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Finya hob den Kopf. Wie versteinert sah sie Jarl Kari entgegen, unfähig, sich zu bewegen.
Gleichzeitig wanderte ein erstauntes, bei manchen auch entsetztes, Raunen durch den Saal.
Selbst sämtliche Sklaven unterbrachen ihr Mahl und sahen nach vorne, neugierig, was nun geschehen würde.
Mit einem leichten Grinsen blickte Kari Finya, die sich immer noch nicht rührte, abwartend entgegen.
„Steh auf, Finya." raunte Aaron ihr leise zu und löste sie somit aus ihrer Starre.
Langsam stand Finya auf. Wie in Trance umrundete sie den Tisch und sank vor dem Jarl auf die Knie.
Sanft griff Kari sie an den Armen und zog Finya nach oben und neben sich.
Schwer lag seine Hand auf ihrer Schulter, während er wieder zu sprechen begann.
„Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass ich hier und heute eine - für manch einen - ‚einfache' Sklavin ehre."
Kari hielt bedeutungsvoll inne und ließ den Blick über seine Gäste gleiten.
„Doch auch ohne SIE stünde ich heute nicht hier. Ohne ihre weisen Überlegungen hätten meine Freunde wohl nicht gewusst, wo sie mit der Suche nach mir beginnen sollten.
Und obwohl Finya mich nicht kannte, hat sie mir von Anfang an großes Vertrauen entgegen gebracht.
Ihr Vertrauen ging sogar soweit, dass sie mir vor dem Kampf mit meinem Bruder freiwillig und von sich aus das wertvollste angeboten hat, das sie zu bieten hat: ihr Blut.
Für das alles und noch viel mehr gebührt Finya mein Dank."
Kari lächelte und schob Finya sanft vor sich.
Dann wandte er sich Juna zu und griff sich den Gegenstand vom Tablett.
„Finya. Zum Dank an dich schenke ich dir diesen Anhänger." erklärte er und hängte Finya ein stabiles, ledernes Band um den Hals.
Daran hing ein Walnuss großer Wolfskopf aus absolut reinem Bergkristall, in den verschiedenste Runen eingeritzt waren.
„Möge dieser Anhänger dich treu begleiten und  schützen."
Erneut drehte Kari Finya mit dem Rücken zu sich, trat hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern.
„Hiermit stelle ich Finya, Sklavin von König Aaron, unter meinen Schutz.
Wer auch immer es wagen sollte, ihr etwas anzutun, hat fortan nicht mehr nur mit dem Zorn König Aaron's zu rechnen, sondern auch mit meinem Zorn."
Erneut erfüllte das Trommeln von Fäusten den Saal, auch wenn es bei manchen Vampiren sichtlich dezenter ausfiel.
Dafür setzte, nach kurzem Zögern, das Klatschen einiger Sklaven der liberaleren Herren mit ein.
Finya lächelte zaghaft, aber auch leicht verlegen, wandte sich um und verneigte sich tief und respektvoll vor Kari. „Ich danke Euch, Jarl Kari."
Kari schmunzelte und zog Finya näher an sich heran.
„Den zweiten Teil meines Dankes wird dir Arvid erklären. Besprich es mit deinem Herren und entscheide dich dann frei." flüsterte er ihr zu und begleitete Finya dann zurück zu ihrem Platz.
Während Finya wieder Platz nahm, blieb Kari stehen.
„Und jetzt lasst uns feiern." forderte er seine Gäste auf. Sofort öffneten sich die Türen und Sklaven kamen herein, um Wein und Blut auszuschenken.  

Dann kehrte auch Kari auf seinen Platz zurück und nickte Aaron kurz zu.
Alles lief wie geplant: es war kurz vor Mitternacht.
Prüfend ließen die beiden Herrscher ihren Blick durch den Raum gleiten.
Nur zwei Tische weiter konnten sie König Makiko ausmachen, der sich angeregt mit seinen Sitznachbarn unterhielt und seiner Sklavin dabei immer wieder beinahe zärtlich über den Rücken strich.
Soeben reichte er der jungen Frau sogar seinen Kelch, um seinen Wein mit ihr zu teilen.
Zufrieden nickten Aaron und Kari sich zu.
„Dort..." flüsterte Aaron und blickte an die Wand hinter König Makiko. Dort stand Krait, der seinen Blick ungeduldig durch den Raum gleiten ließ.
Erneut ließen die beiden Herrscher ihren Blick weiter wandern.
Am Ende des Raumes entdeckten sie schließlich Nagan, der mit einem weiteren Vampir in eine angeregte Diskussion vertieft war.  

Dann, ganz plötzlich, schien die Diskussion zu eskalieren. Beide Männer verspannten sich und knurrten sich gegenseitig an, nur, um sich im nächsten Moment bereits anzuschreien.
Nur Augenblicke später gingen die beiden aufeinander los und begannen, einander zu bekämpfen.
Aller Augen waren auf diesen Streit gerichtet.
Dennoch entging weder Aaron, noch Kari, wie Krait langsam seinen Posten verließ und sich näher an den Tisch der Ehrengäste heranschlich.
„Es geht los, Finya." raunte Aaron ihr kaum hörbar zu.
Finya griff ihren Kelch etwas fester und trank einen Schluck.
Kaum, dass sie ihn abgesetzt hatte, stürmte Krait los, direkt auf Finya zu und zog dabei bereits seinen Dolch.
Entsetzt hob König Makiko seinen Blick, unfähig, etwas zu sagen.
Krait wollte gerade nach Finya greifen und ihr den Dolch an den Hals setzen, als er brutal zur Seite geschleudert wurde. Durch die Wucht schlitterte Krait mehrere Meter durch den Raum, bevor eine Säule ihn stoppte.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Noch bevor auch nur einer mit der Wimper zucken konnte, waren die Schattenkrieger aus ihren Verstecken gekommen.
Während Nagan und sein Gegenüber von je zwei Kriegern überwältigt und zu Boden gerungen wurden, stürzten sich zwei weitere Krieger auf Krait um ihn zu entwaffnen und zu fesseln.
Vier weitere Krieger postierten sich zur Sicherheit  in direkter Nähe von König Makiko und seinen Wachen.
Die restlichen zwei sichtbaren Schattenkrieger postierten sich rechts und links von Finya, um so sie und die beiden Herrscher zu schützen.
All das war so schnell gegangen, dass die Gäste erst jetzt realisierten, was geschehen war.
Langsam und bedächtig stand Kari auf.
„Ich bitte um Verzeihung, für diese...Unannehmlichkeit." wandte er sich ruhig an seine Gäste, bevor er seinen Kriegern zunickte, damit diese die drei Gefangenen abführten.
„Lasst uns weiter feiern." ließ er seine Stimme durch den Saal schallen und auf ein unsichtbares Zeichen hin brachten seine Sklaven mehr Wein. 

„König Makiko..." richtete Kari schließlich das Wort an seinen Gast, der noch immer entsetzt und durch die Schattenkrieger leicht eingeschüchtert umher blickte. „...auf ein Wort..."
Er nickte seinen Leuten neben Makiko zu, die diesem höflich den Weg in einen Nebenraum wiesen.
Er selbst folgte zusammen mit Aaron und Finya und wies Makiko an einem kleinen Besprechungstisch Platz zu nehmen, während er selbst stehen blieb.
„Wusstet Ihr, was Eure Wachen geplant hatten?" richtete Kari sogleich scharf das Wort an Makiko.
Dieser schüttelte sofort entsetzt den Kopf. „Nein, Jarl Kari. Hätte ich auch nur ansatzweise etwas geahnt, ich hätte die beiden nicht mit hierher gebracht. Ich hätte sie vielmehr allein für den Plan in den Kerker werfen lassen."
Die Türe öffnete sich, ein Schattenkrieger trat neben Kari und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Zufrieden nickte Aaron.
„Immerhin scheint ihr nicht noch mehr Verräter in Euren Reihen zu haben."
Kurz musterte der Jarl Makiko schweigend, der fast schon verzweifelt wirkte. „Es tut mir unsagbar Leid, was geschehen ist. Nagan und Magnus dienen mir seit Jahren. Ich kann nicht verstehen..." erneut schüttelte Makiko den Kopf.
„Habt ihr einen Finn unter Euren Wachen?"
Verwundert nickte Makiko.
„Kann Eure Sklavin ihn identifizieren?"
„Ja. Das kann sie... Aber..."
Mit einer simplen Geste schnitt Kari ihm das Wort ab, winkte eine Wache zu sich und wechselte einige Worte mit ihr.
„Wie lange dient Euch Krait?" wandte Kari sich dann erneut an Makiko.
Makiko runzelte die Stirn. „Ihr meint, dass er..." fragte er ungläubig. „Er hat so zuverlässig gewirkt..."
Aaron knurrte leicht. „Wir meinen es nicht nur, wir wissen es."
Nachdenklich musterte Kari seinen Gast.
„Die drei haben sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Sie wollten Finya, die Sklavin von König Aaron, entführen, foltern und töten. Inwieweit dieser Finn auch an der Sache beteiligt ist, wird sich zeigen." erklärte der Jarl dann.
„Der Angriff ist in meinem Schloss geschehen und dazu auf eine Person, die unter meinem persönlichen Schutz steht..." fuhr er fort. „Seid Ihr einverstanden, Eure Männer unter meine Gerichtsbarkeit zu stellen?"
Makiko verneigte sich leicht. „Ich bitte sogar darum, Jarl."
Zufrieden nickte Kari. „Dann wäre das geklärt. Ich werde die Männer persönlich verhören und danach die Urteile sprechen. Aber jetzt lasst uns weiter feiern. Ihr seid eingeladen, mein Gast zu bleiben, bis die Urteile gesprochen sind, sollte das Euer Wunsch sein."
Erneut neigte Makiko den Kopf. „Ich danke Euch, Jarl. Aber das wird nicht nötig sein. Macht mit ihnen, was ihr wollt."

Finya 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt