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Wenig später klopfte es.
Noch bevor Finya die Türe erreicht hatte, wurde diese bereits geöffnet und Ivar betrat mit ernsten Blick den Raum.
„Ihr solltet zum Tor kommen, Hoheit." wandte er sich formell an seinen Herrscher.
„Ein Besuch nähert sich der Burg.
Tarik hat ihn vom Turm aus entdeckt."
Aaron nickte nur. „Finya, du bleibst hier." ermahnte er sie.
Als er am Burgtor ankam, hatte sich der Rest der Garde bereits dort versammelt.
Mit einem Kopfnicken wies Dimitri auf den Waldrand, wo in diesem Moment eine einzelne Person erschien.
Sichtlich zögernd ging der Mann langsam auf die Burg zu.
Etwa 200 Meter vom Burgtor entfernt blieb er stehen und jetzt konnte Aaron auch erkennen, wer der unliebsame Besucher war:
Kurz vor dem Waldrand stand Jaro, den er verbannt hatte.
Aaron knurrte verärgert auf, doch noch bevor Aaron einen Befehl aussprechen konnte, legte Jaro alles, was er trug, ab, bis er nur noch in der schlichten Leinenhose am Waldesrand stand.
Mit ernster Miene und erhobenen Händen näherte er sich der Burg. Als er die Hälfte der Strecke überwunden hatte, sank er auf die Knie und verschränkte  seine Hände hinter dem Kopf,
Aaron knurrte erneut. „Ich werde ihn töten..."
Mit raschen Schritten trat er auf Jaro zu, dicht gefolgt von seiner Garde.
In einer fließenden Bewegung griff er an Dimitris Seite und zog dessen Dolch.
Drohend überwand er die letzten Schritte, bis er direkt vor Jaro stand.
„Fesselt ihn." wies er seine Garde an, ohne den Blick abzuwenden.
Ohne Gegenwehr ließ Jaro es zu, dass die Garde ihm straff die Hände fesselte. Er half vielmehr sogar noch mit, indem er die Hände am Rücken zusammen nahm.
„Du weißt noch, was ich dir angedroht habe, falls du vor Ablauf der sieben Jahre zurück kehrst?" richtete Aaron kalt das Wort an Jaro.
Dieser senkte demütig den Kopf. „Ja. Hoheit. Ihr werdet mich persönlich töten."
Aaron lachte kalt und setzte die Spitze des Dolches auf Jaros Brust.
„Und was sollte mich davon abhalten, das jetzt und hier sofort zu tun?"
Jaro verspannte sich merklich und schluckte.
„Ich bin bereit zu sterben, Hoheit. Ich bitte Euch lediglich, mich zuvor anzuhören."
„Und warum sollte ich das tun?" erwiderte Aaron nur.
„Weil es..." Jaro zögerte und zog fast schon ängstlich den Kopf ein und schloss ergeben die Augen. „...weil es um Eure Sklavin geht." fuhr er dann leise fort. „Weil es um Finyas Leben geht."
Aaron riss Jaros Kopf brutal nach oben.
„Sieh mich an und sag das nochmal..." knurrte er ihn wütend an.
Jaro schluckte schwer, sah seinen König aber dann an.
„Jemand will sie an Elskanár töten."
Abrupt ließ Aaron den Mann los und begann mit rot funkelnden Augen vor ihm auf und ab zu schreiten.
Ruckartig wandte er sich dann an seine Garde.
„Bringt ihn in den Kerker und bereitet ihn für das Verhör vor."
Kurz zögerte er und atmete tief durch. Prüfend ließ er seinen Blick über Jaro gleiten, der zwar immer noch regungslos vor ihm kniete, dem man seine Angst aber dennoch anmerkte. Er schien sich noch gut an die letzten Verhöre zu erinnern.
„Ein einfacher Verhörraum sollte ausreichen." erklärte er schließlich und reichte Dimitri seinen Dolch zurück.

Während Gregori und Ivar den Gefangenen zwischen sich nahmen, ging Andrej zum Waldrand um Jaros abgelegte Sachen zu holen.
Viel war es nicht, was dort lag: lediglich ein Hemd und zwei Dolche, einer davon aus Silber.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, kehrte Aaron zurück in seine Gemächer. Er wollte Finya in seiner Nähe wissen und von Jaro würde keine Gefahr ausgehen.
„Komm mit, Finya. Ich habe ein Verhör zu führen und da es dabei um dich geht, möchte ich dich dabei haben."
Fragend sah Finya ihren Herren an, folgte ihm aber dann in den Kerker.
Noch immer überlief sie jedes Mal ein Schauer, wenn sie den Kerker betrat, doch sie atmete tief durch und folgte Aaron in einen der Verhörräume.
Dort, in der Mitte des Raumes, kniete Jaro am Boden. Nach wie vor waren seine Hände am Rücken gefesselt. Zusätzlich trug er einen breiten, silbernen Ring um den Hals, und war mit einer Kette am Boden fixiert, die ihn davon abhalten sollte, aufzustehen.
Aaron trat auf seinen Stuhl zu und nahm schweigend Platz, während Finya wie selbstverständlich neben ihm niederkniete.
Aaron's Augen waren immer noch leuchtend rot, doch als er seine Finger in Finyas Haaren vergrub, nahm das Rot merklich ab.
„Warum sollte ich dir glauben, Jaro? Warum sollte ich nicht einfach annehmen, dass du mir das erzählst, um deiner Strafe zu entgehen?"
Jaro hob langsam den Blick. „Weil das nicht mein Ziel ist, Hoheit. Ich möchte Euch lediglich warnen. Was Ihr danach entscheidet..." er zuckte leicht mit den Schultern. „Sperrt mich auf ewig in den Kerker, schickt mich erneut in die Verbannung, tötet mich,... ich werde jegliche Entscheidung von Euch akzeptieren und annehmen. Es geht mir nur darum, ein Unrecht zu verhindern."
Aaron's Blick nahm etwas beinahe anerkennendes an, als er Gregori zunickte.
Dieser trat auf Jaro zu und löste die Kette.
„Setz dich..." forderte Aaron ihn auf und wies auf den Hocker.
„Und jetzt erzähl." forderte er Jaro dann auf.
Jaro nickte.
„Ich bin die letzten Wochen durch verschiedene Königreiche gewandert." begann er zu berichten. „Im letzten Königreich habe ich zufällig das Gespräch zweier Vampire gehört. Einer war eine Wache des Königs, der Andere ein Gast von ihm, der in seine Dienste treten wollte. Ein gewisser Krait Emela."
Bevor er weiter sprechen konnte, unterbrach Aaron ihn. „Bist du sicher, dass Krait ein Vampir war?"
Erneut nickte Jaro. „Ja. Aber das war er nicht immer. Er hat der Wache, Nagan sein Name, erzählt, dass er sich in einen Vampir hat verwandeln lassen, um seinen Freund zu rächen. Er macht Eure Sklavin für dessen Tod verantwortlich."
Unter Aaron's Hand verspannte Finya sich und auch Aaron kämpfte um seine Beherrschung.
„Was genau plant er?" hakte er nach und unterdrückte mühsam ein Knurren.
„Er will König Makiko zu Eskanár bei Jarl Kari als dessen Wache begleiten.
Zusammen mit Nagan will er dort Eure Sklavin entführen, sie foltern und ermorden."
Automatisch drängte Finya sich dichter an ihren Herren.
„Weiß König Makiko darüber Bescheid?"
Jaro schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, Hoheit."
Nachdenklich musterte Aaron seinen Gefangenen.
„Das sind schwere Vorwürfe, die du da erhebst. Schwörst du, dass deine Worte die Wahrheit sind?"
Sofort sank Jaro auf die Knie.
„Ich schwöre, dass ich die Wahrheit gesprochen habe, Hoheit."
Aaron nickte nur.
„Ich werde morgen ohnehin zu Jarl Kari aufbrechen. Du wirst uns begleiten." bestimmte er dann. Jaro verneigte sich. "Wie Ihr wünscht, Hoheit."
„Gregori, bring Jaro in eine Zelle. Danach schicke mir Simon in mein Büro. Lass morgen früh auch ein Pferd für Jaro satteln."
Gemeinsam mit Finya ging Aaron daraufhin in sein Büro. Sogleich setzte er einen Brief auf und versiegelte diesen.
Er war kaum damit fertig, als Simon den Raum betrat und vor seinem Herren auf die Knie sank.
„Ich habe einen besonderen Auftrag für dich." richtete er ohne Umschweife das Wort an seinen Stallsklaven. „Bei Sonnenaufgang wirst du zu Jarl Kari reiten und ihm diesen Brief überbringen. Falls du den Weg nicht kennst, lass ihn dir von Kjell erklären."
Mit einer respektvollen Verneigung nahm Simon den Brief entgegen.
„Ich kenne den Weg, Herr." erklärte er dann. Kurz zögerte er. Instinktiv spürte er die Anspannung, die von seinem Herren ausging.
„Wenn Ihr es wünscht, kann ich auch sofort aufbrechen. Wir haben fast Vollmond, es sollte also hell genug sein."
Aaron konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.
„Dann verabschiede dich von deiner Familie und brich sofort auf. Bitte Jarl Kari in meinem Namen um Unterkunft für eine Nacht. Ich möchte, dass du dich ausreichend erholst, bevor du zurück reist."
Erneut verneigte sich Simon und verließ mit dem Brief in der Hand den Raum.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt