Heather

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In den darauffolgenden zwei Nächten schlich sich Adrian raus. Immer wenn er dachte ich würde fest und sicher schlafen, zog er sich an und fuhr mit seinem Auto weg nur um im frühen Morgengrauen zurückzukommen. Ich beschloss ihn nicht zu fragen, wo er hingeht, er würde es mir ohnehin nicht erzählen wollen. Außerdem wusste ich, dass er jede Nacht zu Liam fuhr. Ich selbst hatte mehr Probleme damit, als ich zugeben wollte. Nicht weil ich eifersüchtig war oder Adrian sein Glück nicht gönnte, sondern weil ich panische Angst davor hatte, das sich die Geschichte wiederholen würde.

Während meines letzten Sommers hier in Ontac, wurde ich im Stich gelassen, von allen denen ich am meisten vertraute. Ich hätte es nie erwartet und so kam es, dass das Gefühl des Betruges, noch immer in mir schlummerte. Ich konnte und wollte Adrian nicht verlieren, deshalb sagte ich lieber nichts, als dass ich es ansprach.

„Ich bin heute bei der Kleideranprobe bei meiner Tante." teilte ich Adrian einen Tag später mit. Die Hochzeit war bereits morgen und als Brautjungfer, musste ich wohl oder übel ein Kleid tragen, welches meine Tante ausgesucht hatte. Mir wurde jetzt schon flau im Magen, wenn ich nur daran dachte. Die meisten Brautjungfernkleider waren furchtbar kitschig und absolut unvorteilhaft, aber ich konnte ihr diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. Meine Mutter würde mit ihrem neuen Freund ebenfalls morgen früh anreisen, sie würden aber in eines der hiesigen Hotels gehen. Ich denke der Gedanke in der alten Hütte zu leben, welche gefüllt war, mit Erinnerungen an unser früheres Leben, würde sie nicht ertragen. Ich war Gott froh darüber, denn ihr neuer Freund war ein absoluter Widerling. Nur zu oft schon, streifte seine Hand unabsichtlich natürlich, meinen Hintern oder meine Brust.

„Ja, ich habe es nicht vergessen, ich werde ein wenig Sport machen und auf dich warten." erwiderte Adrian. Kopfnickend zog ich mir meine Schuhe an und verschwand bereits aus der Tür.

Die Fahrt dauerte nur kurze zehn Minuten und schon stand ich vor der alten, prachtvollen Haustür meiner Tante. Ihr Verlobter stammte aus einer der Gründerfamilien und besaß einige Häuser in der Stadt und eine Menge Geld. Alleine diese Haustür zeigte mir, wie reich er war. Ich läutete an der Tür und wartete darauf, dass mir jemand öffnet.

„Lia, mein Gott bist du groß geworden!" schrie mir meine Tante beinahe entgegen als sie mir öffnete und zog mich dabei in eine lange Umarmung. Tante Heather war immer schon sehr liebenswert und gutherzig gewesen, sie konnte in allen etwas gutes finden und man musste sie nur ansehen und ihr Lächeln wirkte ansteckend. Räuspernd entzog ich mich ihr langsam, da ich unbewusst mit meinen Tränen kämpfen musste. Diese Art Umarmung ist eine so liebevolle Geste, welche Mütter ihren Kindern schenkten, mit der Ausnahme, dass meine Mutter mir seit Jahren keine Umarmung mehr gegeben hatte. Schniefend schaute ich sie an und versuchte meine Emotionen wieder in den Griff zu bekommen.

„Komm rein, Süße. Ich warte schon auf dich, du wirst das Kleid lieben und du wirst einfach unglaublich darin aussehen. Es ist Gold mit einer Spur weißen Federn am unteren Ende, es ist sozusagen das Gegenteil von meinem Brautkleid. Das ist nämlich weiß, mit goldenen Federn am Boden. Ah, warte, dreh dich mal bitte." Erklärte sie mir und ich konnte ihr die Vorfreude ansehen. Sie würde eine wunderschöne Braut sein, sie hatte eine wunderschöne Figur, keine Falten, was für fünfunddreißigjährige auch nicht unbedingt ungewöhnlich ist, wunderschöne, hellbraune Haare, welche ihr bis zu den Schultern reichten und hellbraune Rehaugen. Ich tat wie mir gesagt wurde und drehte mich um, bis mir Heather mein Shirt bis zu den Schultern hochzog und sich meinen nackten Rücken ansah. Verwirrt zog ich mein Shirt wieder runter und sah sie an.

„Was tust du da?"

„Dein Kleid hat ein langes Rückendekollete und ich musste sicher gehen, dass du auch einen passenden Rücken hast. Keine Sorge, dein Rücken ist perfekt, trainierst du?" erklärte sie und sah mich dabei an, ihre Augen scannten meinen Körper ab und blieben meiner Meinung nach etwas zu langen an meiner Brust hängen. „Ähm," räusperte ich mich, „Ja ich trainiere tatsächlich, gefallen dir meine Brüste oder wieso starrst du so?" fragte ich sie und erwartete eine ehrliche Antwort. „Klar, deine Brüste sind wunderschön, ich hoffe einfach, dass das Kleid passen wird, ich denke aber das wird es. Du wirst keinen BH tragen können, deswegen habe ich dir selbstklebende Pads gekauft. Deine Haare sind wirklich lang geworden und so wunderschön blond, ich wünschte ich hätte deine Haare. Wir müssen sie aber unbedingt hochstecken, damit man deinen Hals und Rücken gut sehen kann. Komm mit mir nach oben, dann probieren wir das Kleid gleich mal an." Und schon zog sie mich die Treppen nach oben in ihr Ankleidezimmer, welches riesig war und aus mehreren Spiegeln bestand, welche an den Wänden hingen und einigen Schränken. In der Mitte des Raumes befand sich ein Spiegeltisch mit einem weißen Stuhl und vor dem Fenster, hing in einer weißen Hülle, geschützt das Brautkleid. Ich konnte noch nicht viel erkennen, aber es musste riesig sein.

Day and NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt