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Geduldig wartete Finya auf Raphaels Rückkehr.
Bereits wenige Minuten später stand er wie versprochen wieder vor ihr.
Raphael nickte ihr zu. „Andros hat bereits mit Aaron gesprochen und ihn gefragt, ob er Jaros Dienste in Anspruch nehmen darf. Jaro ist also sicher vor falschen Vorwürfen."
Finya lächelte erleichtert.
„Raphael..?" wandte sie sich dann schließlich an diesen, der ihr nur zunickte, ihre Frage zu stellen.
„Köng Andros hat mir erlaubt, in Eurer Begleitung auch den anderen Teil der Insel zu betreten...." begann sie.
„Aber warum soll dieser Teil eigentlich nicht betreten werden?"
Raphael strich der Stute, die neben ihn getreten war, liebevoll über das Fell.
„Der andere Teil der Insel ist zum Teil recht unwegsam. Das ist der eine Grund." erklärte er Finya.
„Der wichtigere Grund aber ist, dass dort einige seltene Tiere leben und dort ihre Nester haben. Andros möchte, dass sie so wenig wie möglich gestört werden."
Finya nickte und sah zur Sonne hinauf. „Ich denke, wir sollten aufbrechen...."
Raphael nickte ihr zu und führte das Pferd an einen höheren Felsen.
„Dann steig auf. Beritten bist du schneller."
Finyas Blick wanderte skeptisch zwischen der Stute und Raphael hin und her, doch Raphael lachte nur amüsiert auf.
„Der Deal ist, dass ich nur zu deinem Schutz da bin. Du wirst es also selbst schaffen müssen. Und ich hätte dir Andala nicht angeboten, wenn ich nicht sicher wäre, dass du es schaffst."
Finya schluckte leicht, kletterte aber dann auf den Felsen und von dort behutsam auf den Rücken des Tieres.
Wie sie es die letzten Tage gelernt hatte, gab sie dem Tier ein Zeichen, loszugehen.
Konzentriert testete sie zunächst die verschiedenen Befehle an dem Tier, was ohne Zügel deutlich schwieriger war. Doch schließlich hatte sie den Dreh raus und ritt weiter in Richtung des verbotenen Teils der Insel.
Raphael lief entspannt neben ihr her und machte sie lediglich auf Gefahrenstellen am Weg aufmerksam.
Immer tiefer drang Finya ins Landesinnere vor und immer üppiger und vielfältiger wurde die Pflanzenwelt.
Erneut wanderte ihr Blick zum Himmel. „Ich denke, dass Aaron mein Fehlen spätestens jetzt bemerkt hat..." wandte sie sich an Raphael und wirkte dabei durchaus etwas nervös.
Raphael nickte. „Dann solltest du dich jetzt entscheiden, ob du noch weiter weg willst, oder ob du dich irgendwo verstecken möchtest..."

Aaron stand vor dem Haus und schaute in die Richtung, wo die Pferde meist grasten.
Prüfend ging sein Blick nach oben zur Sonne, die ihren Zenit erreicht hatte, dann wieder in die Ferne.
Noch konnte er Finya nicht sehen, dabei hatte sie eine klare Anweisung gehabt.
Aaron war nicht wirklich verärgert, sondern vielmehr besorgt.
Entweder, Finya hatte bei all den Eindrücken die Zeit vergessen, oder aber ihr war etwas passiert.
Zwar hatte Finya im vergangenen Jahr stark an ihrer Konzentration gearbeitet, doch noch immer passierte es ihr hin und wieder, dass sie die Zeit oder ihren Herren vergaß, wenn sie in etwas vertieft war.
Unruhig begann Aaron hin und her zu gehen.
„...ist alles in Ordnung, Aaron?" hörte er auf einmal die Stimme seines Freundes. Er war so vertieft in seine Gedanken gewesen, dass er nicht einmal gemerkt hatte, wie Dimitri neben ihn getreten war.
Aaron seufzte. „Finya ist noch nicht zurück. Wahrscheinlich hat sie nur wieder einmal die Zeit vergessen...Aber  ich mache mir dennoch Gedanken."
Dimitri nickte. „Wo wollte sie denn hin?"
„Rüber zu den Pferden. Sie ist ganz vernarrt in diese eine Stute und besucht sie jeden Tag..."
Dimitri nickte leicht. „Ich werde sie mit Jonas suchen gehen..." erklärte er.
Aaron nickte und wirkte erleichtert. „Ich werde hier warten, falls sie doch in der Zwischenzeit kommt."
Kurz darauf liefen Dimitri und Jonas los. Es dauerte nicht lange und sie kamen bei den ersten Pferden an.
Suchend blickten sie sich um, doch von Finya war nichts zu sehen.
Dimitri runzelte die Stirn. Das passte nicht zu Finya. Sie hätte Bescheid gegeben, wenn sie woanders hingegangen wäre.
„...kannst du irgend etwas entdecken, Jonas?" wandte er sich an den Ogun.
Dieser ließ zum wiederholten Male seinen Blick umher schweifen und schüttelte dann den Kopf.
„Nein....aber lass uns noch ein Stück weiter gehen. Dort hinten sind auch noch Pferde. Vielleicht ist Finya einfach nur ein Stück weiter als sonst gelaufen..."
Dimitri nickte, wirkte aber nicht sehr überzeugt.
Schließlich passierten sie die letzten Pferde und noch immer war nichts von Finya zu entdecken.
„Siehst du jetzt irgend etwas?"
Jonas schüttelte den Kopf und Dimitri versteifte sich. „Zurück..." wandte er sich mit zusammen gebissenen Zähnen an Jonas. „Wir müssen Aaron Bescheid geben und die Garde zusammen rufen."
In übermenschlicher Geschwindigkeit rannten sie zum Gebäude zurück, wo Aaron noch immer ungeduldig wartete.
Dimitri nickte Jonas zu, die Garde zusammen zu rufen, während er selbst auf Aaron zutrat.
DIESE Nachricht sollte besser er seinem König und Freund überbringen.
Ungeduldig trat Aaron auch schon auf Dimitri zu. „Wo ist Finya? Was ist mit ihr geschehen?"
Dimitri atmete einmal tief durch.
„Jonas verständigt gerade die Garde. Finya ist verschwunden. Wir konnten sie nirgends entdecken..."
Aaron knurrte. Vor Wut schlug er mit der Faust gegen einen der Stützpfeiler des Hauses, der daraufhin sogleich zerbarst.
„Jaro...." entfuhr es Aaron knurrend einem Fluch gleich.
In diesem Moment kam Ivar als erster der Garde an.
„Was ist mit Jaro?" hakte er nach.
Aaron unterdrückte ein Knurren. „Geh zu den Weinbergen und sieh nach, ob Jaro immer noch dort arbeitet. Frag nach, ob er zwischenzeitlich verschwunden ist."
Mit hoher Geschwindigkeit machte sich Ivar auf den Weg und kehrte bereits kurz später zurück, dicht gefolgt von Andros und Jaro.
„Wo warst du, Jaro?" wandte sich Aaron scharf an den Mann, der sichtlich verunsichert wirkte.
Doch bevor Jaro antworten konnte, trat Andros einen Schritt nach vorne.
„Was ist los, mein Sohn?" fragte er ruhig.
Aaron knurrte. „Finya ist verschwunden..."
Andros blickte seinen Sohn streng an. „Und jetzt denkst du, Jaro hat den ersten Tag, an dem du ihm mehr Freiheiten gestattet hast, genutzt, um Finya zu verschleppen? Mach dich nicht lächerlich, mein Junge.."
Aaron unterdrückte ein Knurren.
„Im übrigen...was machst du mit meinem Haus?"
So wütend Aaron auch war, blickte er seinen Vater nun doch zumindest für einen kurzen Moment zerknirscht an. „...es tut mir Leid, Vater...ich...Sorge mich einfach nur um Finya..."
Andros nickte leicht. „Im Übrigen war Jaro die ganze Zeit an meiner Seite. Er kann also unmöglich etwas damit zu tun haben."
Aaron schluckte schwer, die Hand zur Faust geballt. Nur mühsam konnte er den Impuls unterdrücken, erneut gegen den Pfeiler zu schlagen.
Ruckartig hob er schließlich seinen Blick und wandte ihn Jaro zu.
„Jaro...ich muss Euch um Verzeihung bitten..." brachte er mühsam beherrscht hervor. „Ich...habe Euch fälschlicherweise beschuldigt."
Jaro lächelte verlegen und verneigte sich vor Aaron. „Mir ist klar, dass Euer Verdacht zuerst auf mich fallen musste. Das habe ich mir selbst zuzuschreiben." erwiderte er dann ruhig. „Wenn Ihr es gestattet, würde ich mich gerne an der Suche nach Finya beteiligen."
Einen kurzen Moment lang lag Aarons Blick fast schon hart auf Jaro, dann nickte er. „Du kannst dich beteiligen, wirst aber an der Seite von Eric bleiben.", erklärte er und nickte dem stellvertretenden Gardehauptmann zu, der - wie der Rest der Garde - inzwischen auch angekommen war.
„Es sieht wie folgt aus..." begann Aaron zu erklären. „Finya ist verschwunden. Warum und ob ihr etwas zugestoßen ist, weiß ich nicht. Ich möchte dass sie gefunden wird."
Erneut entwich Aaron ein wütendes Knurren, bevor er sich an seinen Vater wandte.
„Haben wir unter diesen Umständen die Erlaubnis, den anderen Teil der Insel zu betreten, Vater?"
Prüfend musterte Andros seinen Sohn.
„Die habt ihr, mein Sohn."
Aaron nickte nur und hob die Hand. „...dann los. Ihr wisst, was zu tun ist."
Er wollte gerade loslaufen, als ihn Andros Hand auf seiner Schulter stoppte.
„Du nicht, mein Sohn." erklärte er ruhig. „Du wirst dich jetzt erst einmal beruhigen und deine Garde ihrer Aufgabe nachkommen lassen.", fuhr er fort.
„..und zwing mich nicht, es dir zu befehlen. Ich bin immer noch dein Vater und emeritierter König."
Frustriert knurrte Aaron auf, ließ seine Garde dann aber alleine ziehen.

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt