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Nachdem Finya, wie stets, den Haussklaven geholfen hatte, den Tisch abzuräumen, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Herren.
„Herr...?"
„Ja, Finya?"
„..ich würde gerne wieder zu den Pferden gehen..." brachte sie ihr Anliegen vor.
Aaron schmunzelte. „Ich nehme mal an, du meinst ein bestimmtes Pferd, meine kleine Sklavin..."
Finya lächelte. „Ja...ich meine Andala.."
„Das Tier scheint es dir angetan zu haben...Ich wusste nicht einmal, dass du so vernarrt in Pferde bist..."
Finya schmunzelte. „Das wusste ich bisher auch nicht..."
Aaron nickte und legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Na lauf schon...Aber wenn die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, kommst du zurück."
Finya nickte strahlend und machte sich auf den Weg.
Auch wenn der Weg länger dauerte als am ersten Tag, wo sie geritten war, war es nicht all zu weit.
Bereits wenige Minuten später sah sie die Stute elegant über die Wiese laufen.
„...Andala.." rief sie leise. Sofort spitzte das Tier seine Ohren und kam zum Stehen. „...Andala.." rief Finya erneut. Das Tier wieherte freudig, wandte sich um und lief auf Finya zu. Erst kurz vor der jungen Sklavin blieb die Stute stehen und grüßte Finya freudig.
Zärtlich strich Finya ihr über den Hals.
Auf einmal spürte sie einen leichten Luftzug neben sich und zuckte zusammen.
Urplötzlich stand Raphael neben ihr. Erschrocken blickte Finya auf und selbst Andala begann, leicht zu tänzeln.
Ruhig griff Raphael ihr in die Mähne. „Ruhig...meine Schöne..." beruhigte er das Tier.
„Entschuldige Finya...ich wollte dich nicht erschrecken..."
Finya nickte leicht und entspannte sich wieder. „...Andala scheint dich wirklich zu mögen. Sonst würde sie nicht so bereitwillig zu dir kommen."
Auf einmal blitzten Raphaels Augen auf. „Hast du Lust, auf ihr zu reiten? Ich bin mir sicher, dass sie es zulässt..."
Skeptisch und unsicher blickte Finya die alte Wache an. „Jetzt? Aber...ich hab ja gar keinen Sattel... Und...auch wenn ich jetzt jeden Tag Unterricht bekommen habe...." setzte sie an.
Raphael schmunzelte. „Ich werde schon auf dich aufpassen. Andernfalls würde Aaron mir den Kopf abreißen."
Finya wirkte immer noch nicht ganz überzeugt, doch da hatte Raphael sie bereits an der Hüfte gepackt und hochgehoben. Im nächsten Moment saß sie bereits auf dem Rücken der Stute, die nur kurz unruhig tänzelte, sich aber sofort von Raphael beruhigen ließ.
„Halt dich in der Mähne fest..." forderte Raphael auf und saß im nächsten Moment hinter Finya auf dem Rücken des Tieres.
Während Raphael mit der einen Hand um Finya herum griff und sie sicher fest hielt, griff er mit der anderen ebenfalls in die Mähne des Tieres.
Im nächsten Moment trieb er das Tier bereits an und lenkte es geschickt weiter weg vom Haus.
Hatte sich Finya im ersten Moment noch verkrampft, entspannte sie sich und fing schließlich sogar an, vor Freude zu jauchzen.
Raphael sah dies als Zeichen, das Tier weiter anzutreiben.
Erst, als sie den felsigen Teil der Insel erreicht hatten, lenkte Raphael das Tier zwischen die Felsen und auf einen kleinen, geschützten Platz.
Verwundert blickte Finya sich um.
„...wir machen hier Rast." erklärte Raphael schlicht, glitt vom Pferd und hob auch Finya herunter.
„...setzen wir uns, Finya..." erklärte er und wies auf einen größeren Felsblock.
Er wartete, bis Finya saß und blickte nachdenklich zu der jungen Frau.
„Andros hat mir von deinem kleinen...Spiel... erzählt." begann er unvermittelt.
Finya sah ihn an und es dämmerte ihr. „Deshalb seid Ihr mit mir hierher geritten..." stellte sie fest. „...damit wir ungestört darüber sprechen können."
Raphael schmunzelte. „Aaron hatte Recht damit, dass du eine kluge, junge Frau bist..." erwiderte er. „Aber ja. Hier können wir ungestört reden. Hast du dir schon überlegt, wann du los möchtest?"
Finya schüttelte den Kopf.
„Nein...noch nicht so genau..."
Nachdenklich blickte sie vor sich auf den Boden. „Ich könnte am Abend los. Das hätte den Vorteil, dass meine ‚Flucht' vermutlich erst am Morgen entdeckt wird und ich einen guten Vorsprung hätte...Allerdings kenne ich das Gelände hier kaum...würde mich also nur schwer zurecht finden."
Raphael hörte ihr aufmerksam zu und nickte leicht.
„Ich könnte auch nach dem Frühstück los....Aaron lässt mich meist bis zum Mittagessen tun, was ich möchte...
Ich hätte zwar weniger Vorsprung, könnte mich aber besser orientieren."
Erneut nickte Raphael, schmunzelte aber.
„...und warum nicht jetzt gleich?" fragte er unschuldig nach und grinste.
Mit großen Augen erwiderte Finya Raphaels Blick. „Jetzt?" fragte sie ungläubig.
Raphael nickte nur. „Du hast zwar nur wenig Vorsprung, aber mit Andala kannst du ihn ausbauen. Ich weiß, dass du bereits gut genug reiten kannst, um es zu schaffen. Und ansonsten bin ich auch noch da, damit dir nichts passiert."
„Aber ich habe doch gar nichts vorbereitet..." wandte Finya ein.
Raphael legte ihr die Hand auf die Schulter. „Eben deshalb ist es jetzt perfekt. Und auch Andros ist eingeweiht. Ich habe ihm gesagt, was ich vor habe..."
Finya runzelte die Stirn.
„Meint Ihr wirklich, ich kann meinem Herren das antun? Er wird....sich um mich sorgen.."
Nachdenklich nickte Raphael. „Ja, das wird er. Aber wenn er nachdenkt, wird er wissen, dass dir hier nichts passieren kann. Wir sind auf einer Insel. Vorne am Haus, ist die einzige Stelle, an der ein Boot anlegen kann. Es kann also kein Fremder auf der Insel sein."
Finya nickte zögerlich. „Aber was ist mit Jaro....Erst heute hat Aaron ihm gestattet, sich frei zu bewegen. Wenn ich jetzt verschwinde...Ich möchte nicht, dass Aaron ihn verdächtigt...Der Mann hat genug mitgemacht und Aaron beginnt gerade erst wieder, ihm Vertrauen entgegen zu bringen."
Überrascht hob Raphael die Augenbraue. „...du beweist wirklich Weitsicht, Finya. Aber du hast Recht. Wenn du weg bist und Jaro nicht sofort zu sehen ist, wird Aaron ihn beschuldigen...Und das könnte nicht gut für Jaro ausgehen..."
Prüfend hob Raphael den Blick zum Himmel. „Es ist noch ausreichend Zeit....warte hier auf mich, ich kümmere mich darum und bin gleich zurück."
Finya folgte Raphaels Blick. Sie hatte vielleicht noch zwei Stunden.
„Was wollt Ihr tun?"
„Ich werde mit Andros reden. Er wollte heute mit der Ernte der Trauben beginnen. Ich werde ihm vorschlagen, Jaro mit sich zu nehmen, damit auch er helfen kann. Bei der Ernte kann ohnehin jede Hand gebraucht werden. Wenn Aaron ihn bei Andros weiß, kann er ihn nicht verdächtigen."
Finya nickte lächelnd. „Das sollte funktionieren. Aber...wenn jede Hand gebraucht wird, sollte ich dann nicht auch mithelfen?"
Raphael winkte ab. „Das ist schon in Ordnung. Andros hat für dich andere Aufgaben vorgesehen. Es gibt also noch genug Möglichkeiten, wie du helfen kannst."
Inzwischen war Raphael aufgestanden. „Warte hier auf mich. Ich bin in ein paar Minuten zurück." forderte er Finya auf. 
Er wollte sich gerade von ihr abwenden, als er sich noch einmal umdrehte. „Wir sind ganz nah an der Grenze zum anderen Teil der Insel." erinnerte er Finya.
Finya nickte. „Ich werde genau hier warten und mich nicht weg bewegen."
Zufrieden nickte Raphael. „Dann bis gleich."

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt