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Früh am nächsten Morgen trafen sich alle im Innenhof zur Abreise.
Die Kutsche war bereits angespannt. Dieses Mal saß Kjell jedoch alleine auf dem Kutschbock, denn Arvid saß, wie die restliche Garde, bereits auf einem Pferd. Zwischen Gregori und Eric saß Jaro ebenfalls auf einem Pferd. Seine Hände waren an den Sattelknauf gebunden, die Zügel des Pferdes hielt Eric in der Hand.  
Aaron und Finya standen neben der Kutsche und warteten auf die letzte Person, die noch fehlte: David
Kurz darauf trat dieser jedoch aus der Burg heraus. Gekleidet war er wie am Vortag. Auch die Haare waren wieder straff zurück gebunden und mit Öl geglättet.
Wie am Vortag war sein Körper erneut mit Linien und Zeichen bemalt.
Arvid nickte Aaron zu, dass sie bereit zum Aufbruch waren.
Kurz darauf setzte die Kutsche sich gemächlich in Bewegung, während David neben ihr her schritt.
Fragend blickte Finya zu ihren Herren.
„David wird den Weg zu Fuß zurück legen. Wir werden daher etwa drei Tage unterwegs sein." Finya nickte. Jetzt verstand sie auch, warum sie für diese Reise deutlich mehr als sonst für sich und ihren Herren einpacken sollte.
Kjell drehte sich kurz vom Kutschbock zu den beiden um. „Außerdem erwarten David auf dem Weg unterschiedliche Prüfungen und Aufgaben." erklärte er.

Es ging bereits auf Mittag zu, als Kjell die Kutsche am Rand eines Waldes zum Stehen brachte. David war inzwischen sichtlich erschöpft, denn das gemächliche Tempo hatte sich nach und nach gesteigert, so dass David ein durchaus straffes Tempo laufen musste. Sein Körper glänzte feucht vor Schweiß und die Linien und Muster auf seinem Körper begannen langsam zu verschwimmen.
Aaron ließ Finya aussteigen, um sich die Beine zu vertreten, während Arvid und Kjell bereits den Wald betraten.
Andrej trat auf David zu und reichte ihm einen Beutel mit Wasser, den dieser dankend entgegen nahm und fast schon gierig  austrank.

Wenig später kamen Arvid und Kjell wieder aus dem Wald heraus.
Auf Kjells Schulter lag ein mehr als ein Meter langer, dicker Baumstamm, den er lediglich mit einer Hand fest hielt, obwohl der Stamm mit Sicherheit schwer war.
Direkt vor David ließ er den Stamm in die Wiese fallen.
„Den Rest des heutigen Weges wirst du diesen Stamm auf deinen Schultern tragen." erklärte Arvid ihm.
Finya sah kurz fragend zu ihren Herren und als dieser ihr zunickte, trat sie neben Kjell.
„Warum muss David sich eigentlich derart quälen?"
Kjell schmunzelte. „Auch wenn es noch so anstrengend ist, sollte David diese Reise nicht als Qual empfinden." erklärte er dann.
„Es ist die Vorbereitung auf ein wichtiges Ritual. Mit den Aufgaben, die wir ihm geben, beweist er geistige und körperliche Stärke, Durchhaltevermögen und Ehrgeiz."
Finya nickte nachdenklich. Kurz darauf gab Arvid das Zeichen zum Aufbruch.
David nahm den schweren Stamm auf die Schultern und setzte seinen Weg fort. Was bei Kjell noch leicht und mühelos ausgesehen hatte, wirkte bei ihm deutlich anstrengender und schwerfälliger,
Ohne weitere Pausen reiste die Kutsche weiter, bis die Sonne schon tief am Himmel stand.
David hatte in der Zwischenzeit so sehr geschwitzt, dass lediglich noch Farbschatten auf seiner Haut zu sehen waren.
Mit einem zufriedenen Nicken nahm Arvid ihm den Baumstamm ab und wies ihn an, das Zelt für König Aaron aufzubauen. Es dämmerte bereits, als David mit dieser Aufgabe fertig war und sich auf Arvids Geheiß erneut mit Schnee abwusch.
Und obwohl David mehr als nur erschöpft wirkte, teilte Arvid ihm direkt danach die nächste Aufgabe zu. „Du wirst heute Nacht Wache halten und das Zelt von König Aaron beschützen." erklärte er, kaum dass Aaron mit Finya das Zelt betreten hatte.
Nachdem Dimitri dennoch die Garde für die Nachtwache  eingeteilt hatte und Eric Jaro an einen Baum gefesselt hatte, begaben sich alle zur Nachtruhe.

Der nächste Tag verlief ähnlich anstrengend für David und auch die zweite Nacht musste er wach bleiben um Wache zu halten.
Doch obwohl er inzwischen sichtlich Schwierigkeiten hatte, mit der Kutsche Schritt zu halten, kämpfte er sich weiter.
Ab dem zweiten Tag hatte Aaron gestattet, dass Jaro sein Pferd selber lenkte. Zwar waren seine Hände nach wie vor gefesselt, jedoch nicht mehr am Sattel festgebunden.
Schließlich graute der dritte Morgen.
Bereits am Abend, beim Aufschlagen des Lagers, war das Schloss von Jarl Kari in der Ferne zu sehen gewesen.
Noch ein halber Tag und die Reise wäre geschafft.
Finya war froh über diese Tatsache, denn inzwischen war auch sie von der Reise erschöpft.
An diesem Morgen trug David erstmals wieder ein Hemd. Während die anderen Gardemitglieder das Lager abbrachen, trat Arvid zu David und begann, ihm verschiedene Symbole auf Gesicht und Kopf zu malen.
„Den letzten Teil der Strecke darfst du reitend zurück legen.
Er führte ihn zu den angebundenen Pferden und wies ihn an, auf das einzige ungesattelte Pferd zu steigen.
Er selbst nahm seinen Platz neben Kjell auf dem Kutschbock ein.
David setzte sich an die Spitze des Zugs und führte diesen stolz und hoch aufgerichtet an.
Wenige Stunden später kam der Tross im Schlosshof zum Stehen.
Dort wurden sie bereits erwartet. Am Ende der Auffahrt stand Jarl Kari, hoch aufgerichtet, und blickte seinen Gästen entgegen.
Um ihn herum standen einige Wachen.
Auf ein Zeichen hin eilten mehrere Sklaven aus dem Schloss.
Arvid und David traten als erste vor Kari und erwiesen ihm ihre Ehrerbietung.
Arvid wollte David gerade weg führen, als ein junger Stallbursche auf diesen zurannte.
Mit einem Lachen beugte sich David zu ihm herunter, fing den Jungen auf und wirbelte ihn durch die Luft, bevor er ihn wieder auf den Boden stellte.
„Ich habe dir doch versprochen, dass ich bald zurück komme, Kilian."
Liebevoll wuschelte er dem Knaben durch die Haare. „Aber jetzt muss ich noch etwas erledigen." erklärte er ihm. „Ich komme bald zu dir und erzähle dir von meiner Reise." versprach David seinem Bruder. „Und du hast auch eine Aufgabe. Kümmere dich um die Pferde. Sie haben eine lange Reise hinter sich." fuhr er gespielt streng fort. 
Nach einem kurzen Nicken von Jarl Kari führte Arvid David schließlich weg auf die Rückseite des Schlosses.

Jaro war wie die anderen abgestiegen und stand nun unsicher neben seinem Pferd.
Nach kurzem Zögern trat er neben König Aaron.
Nach fast drei Tagen, in denen er durchgehend gefesselt gewesen war, zeigten sich deutliche Verfärbungen und schmerzhafte Verbrennungen an seinen Handgelenken. Dennoch kam kein Laut der Klage über seine Lippen.
Prüfend musterte Aaron seinen Gefangenen.
„Gib mir deine Hände." forderte er ihn schließlich auf. Jaro hob die gefesselten Hände empor und Aaron löste die Fesseln.
Erstaunt sah Jaro den König an. „Ich danke Euch, Hoheit." wandte er sich sichtlich erleichtert an Aaron und rieb sich leicht die Handgelenke.
„Enttäusche mich nicht." erwiderte dieser nur schlicht und Jaro verneigte sich respektvoll.
Kari war unterdessen ebenfalls auf Aaron zugetreten und zog ihn zur Begrüßung in eine feste Umarmung. „König Aaron...willkommen in meinem Schloss."
„Wir danken Euch, für Eure Einladung." erwiderte Aaron den Gruß.
Mit einem Nicken wandte Kari sich nun an Finya und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Willkommen, Finya." grüßte er sie.
Erst dann richtete er den Blick auf Jaro.
„Das ist Jaro, nehme ich an?"
Sogleich verneigte Jaro sich respektvoll. „Ja, ich bin Jaro, Jarl." erwiderte er ruhig.
Kari nickte. „Wenn Ihr erlaubt, König Aaron, würde ich Jaro später selbst noch einmal befragen, um mir ein besseres Bild machen zu können."
Aaron nickte. „Er steht zu Eurer Verfügung."
Kari lächelte. „Aber das hat noch Zeit. Soll ich ihn in den Kerker bringen lassen?"
Erneut legte sich Aaron's Blick nachdenklich auf Jaro. Seine anfängliche Wut über dessen Rückkehr hatte sich komplett gelegt. Vielmehr empfand er fast schon Respekt für den jungen Mann, der mit seiner Information zurück gekehrt war in dem Wissen, dass ihn diese Rückkehr das Leben kosten könnte.
„Wenn Ihr damit einverstanden seid, Jarl Kari, reicht, denke ich, eine gesicherte Kammer aus. Jaro hat sich seit seiner Rückkehr kooperativ gezeigt. Ich denke nicht, dass er uns Probleme machen wird. Oder täusche ich mich?"
Bei den letzten Worten blickte er zu Jaro und auch die Worte selbst waren eindeutig an diesen gerichtet.
„Ihr habt mein Wort, dass ich keine Schwierigkeiten machen werde, Hoheiten." erwiderte Jaro mit einer Verneigung gegenüber beiden Herrschern.
Kari nickte nur, winkte zwei Wachen heran und wechselte einige Worte in einer fremden Sprache mit ihnen. Die beiden Männer verneigten sich und traten neben Jaro.
Aaron nickte ihm lediglich zu, mit ihnen mit zu gehen. „Ich vertraue auf dein Wort." richtete er dann doch noch das Wort an ihn. „Ich werde Euch nicht enttäuschen." erwiderte Jaro ernst und ging zwischen den Wachen her, die ihn lediglich leicht am Arm berührten, um ihm den Weg zu weisen.

Erschöpft blickte Jaro sich in der kleinen Kammer um. Die letzten Tage waren mehr als nur anstrengend gewesen.
Erst der Marsch zu Aaron's Burg und seine erneute Festnahme und dann der anstrengende Ritt zu Karis Schloss.
Jaro hasste die Silberfesseln, aber er wusste selbst, warum der König sie für nötig hielt und so würde er sich nie darüber beschweren.
Auch wenn die Zelle, in der Jaro die Nacht vor der Abreise verbracht hatte, eine der besseren und komfortableren Zellen war, bot ihm diese Kammer deutlich mehr Annehmlichkeiten.
An der einen Wand stand ein richtiges Bett, ein Stück davor ein Tisch mit einem Stuhl.
An der gegenüberliegenden Wand fand sich sogar ein kleiner Schreibtisch mit Schreibmaterial.
Eine Türe führte in ein kleines Badezimmer.
Dennoch schien die Kammer nicht für gewöhnliche Gäste vorgesehen zu sein, denn das Fenster war vergittert.
Erneut wanderte Jaros Blick zum Schreibtisch.
Mit einem Lächeln setzte er sich auf den Stuhl und griff nach einem Bogen Papier.
Nachdenklich blickte er auf das leere Blatt.
Schließlich griff er nach der Feder, tauchte sie in die Tinte und setzte die Feder aufs Blatt.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt