Finya saß dicht vor dem warm brennenden Kamin. In ihren Händen hielt sie den Tee, den ein Sklave ihr gebracht hatte, nur wenige Minuten nachdem sie Aaron's Gemächer betreten hatten.
Nur am Rande lauschte sie ihrem Herren und der Garde, die gemeinsam am Tisch saßen und den vergangen Einsatz nachbesprachen.
Inzwischen war ihr wieder angenehm warm.
„Es hat eindeutig zu lange gedauert, bis ihr Finyas Fluchtweg entdeckt habt." erklärte Aaron gerade.
Langsam ging Finya zum Tisch hinüber und sank neben Aaron auf die Knie. „Ist dir wieder warm, Finya?" fragte er sogleich streng. „Ja Herr" Finya lächelte.
„Ihr solltet daran arbeiten, Eure Suchabläufe zu optimieren."
„Herr?"
Aaron nickte Finya zu. „Dann sollten aber auch die Wege und Abläufe der Wachen optimiert werden. Es war ein leichtes für mich, unbemerkt aus dem Garten zu verschwinden. Die Wachen laufen immer die gleichen Wege in immer der gleichen Zeit. Ich musste also nur abwarten, bis Victor seine Runde fortgesetzt hat und wusste genau, wie lange ich Zeit haben würde."
„Dimitri?" fragend sah Aaron zu seinem Hauptmann. „Finya hat Recht. Es birgt zwar Vorteile, wie es jetzt ist, hat aber auch seine Schwachstellen."
Aaron nickte. „Dann möchte ich, dass die Routinen überarbeitet werden.
Trotz allem bin ich mit Eurer Leistung sehr zufrieden. Dimitri und Kjell, bleibt bitte noch. Ihr anderen könnt gehen."
Er wartete, bis die restliche Garde den Raum verlassen hatte. „Wie hat sich Jonas gemacht?"
„Sehr gut. Er hat sich in die Gruppe eingefügt, als ob er schon deutlich länger mit uns zusammen arbeiten würde." erklärte Kjell.
Dimitri nickte zustimmend. „Und er bringt eigene Ideen ein. Es war zum Beispiel seine Idee, die Wache im Garten zu befragen."
Aaron wirkte zufrieden. „Und sein sonstiges Training?"
Dimitri und Kjell sahen sich kurz an. „Das ist leider in der letzten Zeit etwas auf der Strecke geblieben, als der Jarl hier war." erklärte Dimitri. „Die Reduzierung seines Trainings scheint ihm aber dennoch gut getan zu haben. Dinge, die ihm bisher schwer gefallen sind, scheinen sich gefestigt zu haben und fallen ihm jetzt leichter." fuhr Kjell fort.
„Aber das Wichtigste: er beginnt langsam, seinen Fähigkeiten zu vertrauen." Dimitri lächelte. „Heute hat er sein Talent wie selbstverständlich eingesetzt. Ohne ihn hätten wir Finya deutlich länger gesucht."
Erneut nickte Aaron zufrieden. „Ist er schon so weit, ihn offiziell in die Garde aufzunehmen?"
Dimitri und Kjell schüttelten beide gleichzeitig den Kopf.
„Allerdings..." setzte Dimitri an. „Würde ich dir empfehlen, es dennoch zu tun. Es würde ihn weiter motivieren."
„Das stimmt." bestätigte Kjell. „Er kann in der kurzen Zeit unmöglich so gut sein wie wir, die wir seit Jahren miteinander trainieren. Aber er strengt sich sehr an. Ich denke auch, dass es ihn weiter motivieren würde, da er dem Anspruch der Garde gerecht werden will."
Aaron lächelte. „Dann werde ich das tun. Sagt ihm Bescheid, dass er übermorgen zur Mittagsstunde in den Thronsaal kommen soll."
Nachdenklich lag sein Blick auf Finya. „Ist er weit genug, dass ich ihn offiziell als Leibwächter einsetzten kann?"
Dimitri verstand Aaron's Blick sofort. „Er scheint eine besondere Verbindung zu Finya zu haben. Sobald es um sie geht, bringt er Höchstleistungen. Also Ja."
Aaron strich Finya über den Kopf. „Bist du damit einverstanden, meine kleine Sklavin?"
Finya nickte. „Wenn Ihr es für nötig haltet, Eurer Sklavin einen eigenen Leibwächter zuzuteilen, freue ich mich, wenn es Jonas ist."Später am Abend blickte Finya nachdenklich in die Flammen des Kamins. Ihr neues Buch lag noch immer unaufgeschlagen neben ihr.
„Was hast du, meine kleine Sklavin?"
Langsam drehte sich Finya um. Ihr Gesicht war gerötet von den Flammen.
„Ich habe mich gefragt, ob ich denn jetzt öfters nach...draußen... darf, wenn doch Jonas..." Finya stockte.
Seufzend erwiderte Aaron ihren Blick. „Ich hatte gehofft, dass du dich inzwischen bei mir eingelebt hast und nicht mehr diesen Drang verspürst."
Verlegen senkte Finya den Kopf. „Das habe ich, Herr. Ich diene Euch gerne. Und nichts liegt mir ferner, als von Euch zu fliehen, aber..." erneut stockte Finya. „Aber ich..."
Erneut seufzte Aaron. „Aber du liebst einfach die freie Natur."
Langsam nickte Finya. „Ja, Herr."
Aaron lächelte sacht. „Mir gefällt es einfach zu gut, dich glücklich zu sehen. Ich werde es dir also gestatten."
Aus einem Reflex heraus stand Finya auf und umarmte Aaron. „Danke, Aaron."
Bereits einen Wimpernschlag später löste sie sich jedoch wieder verlegen und blickte betreten zu Boden. „Verzeiht, Herr."
Doch Aaron lachte nur leise. „Was soll ich verzeihen? Mir hat das gerade durchaus gefallen. Ich sagte doch, ich mag es, dich glücklich zu sehen."
Er wartete, bis Finya wieder saß.
„Es gibt da eine Sache, die ich mit dir besprechen muss..."
Finya seufzte. Fast jedes Mal, wenn ihr Herr etwas mit ihr besprechen wollte, war es nichts Gutes gewesen.
„Du erinnerst dich an König Ashok?"
Finya nickte. „Ja, Herr. Und an seine Sklavin Anuk."
„Richtig." Aaron nickte zufrieden. „Bereits zweimal habe ich ihm einen Besuch versprochen, wie du weißt, um ihm bei der Erziehung seiner Sklavin zu helfen. Ich sollte mein Versprechen wirklich langsam einlösen..."
Finya lächelte. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Herr."
„Das weiß ich, meine kleine Sklavin. Du wirst vor Ashok eine vorbildliche Sklavin abgeben. Allerdings will König Ashok von mir lernen, wie ich dich dazu gemacht habe. Ich erwäge daher, noch eine zweite Sklavin mitzunehmen."
Finya hob den Kopf. „Ihr meint Rebecca." stellte sie fest. „Ja. Ich hatte an Rebecca gedacht." bestätigte er. „Fürchtet sie mich immer noch wie am Anfang?"
Nachdenklich biss Finya sich auf die Lippe. „Ich glaube nicht mehr ganz so sehr, aber ich bin mir nicht sicher."
Aaron strich sich nachdenklich über das Kinn. „Es ist noch nicht all zu spät. Hol Rebecca und bring sie zu mir."
Finya verneigte sich respektvoll und verließ Aaron's Gemächer.
Kurz darauf klopfte Finya an Rebeccas Türe.
Von drinnen hörte sie Schritte, die sich der Türe näherten.
„Ich bin es." grüßte Finya, noch bevor Rebecca die Türe öffnete. Lächelnd umarmten sich die beiden Frauen.
Zufrieden realisierte Finya, wie entspannt und gelöst Rebecca wirkte. Sie bedauerte, dass sie die Stimmung ihrer Freundin gleich zerstören würde. „Unser Herr möchte dich sprechen. Ich soll dich zu ihm bringen.
Rebecca schluckte, doch blieb relativ entspannt. „Dann sollte ich ihn nicht warten lassen."
Erleichtert atmete Finya auf. Es freut mich, dass du deine Angst vor unseren Herren überwunden hat." wandte sie sich lächelnd an ihre Freundin, während sie Rebecca bereits den Gang entlangführte. „Oh...Ich fürchte ihn immer noch, aber es ist, wie er mir zugesagt hat. Es geht mir hier gut und es fehlt mir an nichts...und ich sehe ihn ja nicht all zu oft..."
Rebecca stockte, als Finya auf die Treppe in den dritten Stock zuhielt. „Wo bringst du mich hin? Ich darf nicht in den dritten Stock." Auf einmal wirkte Rebecca nervös. „Heute darfst du es. Unser Herr ist in seinen Gemächern und möchte dich dort sehen." Rebecca schluckte nervös. „In seinen Gemächern..." wiederholte sie angespannt, folgte aber Finya, die bereits weiter ging.
„Weißt du, was er von mir will?" fragte Rebecca schließlich ängstlich, als sie gerade auf den Gang einbogen. „Nicht genau. Aber ich habe eine Vermutung. Ich denke nicht, dass du Grund hast, ihn zu fürchten."
Finya blieb vor Aaron's Türe stehen. „Bereit?"
Rebecca nickte zögerlich. Im gleichen Moment klopfte Finya bereits an die Türe und öffnete diese.
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Finya 3
VampireTeil 3 meiner Finya Reihe. Auch hier gilt: Bitte zuerst die anderen Teile lesen. Wie bei Teil 2 sind die Kapitel fortlaufend nummeriert. Imperator Aegir ist tot und stellt keine Gefahr für Finya mehr da. Dennoch muss sich Finya den Geistern ihrer...