Ich durchquerte die Menge, doch fand keine meiner Freundinnen, geschweige denn der Jungs. Also ging ich schnurstracks zum Ausgang, in der Hoffnung ein Taxi vor der Tür zu erwischen und so schnell wie möglich hier zu verschwinden.
„Hey Sophia, ist alles in Ordnung?", fragte mich jemand. Ich drehte mich ruckartig um und schlug kurz um mich. Es war James Gesicht, das vor oder besser gesagt über mir ragte.
„Ehm ja, mir geht's nur nicht so gut, da wollte ich mir ein Taxi rufen. Die anderen habe ich nicht gefunden kannst du ihnen Bescheid sagen, wenn du sie siehst, bevor sie sich Sorgen machen?"
„Ja mache ich, ist denn wirklich alles in Ordnung, du siehst nicht gut aus?", hakte er nach. „Wirklich alles gut", versicherte ich ihm.
Ich versuchte die Bilder der letzten Minuten aus meinem Kopf zu verdrängen, bevor mir noch wirklich schlecht wurde.
„Komm gut heim. Gute Nacht", sagte er noch. „Gute Nacht James." Ich drehte mich um, lief geradewegs zur Straße und rief mir ein Taxi, welches tatsächlich sofort hielt. Ich stieg ein und versuchte dem New Yorker Nachtleben so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, doch es gelang mir nicht. Was zum Teufel war das vorhin gewesen. Was will der Typ von mir, von dem ich nicht mal den Namen kenne. Er geht so vorsichtig und fast schon respektvoll mit einem um und gleichzeitig so dunkel, so verführerisch, so rau und brutal. Ich konnte nicht leugnen, dass er mir Angst gemacht hat, dass Déjà-vu Bilder hochkamen, die mich in das ängstliche, hilflose Mädchen von damals zurückversetzt haben. Und das war der Punkt, der mich am meisten aufregte. Er hat mich in die Rolle meines vergangenen, verabscheuenden Ichs zurückgesetzt. Das hasste ich so viel mehr an der ganzen Situation, als die wirkliche Drohung. Denn in seiner Stimme und seiner Art lag was Vorsichtiges und Beschützendes. Keine Ahnung wie sich diese widersprüchlichen Aussagen und Gefühle einigen sollten, doch ich konnte genau so wenig leugnen, dass er etwas Neues in mir ausgelöst hat, was mir verdammt nochmal eine weitere Heiden Angst einjagte. Lust, Begierde und die Sehnsucht nach Zuneigung und Liebe. Doch die werde ich von jemanden wie ihm nicht bekommen. Er vögelte sich vermutlich durch die Weltgeschichte, nahm sich was er brauchte und warf es dann wieder weg. Ich musste ihn vergessen und hoffen, dass ich ihm nicht nochmal so schnell über den Weg laufe. Gut, dass er jetzt wusste in welchem Café ich arbeitete. Wenigstens war ich da nicht alleine, wenn ich nicht gerade Frühschicht hatte.
„Miss, wir sind da!", sagte der Fahrer plötzlich.
„Ehm ja tut mir leid, ich war in Gedanken", antwortete ich verschreckt.
„Habe ich gemerkt, geht es Ihnen gut?", fragte er nett nach.
„Ja alles gut, hier stimmt so. Schönen Abend noch", wünschte ich ihm und stieg aus dem Wagen. „Vielen Dank, Ihnen auch", erwiderte er und fuhr los.
Ich stieg die Stufen hoch, völlig müde und platt, als wäre ich seit 24 Stunden auf. Was nicht mal weit entfernt war. Ich ging ins Bad putzte mir schnell die Zähne, wusch mich und fiel, nachdem ich schnell das Kleid auf den Boden plumpsen ließ, sofort ins Bett. Es war ein tiefer fester und zum Glück traumloser Schlaf.
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Schattenpfade im Licht - gefährliches Verlangen
ChickLitHast du dich auch schon einmal blind auf deine Gefühle verlassen und dich von etwas Dunklem hinreißen lassen? Vor dieser Frage steht die 23-jährige Sophia, die eigentlich ihr ganzes Leben in New York durchgeplant hat. Doch was, wenn da plötzlich jem...