= kapitel 30 : eine kriegerin erschaffen =

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Die Brünette fand sich auf der majestätischen Brüstung des Balkons ihres Zimmers wieder, von wo aus der Blick mehrere hundert Meter in die Tiefe und wieder tausend Meter empor schweifte. Der Abgrund unter ihr schien nicht nur physisch, sondern auch eine Metapher für ihre inneren Kämpfe zu sein. Zuweilen überkam sie die Sehnsucht nach der Ark, ein beängstigender Gedanke, wenn man bedachte, dass dieser Ort ihre persönliche Hölle, ihre Folter, ihre Stille war. Doch am meisten vermisste sie ihre Mutter, deren liebevolle Gegenwart wie ein schützender Hafen inmitten des stürmischen Ozeans ihrer Gefühle war. Gemeinsam hatten sie immer für den Tag der Einheit geprobt, ein Ritual, das nun schmerzlich durch ihre Einsamkeit unterbrochen wurde. Die Abwesenheit von Bellamy, Clarke, Lexa und allen anderen, die nicht an ihrer Seite waren, hinterließ eine schmerzliche Leere, als ob ein Teil ihres Wesens mit jedem Abwesenden mitgerissen wurde.

Ihre Gedanken, so zart wie der Wind, kehrten zurück zu dem dunkelhaarigen Mann, der eine tiefere Verbundenheit mit ihr teilte, als sie selbst begreifen konnte. Der Streit zwischen ihnen wirkte in diesem Moment so trivial, so unnötig, angesichts ihrer tiefen Liebe zueinander. Die Worte, die sie im Zorn ausgesprochen hatte, nagten an ihrem Herzen wie scharfe Dornen. Es schmerzte sie zutiefst, dass sie, die einst Verbündete, nun Feinde waren, zerrissen von Missverständnissen und einem unnötigen Machtkampf.

"Da bist du ja, ich habe dich schon überall gesucht", drang die sanfte Stimme des Azgeda Königs an ihr Ohr, als er neben sie trat, als wäre er ein Schatten in ihrer düsteren Welt. "Was ist los, Roan?", erkundigte sich die Brünette, doch ihre Augen blieben auf der funkelnden Stadt unter ihnen haften, als ob sie darin nach Antworten suchen würde.

"Wo ist die Cleopatra hin, die ich niedergeschlagen habe?" erkundigte sich der Azgeda König sofort, und ein resigniertes Seufzen entwich der Brünetten. Sie wollte nicht darüber sprechen, wie sehr sie sich verändert hatte. Nicht mehr das ruhige Mädchen von der Ark, das vor wenigen Monden auf die Erde gekommen war, sondern eine Kämpferin, die durch Schmerz und Verlust geformt wurde, eine rachsüchtige Seele auf der Suche nach Gerechtigkeit in einer Welt, die von Unruhen durchzogen war.

"Warum tust du so, als wärst du jemand, der du nicht bist?", fragte Roan und stützte seinen Kopf in die Hände, die auf dem kunstvoll verzierten Geländer ruhten. Die Brünette wandte ihren Blick schließlich ab und schaute tief in die Augen des Azgeda Königs. "Warum denken eigentlich alle, dass ich nicht so bin?" konterte sie mit einem Hauch von Verzweiflung in ihrer Stimme, als würde sie nach Verständnis in einer Welt suchen, die sie zu verschlingen drohte.

"Weil du nicht so bist. Es mag nicht offensichtlich sein, dass du dich verstellst, aber es ist klar, dass dein Herz gebrochen ist", erwiderte Roan, und seine Worte hallten wie ein Echo in der dunklen Stille des nächtlichen Himmels wider. Sein Blick, intensiv und durchdringend, suchte die Tiefen ihrer Seele. "Woher willst du das wissen?" wagte die Brünette zu fragen, und ein leichtes Grinsen zuckte über Roans Lippen, obwohl seine Augen von einer Leere durchzogen waren, die schwer zu durchdringen schien.

"Wer hat es dir gebrochen?" sprach Cleo ihre Frage aus, ihre eigene Stimme klang in ihren Ohren wie ein ferner Widerhall. "Ihr Name war Kezia... Sie hat sich gegen meine Mutter gewehrt, und meine Mutter hat sie geköpft, weil sie dachte, ich sei schwach wegen ihr... Also hat sie mir die Schwäche genommen, obwohl sie eigentlich meine Stärke war. Und jetzt bist du diese Stärke", erklärte Roan mit einer Ernsthaftigkeit, die die Brünette tief berührte. Cleos Augen weiteten sich, und sie spürte, wie die Worte wie ein starker Wind durch ihre Gedanken wirbelten.

"Du... ich... was?" stotterte die Brünette, gefangen zwischen Verwirrung und einem Gefühl von Offenbarung. "Vielleicht nicht auf dieselbe Art und Weise, aber du erinnerst mich sehr an sie. Jetzt habe ich eine Aufgabe für dich", fügte Roan hinzu, und die Brünette lauschte gespannt seinen Worten, als ob sie auf einen Ankerpunkt in dieser sturmgepeitschten Nacht hoffte.

CLEOPATRA || ᵗʰᵉ ¹⁰⁰Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt