Into the woods

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Seine Hand umschloss immer noch meinen Arm als wir hintereinander den kleinen Weg im Wald entlangliefen. Es war bereits dunkel und der Mond schien nicht besonders hell in dieser Nacht, weshalb es schwierig für mich war, den Boden unter meinen Füßen zu erkennen. Für Nate schien das kein Problem zu sein, er lief mit einer präzisen Sicherheit durch den Wald, als könnte er jeden Schritt sehen. Natürlich konnte ich das nicht und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich über einen Stein oder eine Wurzel stolperte. „Scheisse" fluchte ich leise und versuchte mein Gleichgewicht zu halten, bevor ich Bekanntschaft mit dem Waldboden machen konnte. Nate drehte sich schnell um und fing mich schnell auf, seine Hände hielten mich an meiner Hüfte fest umklammert. „Kannst du nicht mal allein gehen?" fragte er mich wütend. „Wenn du mich nicht hinterherschleifen würdest, wäre ich auch nicht gestolpert" gab ich prompt zurück und stieß ihn dabei unsanft von mir weg. Mit erhobenem Kinn stolzierte ich an ihm vorbei und zeigte ihm dabei meinen Mittelfinger. Sollte er doch denken, was er wollte, es war mir sowieso egal. Okay, vielleicht nicht egal, aber es sollte mir egal sein. Er spielt sich hier als Retter auf und beschwert sich dann auch noch.

„Du bist ein undankbares Stück, wann bist du so geworden?" sagte Nate und seine Stimme triefte vor Verachtung. „Fick dich, Nate! Lass mich allein, ich finde den Weg und brauche dich bestimmt nicht um nach Hause zu kommen!" entgegnete ich. Ich ging weiter und versuchte dabei auf meine Umgebung zu achten, jetzt erneut vor ihm zu stolpern, würde mein Stolz nicht gerade guttun. Also ging ich weiter und merkte nach einigen Minuten, dass es still wurde. Ich konnte keine anderen Schritte mehr hören, also drehte ich mich um und suchte den Weg nach Nate ab. Doch er war nirgends zu sehen, ob er mich wohl endlich in Ruhe lassen würde. Vielleicht war er wieder auf die Party zurückgegangen, schließlich hatte seine kleine Schwester Geburtstag. Seine kleine Schwester, welche ich vorhin zum Weinen gebracht hatte. Ob ich es zugeben wollte, oder nicht, doch ich hatte ein kleines, schlechtes Gewissen deswegen. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und versuchte die Gedanken loszuwerden, schließlich hatte von ihnen auch keiner ein schlechtes Gewissen. Es tat ihnen nicht leid, keinen von ihnen. Ich würde den Weg schon allein finden, so schwer konnte es nicht sein also ging ich einfach stur weiter geradeaus.

Auf meinem Handy Display konnte ich erkennen, dass ich mittlerweile schon 30 Minuten unterwegs war und keine Ahnung mehr hatte, wo ich eigentlich bin. Ich konnte das Meer hören, die Wellen, welche am Strand brachen und das Salz riechen. Das bedeutet, ich musste in der Nähe des Strandes sein. Fuck, ich würde von Strand aus noch ewig heimbrauchen, selbst von den kleinen Strandabschnitt, welcher von unserem Haus am schnellsten zu erreichen war, bräuchte ich noch eine gute Stunde.
„Verdammte scheisse" schrie ich laut los und versuchte krampfhaft nicht loszuheulen. Wie ich Adrian in diesem Moment hasste, ich wusste, dass sowas passieren würde. Deswegen wollte er auch unbedingt auf diese Party gehen.

„Du hast dich verlaufen" hörte ich plötzlich Nates Stimme hinter mir und drehte mich erschrocken um. Mein Herz pochte wie wild und schnell hielt ich mir meine Hand auf die Brust. „Willst du mich umbringen?" schrie ich ihm entgegen. Er war mir also doch gefolgt und hatte mich nicht allein gelassen. „Wieso bist du überhaupt hier. Ich dachte, du wärst wieder auf die Party gegangen, um deine kleine Schwester zu trösten." Zugegeben, ich provozierte gerne und dass ich Elena erwähnte, machte es nicht besser. „Du bist wirklich unmöglich, fandest du es eigentlich witzig, Elena an ihrem Geburtstag so fertig zu machen. Nachdem sie dich eingeladen hat und sich mit dir versöhnen wollte?" fragte mich Nate und schien dabei ernsthaft an einer Antwort interessiert zu sein. „Ja, es ist immer amüsant zu sehen, wie Menschen reagieren, wenn man sie mit ihrer eigenen Medizin füttert" erwiderte ich gelassen und zog dabei die Schultern hoch. „Hat dich der Tot von deinem Vater eigentlich zu so nen Miststück werden lassen oder gab es noch andere Gründe?"

Das hatte er nicht gesagt, das war unterste Schublade und ganz dünnes Eis. „Was hast du gerade gesagt?" Nate sah mich provozierend an und ich zog eine Augenbraue hoch. Der Tod meines Vaters hat mich zerstört aber vor allem hat er meine Mutter zerstört. Seitdem trinkt sie nur noch und leidet unter Nervenzusammenbrüchen. Das ist ein Tabuthema und Nate weiß das, er versucht mich absichtlich zu verletzten. „Verschwinde, bevor ich mich vergesse" drohte ich ihm und sah ihn dabei tief in die Augen. Die Tränen, welche sich ihren Weg aus meinen Augen kämpften, versuchte ich zwanghaft wegzublinseln und drehte mich schnell wieder um damit er ja nicht sehen konnte, wie sehr mich sein Kommentar gekränkt hat. Ich musste einige Male meine Hände zu Fäusten ballen und wieder loslassen, meine Atmung wieder unter Kontrolle bekommen und weitergehen. Doch schon nach einigen Schritten merkte ich, wie mir doch einige Tränen die Wangen runter rannten und ich sie schnell wegwischte. Nate wusste, was er sagen musste um mich zu verletzten, er wusste, wo meine Achillesferse war.

Und nach einige Augenblicken konnte ich seine Hände spüren, wie sie sich von hinten um meinen Bauch legten und mein Rücken gegen seinen Bauch drückte. Zittrig und verwirrt stand ich nur da und genoss für einen kurzen Augenblick diese Berührung. Dieser kurze Augenblick, welcher sich wie früher anfühlte, damals als noch alles in Ordnung war, als die Welt sich noch normal schnell drehte. Ich konnte spüren, wie Nate an meinen Haaren roch und bevor ich mich wehren konnte, sagte er leise „Es tut mir leid, ich hätte sowas nie sagen dürfen." Nein, das hätte er nicht und just in diesem Moment, nahm ich seine Hände in meine und versuchte ihn wegzudrücken. Versuchte mich von ihm loszureißen, denn ob ich es wollte oder nicht, er hatte immer noch, selbst nach all der Zeit, diesen Effekt auf mich. Ich konnte ihn nicht widerstehen, konnte mich kaum aus seinem Griff befreien. „Bitte bleib einfach kurz stehen und genieße es." sagte Nate leise und drückte mich fester an sich. Also versuchte ich es, ich versuchte mich kurz zu entspannen und dann loszulassen, doch ich konnte nicht. Zu tief war mein Schmerz, zu stark wurde ich verletzt und ich wollte auch, dass er weiß, wie weh mir alles tat. „Verstehst du nicht, dass ich es nicht kann. Es tut immer noch so weh, wenn ich dich sehe und wenn ich mit dir rede, verdammte es tut einfach weh!" versuchte ich mich verzweifelt zu befreien. „Für dich mag es vielleicht egal sein, ich war dir wahrscheinlich einfach egal, aber für mich, warst du alles." Mittlerweile liefen mir die Tränen die Wange runter für diesen kleinen Moment, war es mir egal, ob er mich so sah, es war mir egal, er durfte ruhig wissen, wie sehr er mich verletzt hatte und auch wenn es sein Ego pushte, durfte er ruhig wissen, wie weh es immer noch tat. „Es ist mir nicht egal" sagte er ruhig, drehte mich um und nahm mein Gesicht mit beiden Händen sanft „Es war mir nie egal" und strich mir dabei eine Träne von der Wange. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und sah ihn an. „Komm" sagte er und nahm meine Hand „ich bringe dich heim. Wir brauchen noch etwa ne halbe Stunde und sollten langsam in die richtige Richtung gehen" Perplex lies ich meine Hand in seiner und folgte ihm wortlos durch den Wald.

Day and NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt