache - Dimitri's Vater."
Verblüfft stellte Finya ihren Kelch ab und schüttelte leicht den Kopf.
Aaron lachte amüsiert auf. „Was hast du, meine kleine Sklavin?"
„...jetzt bin ich schon über ein Jahr bei Euch und weiß immer noch so wenig. Weder wusste ich etwas über euren Vater, noch, wer Dimitris Vater ist..."
Aaron lächelte. „Mein Vater war lange Jahre der König dieses Landes. Er hat mich alles gelehrt. Und eines Tages ist er zurück getreten und ich bin König geworden. Was Dimitri und Raphael verbindet....das sollte dir Dimitri am Besten selbst erzählen."
Verwirrt blickte Finya ihren Herren an, nickte aber. Schon bald würde sie beide Väter kennen lernen. Dann würde sich Aarons kryptische Aussage vielleicht sogar von alleine klären.
Aaron leerte seinen Kelch und stellte ihn zur Seite. „Aber jetzt wird es Zeit, das Abendessen vorzubereiten.
Deck bitte den Tisch. Die Garde wird auch dabei sein. Es wird etwas eng werden, aber es sollte gehen."

Finya wollte gerade anfangen, den Tisch zu decken, als sie stockte.
Fragend legte Aaron lediglich den Kopf schief.
„Ihr habt gesagt, wir wären länger unterwegs..."
„Ja, das sagte ich, Finya."
„Was wird in dieser Zeit mit Jaro sein?"
Aaron runzelte die Stirn. „Was soll mit ihm sein? Er sitzt im Kerker und erhält Aufgaben."
Finya nickte. „Ja, das schon. Aber Ihr wolltet ihm unter Umständen andere Aufgaben zuteilen. Und...solltet Ihr ihn irgendwann doch wieder als Wache einsetzen wollen, wäre es doch nicht förderlich, ihn über Wochen hinweg in einer kleinen Zelle eingesperrt zu lassen."
Nachdenklich rieb sich Aaron über das Kinn. „Das ist ein Punkt. Ich werde darüber nachdenken und die Sache mit Dimitri besprechen."

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt