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Unruhig schritt Aaron auf und ab, bis Andros sich ihm schließlich in den Weg stellte.
„Reiß dich zusammen, Aaron." fuhr er ihn streng an. „So findest du Finya auch nicht schneller..."
„Vom hier warten aber auch nicht, Vater."
Aaron knurrte, holte aus und erneut schoss seine Hand in Richtung eines Stützpfeilers.
Erst knapp vor dem Aufprall wurde Aaron's Hand von Andros abgefangen.
„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mein Haus stehen lässt, Aaron." wandte Andros sich trocken an seinen Sohn.
Mit einem Seufzen ließ Aaron die Hand sinken.
„Tut mir Leid, Vater."
„Komm mit..." forderte Andros Aaron auf, legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes und führte ihn ein Stück vom Haus weg.
Widerwillig ließ sich Aaron von seinem Vater wegführen.
Andros schritt direkt auf eine Bank zu, die im Schatten eines Olivenbaums stand. Andros drückte Aaron auf die Sitzfläche der steinernen Bank.
„Und jetzt beruhigst du dich erst einmal, mein Sohn. Finya geht es gut. Dessen bin ich mir sicher." forderte er seinen Sohn auf.
„Ich verstehe, dass du aufgebracht bist und dir Sorgen machst. Aber du bist immer noch der König, Aaron. Du kannst nicht einfach Jaro beschuldigen, Finya etwas angetan zu haben. Welchen Grund sollte er überhaupt haben? Zumal du wusstest, dass er bei mir ist und bei der Ernte hilft." wusch Andros Aaron den Kopf.
„Von dir als König erwarte ich ein besonneneres und umsichtigeres Verhalten, auch wenn ich dich als Finyas Herrn verstehen kann."
Die ganze Zeit hatte Aaron starr aufs Meer geblickt. Nun wandte er jedoch den Kopf und blickte seinen Vater leicht zerknirscht an, doch noch immer war sein Gemüt nicht beruhigt. Wenn Finya an seiner Seite wäre....
Schnell verwarf Aaron diesen Gedanken wieder. Er würde zu nichts führen.
Andros seufzte, als er seinen Sohn so sah.
„Du hast gute Männer in deiner Garde, sie werden Finya finden. Was soll Finya also geschehen..."
Erneut knurrte Aaron. Hatte er sich eben noch zumindest etwas beruhigt gehabt, war er nun mindestens so aufgewühlt wie zuvor.
„Du weißt selber am besten, wie unwegsam das Gelände auf der anderen Seite der Insel ist. Was, wenn Finya dorthin gegangen und abgestürzt ist?"
Andros seufzte erneut.
„Wie gesagt: ich bin mir sicher, dass es Finya gut geht."
Aaron knurrte. Seine Hand schloss sich um die steinerne Bank, bis diese bedenklich zu Knirschen begann.
„Aaron..." sprach Andros lediglich mahnend und Aaron löste fast schon ruckartig seinen Griff.
„Wie kannst du dir so sicher sein, dass es ihr gut geht?" brachte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
Andros schmunzelte sacht. „Weil sie nicht alleine ist, Aaron. Weil Raphael bei ihr ist."

Geschützt hinter einigen höheren Felsen legte Finya schließlich eine Pause ein und ließ sich vom Rücken des Pferdes gleiten.
Suchend blickte sie sich um und ging dann auf einige Sträucher zu, an denen Beeren wuchsen.
Diese Beeren kannte sie. Sie waren zwar sehr sauer, halfen aber, Hunger und Durst zu stillen.
„Hätte ich vorher gewusst, dass ich heute versuche zu ‚fliehen', hätte ich mir Proviant mitgenommen.
Raphael schmunzelte nur, griff in sein Hemd und holte einen Kanten frisches Brot und ein Stück Käse hervor. Beides reichte er Finya.
„Da ich mir schon dachte, dass du selbst an Proviant gedacht hättest, wenn ich dich nicht so überrumpelt hätte, habe ich für dich etwas eingepackt."
„Danke, Raphael."
Hungrig biss Finya von dem Brot und dem Käse ab, hob sich aber auch noch etwas für später auf.
„Darf ich Euch etwas fragen, Raphael?"
Raphael nickte nur. „Aaron meinte, Ihr wäret Dimitris Vater...Aber ihr seht Euch so gar nicht ähnlich..."
Raphael lächelte. „Das ist wahr. Ich bin auch nicht sein leiblicher Vater. Eher eine Art Ziehvater. Dimitri ist für mich wie ein Sohn. Ich kenne ihn, seit er ein kleines Kind war...Aber die ganze Geschichte sollte ich dir zusammen mit Dimitri erzählen."
Finya nickte und packte ihren Proviant weg.
„Ich sollte weiter..."
Raphael nickte.
„Du solltest diesen Weg nehmen...Dort drüben wird es zu uneben...Außerdem sollten wir Andala zurück lassen. Der Weg ist nicht länger geeignet für sie. Aber keine Sorge...sie wird den Weg zur Weide alleine finden.

Die Garde hatte sich unterdessen auf der großen Weide versammelt und suchte diese erneut nach Spuren ab.
„Der Boden ist einfach zu trocken, um zuverlässige Fußspuren zu liefern..." knurrte Gregori.
„Außerdem war Finya die letzten Tage viel zu oft hier...unmöglich zu sagen, welche Spuren von heute sind.", bestätigte Arvid knurrend.
Auf einmal sahen alle zu Jonas, als dieser in der Bewegung einzufrieren schien.
Dimitri trat neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Siehst du etwas, Jonas?"
Ohne sich umzuwenden, antwortete Jonas. „Ich bin mir nicht sicher...Aber von da hinten scheint ein Pferd zu kommen. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist es die Stute, in die Finya so vernarrt ist..."
Erstaunt blickte die ganze Garde in die angegebene Richtung. Kurz darauf konnten auch sie das Tier ausmachen.
Dimitri nickte bestätigend. „Du hattest Recht, Jonas..."
Jaro runzelte die Stirn.
„Was ist los, Jaro?" fragte Eric sogleich nach.
„Das Tier ist zwar ungesattelt...." setzte er an,
„Aber wie gut kann Finya inzwischen reiten?"
Sofort brach eine Diskussion unter den Gardemitgliedern aus, die jedoch genauso schnell wieder beendet war.
„Es wäre demnach unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass Finya geritten ist..." fasste Kjell zusammen.
Dimitri nickte. „Folgen wir den Hufspuren...andere Spuren haben wir ohnehin nicht."
Gemeinsam folgten sie den Spuren und kamen kurz darauf an dem Platz an, an dem Finya mit Raphael gesprochen hatte.
„Hier scheint Finya Rast gemacht zu haben..." Ivar deutete auf Finyas Spuren.
„Dahinter beginnt der verbotene Teil der Insel...dennoch führen die Spuren dorthin..." fuhr Andrej nachdenklich fort. „Aber warum ist Finya dorthin geritten? Warum ist sie überhaupt alleine geritten?"
Dimitri runzelte die Stirn, als ihm auf einmal ein Gedanke kam. Unauffällig blickte er zu Eric, der ebenso nachdenklich wirkte und ihn ebenfalls fragend ansah.
Langsam nickte Dimitri und Eric erwiderte die Geste.
Es war nur ein vager Verdacht, doch gerade deshalb würden sie ihn vorerst für sich behalten.
Statt dessen wandte Dimitri sich an die Garde. „Folgen wir den Spuren..."

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt