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Vier Tage später war der Tag des Festes gekommen.
Aaron und Kari hatten die vergangenen Tage zum Großteil im Besprechungszimmer verbracht, um die Abwehr des bevorstehenden Angriffs zu planen.
Wenn Finya ihrem Herren nicht gerade Gesellschaft leistete, unterhielt sie sich ausgiebig mit Juna, so dass diese am dritten Tag fast schon entspannt neben Jarl Kari kniete und ihn ohne große Furcht bediente.

Seit den Morgenstunden herrschte im Schloss bereits geschäftiges Treiben: die letzten Zimmer wurden hergerichtet, der Saal und die Gänge wurden dekoriert und in der Küche wurde ein Festmahl vorbereitet.
Die letzten Tage hatte Finya sich weitestgehend frei bewegen dürfen. Lediglich ein Mitglied Garde war stets an ihrer Seite gewesen.
Als ab der Mittagsstunde jedoch die ersten Gäste eintrafen, befahl Aaron Finya an seine Seite.
Die Dämmerung setzte gerade ein, als Kari seinen erhöhten Platz an der Stirnseite der Tafel einnahm. Auch seine Schattenkrieger bezogen ihre Positionen und waren, wenn man nicht genau wusste, wo sie waren, nicht mehr zu sehen. Bis auf Finya und Aaron, die in einem separaten Raum warteten, hatten sich alle Gäste bereits im Vorraum des Saales eingefunden.
Nacheinander kündigte ein Diener sie an und sie betraten den Raum, um dem König ihre Aufwartung zu machen.
Nur wenigen gelang es, ihre Überraschung zu verbergen, als sie der gänzlich anderen Einrichtung gewahr wurden.
Die meisten der Gäste schienen davon jedoch positiv angetan und ließen ihre Sklaven auf dem Schemel neben dem eigenen Stuhl Platz nehmen. Einige wenige traten den Hocker jedoch achtlos beiseite und ließen ihre Sklaven auf dem blanken Stein knien.
Kari verzog jedes Mal voll Unmut die Miene, was seinen Gästen jedoch nicht auffiel.
Wie bereits zu Aegirs Zeiten führten einige Gäste ihre Sklaven an der Kette.
Suchend blickten sie sich nach den Ringen im Boden um.
„Ihr werdet keine Ringe im Boden verankert finden." wandte sich Kari zwar trocken, aber dennoch verärgert an sie.
Die meisten verstanden diesen Wink und lösten ihren Sklaven die Ketten oder ließen diese zumindest locker hängen.
Einige wenige jedoch schlangen die Kette mehrfach um das Stuhlbein des eigenen Stuhls, was ihnen jedoch einen sichtlich missbilligenden Blick Karis einbrachte.
Schließlich waren nur noch zwei Plätze frei: die ebenfalls erhöhten Stühle an der Seite des Jarls.
Jarl Kari nickte einem älteren Sklaven zu, der daraufhin einen Gong anschlug.
Nach und nach verstummten die Gespräche der Gäste und als der letzte Ton verhallt war, herrschte Stille im Saal.
Langsam und majestätisch stand Kari auf. Inzwischen war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden. Lediglich das wie Feuer leuchtende Abendrot zeugte von ihren letzten Strahlen.
„Willkommen, meine Freunde." ergriff er mit tiefer Stimme das Wort. „Die Nacht von Elskanár hat begonnen. Die Nacht, die wir Vampire seit Anbeginn der Zeit feiern.
Doch seit jeher war diese Nacht auch eine Nacht des Umschwungs, eine Nacht des Neubeginns. Und so möchte ich in dieser Nacht nicht nur das heilige Fest von Elskanár mit Euch feiern, sondern auch den Neubeginn dieses Landes unter meiner Herrschaft.
Begrüßt daher mit mir meine heutigen Ehrengäste, ohne die dieser Tag nicht möglich gewesen wäre: König Aaron und Finya."
Bereits jetzt ging ein erstauntes, bei manchen Vampiren auch entsetztes, Raunen durch den Saal.

Auf der anderen Seite der Saaltüre wartete Aaron darauf, dass sich die Türen für ihn öffneten. Gehüllt in ihr grünes Kleid stand Finya bleich neben ihm.
Als Aaron merkte, wie seine Sklavin zu zittern begann, legte er ihr sanft die Hand auf die Schulter. „Wir haben alles besprochen. Du weißt, was deine Aufgabe ist und ich bin mir sicher, dass du es schaffst." erklärte er ihr zum wiederholten Male ruhig und strich ihr mit der freien Hand beruhigend über den Rücken.
Finya atmete tief durch und nickte langsam.
„Ja, Herr."
Aaron lächelte, dann wurde sein Blick jedoch streng. „Denk daran: Sobald wir diese Schwelle übertreten, bin ich für die heutige Nacht nicht mehr dein Herr, sondern Aaron - oder meinetwegen auch König Aaron, falls dir das leichter fällt. Es wird genug Gäste geben, die es nicht gutheißen werden, dass Kari eine - in ihren Augen - einfache Sklavin an seiner Seite sitzen lässt. Da sollten wir nicht noch Öl ins Feuer gießen, indem du dich auch so verhältst.
Finya nickte ernst. „Ja, Hoheit. Ich werde mein Bestes geben."
In diesem Moment öffnete sich die große Flügeltüre.
Aaron bot Finya seinen Arm und führte sie galant über die Schwelle.
„König Aaron und Finya." hörte sie gerade noch, da stand sie bereits auf dem Teppich.
Aller Augen lagen auf den beiden Gästen. Dann erfüllte ein Tosen den Raum, als alle begannen, mit ihren Fäusten auf den Tisch vor sich zu trommeln, während Aaron und Finya vor Jarl Kari traten, um ihm ihre offizielle Aufwartung zu machen.
Sichtlich erleichtert saß Finya wenig später zu Karis Rechten, der ihr freundlich und aufmunternd zunickte.
„Lasst uns jetzt zusammen feiern. Bringt das Essen!" rief er laut in den Raum.
Mehrere Türen öffneten sich und Sklaven brachten Schüsseln und Platten mit edlen Speisen heraus, während Andere die Becher füllten.
Immer wieder wurden die Kelche erneut aufgefüllt, wobei Finya ab dem zweiten Becher aus einer speziellen Karaffe nachgefüllt wurde.
Dieser enthielt - wie abgesprochen und unbemerkt für die Gäste - Traubensaft statt Wein, damit Finya nicht vorzeitig vom Alkohol müde wurde.
Schließlich war der erste Gang beendet. Doch kaum, dass die Teller abgeräumt waren, betraten Karis Sklaven erneut den Raum. Dieses Mal trugen sie kleinere Teller, die sie vor den Sklaven abstellten. „Lasst unsere Sklaven in dieser besonderen Nacht mit uns feiern." forderte Kari seine Gäste auf und stellte so sicher, dass jeder Sklave eine Mahlzeit erhielt - auch wenn er deutlich merkte, dass einige wenige seiner Gäste von dieser Geste alles andere als begeistert waren. Doch gerade die Sklaven dieser Herren stürzten sich mit besonders großem Hunger auf ihren Teller.
Kari schmunzelte zufrieden. Wenn es nach ihm ging, sollte in dieser besonderen Nacht kein Sklave leiden. So hatte es schon sein Vater gehalten und vor diesem dessen Vater.
Kari bedauerte sehr, dass dieser Umgang mit den Sklaven unter seinem Bruder mehr als nur gelitten hatte, doch er war festen Willens, das wieder zu ändern.
Beginnen würde er bei seinen eigenen Sklaven. Zwar brauchte er gerade in dieser Nacht ihre Dienste, doch hatte er angewiesen, Schichten zu bilden, damit auch sie feiern konnten. Ihr Essen stand dem der Herrschaften in nichts nach. Sogar einen Becher Wein hatte er jedem von ihnen zugestanden.
Kari wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war.
„Während unsere Sklaven sich stärken, lasst uns eine weitere Tradition von Elskanár vollziehen." erklärte er.
„Schon meine Vorfahren haben in dieser Nacht des Umbruchs neue Wachen eingeschworen.
Begrüßt mit mir David, der sich bei der Wiedererlangung meines Throns ebenfalls verdient gemacht hat und die letzten Wochen bewiesen hat, dass er es Wert ist, sich fortan ‚Wache des Jarl' zu bezeichnen.

Erneut öffneten sich die Türen und wieder begannen die Gäste, auf den Tisch zu trommeln, während David durch die Türe trat.
Lediglich gekleidet in eine Hose aus feinstem, hellbraunen Wildleder, schritt David den Teppich entlang und beugte vor Kari sein Knie.
Der Jarl erhob sich und trat vor David. Ohne hinzusehen, jedoch mit einem Lächeln, winkte er  einen Knaben von zehn Jahren zu sich, der sich beeilte, mit einer Schale zu Kari zu laufen.
Stolz blieb Kilian neben Kari stehen und hob die Schüssel leicht empor.
Kari tauchte seine Finger hinein und entnahm ihr eine dunkle Paste.
„David. Du hast bewiesen, dass du ein treuer und zuverlässiger Anhänger bist." ergriff er das Wort und David hob seinen Blick.
„Du hast die dir auferlegten Prüfungen mit Bravour gemeistert, hast Stärke, Durchhaltevermögen und einen festen Willen bewiesen. Heute Nachmittag hast du mir vor Zeugen die Treue geschworen. Deshalb nehme ich dich hiermit in die Reihen meiner Wachen auf." erklärte er und zeichnete bei den letzten Worten Linien und Zeichen auf Davids Gesicht und Arme.
„Erhebe dich." forderte er schließlich. David erhob sich sichtlich stolz und lächelte kurz seinem Bruder zu, der ihn ebenso stolz anstrahlte.
Kilian reichte dem Jarl ein Tuch, damit dieser seine Finger säubern konnte.
„Geh' nun zu Arvid. Er wird dir nach altem Brauch mein Zeichen stechen, das dich immer an deine Treue und Verbundenheit erinnern wird. Trage es mit Stolz."
David verneigte sich tief und respektvoll vor seinem Herrscher und verließ dann gemeinsam mit Kilian den Saal.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt