Am nächsten Morgen wurde ich vor Aufregung natürlich vor dem Wecker Klingeln um halb neun wach. Ich duschte mich, frühstückte und schrieb Leyla, dass sie gerne schon kommen könnte. Denn Leyla war was Frisuren angeht definitiv talentierter als ich, sodass ich kein Risiko eingehen wollte. Auf mein Handy schaute ich bewusst nicht drauf, um ein Gefühlschaos zu verhindern und nicht meinen Fokus auf das heutige Ereignis zu verlieren. Um 10 Uhr stand sie dann auch schon vor meiner Haustür.
„Ich hoffe dir ist bewusst, was für ein Opfer ich dir hier gerade bringe, indem ich meinen wertvollen Schlaf für dich opfer. Also wehe es wird das nicht wert sein", brummelte sie verschlafen.
„Du bist ein Schatz", begrüßte ich sie und umarmte sie.
Wir setzten uns in die Küche und bewaffneten uns mit tausenden Haargummis und Haarklammern.
„Also hast du eine Idee, wie deine Frisur aussehen soll?", fragte Leyla mich.
„Nein, absolut nicht. Du zauberst einfach etwas und ich werde es bestimmt lieben", erwiderte ich erwartungsvoll.
„Dein Ernst Sophia? Wie soll ich mit so viel Druck umgehen?", stöhnte Leyla auf, doch sie begann fieberhaft meine Haare zu kämmen und zu sortieren. Währenddessen beschwerte sie sich die ganze Zeit, wie viele Haare ich doch hätte. Wir hörten ein wenig Musik und quatschten über die möglichen Gäste heute Abend. Und ich musste ihr versprechen bei den Promis ein Autogramm für sie abzustauben.
„Leyla, da laufen nur reiche Erben und Schnösel rum und bestimmt nicht Shawn Mendes, Rihanna oder sonst wer", lachte ich.
„Ja wer weiß, auf jeden Fall läuft da bestimmt gutes Material rum", sagte sie augenzwinkernd.
„Ja ganz bestimmt, schlag dir das mal lieber wieder schnell aus dem Kopf", sagte ich augenrollend.
„Weißt du wer sich wieder von den Toten gemeldet hat?"
„Nein, nicht dein Ernst! Dieses Arschloch will mich wohl verarschen, ich glaub das nicht! Was hat er gesagt?", regte Leyla sich lautstark auf.
Ich erzählte ihr von seiner Entschuldigung, worauf ich nicht groß eingegangen bin und nicht mehr groß geantwortet habe.
„Sehr gut. Das ist meine Sophia, stark und eigenwillig. Du wirst heute Abend umwerfend aussehen und die echten Kerle werden dir hinter her rennen", sagte sie mit Stolz und Überzeugung.
„Na, wenn du das sagst", erwiderte ich.
Leyla war noch eine weitere Stunde mit Nadeln, Klammern und Lockenstab an mir zugange. Ich hatte mittlerweile gefühlt mehrere Nadeln im Kopf stecken und konnte nicht mehr stillsitzen. Denn ich wollte unbedingt sehen, was sie sich überlegt hatte.
„Na na, du bist noch lange nicht fertig", meinte sie, als ich nach dem Spiegel greifen wollte.
„Jetzt ist erst noch das Make-up dran, denn das muss absolut hammermäßig werden. Also nicht als würdest du dich nicht schminken können, aber du neigst dazu zurückhaltend zu sein und dafür ist heute kein Platz", meinte sie.
Ich erwiderte nichts, denn vermutlich hatte sie Recht. Ich würde lieber wieder zu wenig machen und die klassischen Farben verwenden, damit nichts schief ging. Sie holte ihren ganzen Schminkkoffer heraus.
„Um Gottes Willen, was hast du denn vor?", fragt ich erschrocken.
„Keine Sorge, ich habe Geschmack", sagte sie nur lässig und holte auch schon ein Haufen an Pinseln und Farben heraus.
„Rot und gold, spinnst du denn, damit sehe ich aus, als hätte ich einen aufs Auge bekommen!", wehrte ich mich.
„So Ruhe jetzt! Ich werde das Hinkriegen, dass es gut aussieht, und das musst du jetzt über dich ergehen lassen, wenn du mich schon aus dem Bett scheuchst!", erwiderte sie trotzig und fing an meine Augenbrauen etwas nachzumalen und auszufüllen.
„Ich glaube Fondation und den ganzen Kram lassen wir, weil du so eine schöne Haut hast und so süße Sommersprossen vom Sommer noch, das wäre eine Schande die zu verstecken", sagte sie mehr zu sich selbst als zu mir.
Also nickte ich nur und ließ sie machen. Dann fing sie mit meinen Augenlidern an. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie mehrere dunkelrote Töne verwendete, sowie, gold und braun. Wobei sie auch unter meinem Auge anfing, umherzumalen. So hatte ich mich noch nie geschminkt. Deswegen war ich mehr als nervös, als ich spürte wo Leyla überall umher malte.
„So, dann machen wir erstmal den ganzen Glitzer vom Gesicht und dann kommt die Wimperntusche und Concealer, denn Sophia du hast Augenringe wie ein Panda vom Arbeiten", tadelte sie mich.
„Ja ich weiß", gab ich zu.
Es war mittlerweile fast halb eins, als Leyla endlich nach hinten trat und mich sehr kritisch musterte.
„Aaah, ich glaube wir haben es!", quietschte sie.
„Darf ich jetzt endlich im Spiegel gucken?", fragte ich ungeduldig.
„Ah, warte eine Sache noch", sagte sie.
Sie kramte in ihrer Tasche umher und holte einen rosegoldenen, mit Schmuck besetzten Haarkamm heraus, den sie mir noch vorsichtig hinten reinsteckte.
„So jetzt darfst du gucken.", sagte sie zufrieden.
Ich rannte in mein Zimmer zum Schrankspiegel und schlug mir die Hand vor den Mund. Ich war absolut geschockt. Mein Make Up war so edel, schick und glamourös, als würde ich zum Red Carpet gehen. Ich hatte mich noch nie rot geschminkt, weil es immer doof aussah, doch das war ein Meisterwerk, meine Augen stachen so blau hervor und ein paar Locken fielen um mein Gesicht herum, wie bei einem Portraitfoto. Ich nahm mir einen Handspiegel und sah mir die Frisur genauer an. Es war eine verspielte Hochsteckfrisur, welche die Hälfte meiner Haare hochhielt, während die anderen Haare in wunderschönen Locken herabfielen.
„Leyla, ich bin absolut sprachlos. Nie im Leben hätte ich mir vorgestellt, dass das so gut und umwerfend aussieht. Danke", sagte ich immer noch komplett überwältigt.
„Und das jetzt mit dem roten Kleid, das wird der Wahnsinn, wirklich!", sie klang selbst total aufgeregt und happy.
Wir machten erstmal eine Pause und aßen etwas, bevor ich dann in das Kleid und die Schuhe schlüpfte. Das Kleid brauchte glücklicherweise nicht einen von diesen Klebe BHs. Die waren manchmal sehr merkwürdig, zudem auch noch teuer und hielten nicht besonders. Als ich den Schuhkarton öffnete, sah ich das Linda mir noch eine Clutch und einen kleinen Zettel dabei gelegt hatte. Auf diesem standen ein paar aufmunternde und sehr ehrliche und persönliche Worte, die mein Herz erwärmten. Die Clutch passte perfekt zum Kleid. Oh Gott, wäre Linda nicht so umsichtig gewesen, hätte ich jetzt keine Clutch gehabt, zumindest nicht so passend. Ich ging vorsichtigen Schrittes in die Küche, wo Leyla saß, als ihr das Müsli aus dem Mund flog.
„Heilige Scheiße! Oh mein Gott, ich habe noch nie so ein elegantes, wunderschönes und zugleich sexy Kleid gesehen. Also wenn du dir heute keinen Mann angelst, dann weiß ich aber auch nicht weiter", sagte sie staunend.
„Dankeschön Leyla, das wäre ohne dich nie so gut geworden, wirklich, danke."
„Kein Ding immer gerne. Dafür hat es sich ja auf jeden Fall gelohnt und schaffen tu ich heute dann auch mal ausnahmsweise noch was", lachte sie.
„Wie kommst du eigentlich dahin?", fragte Leyla.
„Ich glaube ich muss mir wohl ein Taxi nehmen, weil in die U-Bahn steig ich damit bestimmt nicht", sagte ich überlegend.
„Ja das ist ja wohl klar, dass du da noch abwägst. Ich wünsch dir auf jeden Fall einen ganz tollen Abend, pass auf dich auf, aber habe auch ganz viel Spaß. Denk dran das ist nicht nur Arbeit. Und wenn was ist, kannst du mich jederzeit erreichen."
„Das ist sehr lieb von dir, danke. Bis die Tage mal, ich werde mich melden", versicherte ich ihr.
„Hab dich lieb!", rief sie mir noch zu und verschwand mit ihren Sachen durch die Tür.
So halb zwei, dann sollte ich mich jetzt wirklich auf den Weg machen, um vor Ort nochmal alles durchzuchecken. Ich packte noch schnell meine Clutch, um das Nötigste dabei zu haben. Handy, Lippenstift und ich glaub das Pfefferspray konnte heute hierbleiben.
Gegen viertel nach zwei stand ich im Fahrstuhl und fuhr hinauf aufs Dach. Die Kellner waren alle schon da. Es war keiner ausgefallen. Die Getränke standen alle bereit. Ich wies jeden Angestellten in seine Aufgaben ein, worauf zu achten war und dass sie mich jederzeit fragen sollten, wenn es ein Problem gab. Das Orchester war bereits am Aufbauen der letzten Bühnenmerkmale und einstimmen ihrer Instrumente. Der Fotograf mit seinen zwei Assistenten war auch schon am Begutachten der Location und Testen seiner Lichteinstellungen. Die Liveband würde erst später gegen Abend kommen, also ging ich nach draußen und betrachtete die spätere Partylocation. Es war wirklich gut geworden und das Wetter spielte zum Glück in vollen Zügen mit, als wäre es auch großzügig dafür bezahlt worden. Es waren angenehme 18 Grad und mit den Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolkenkratzer kämpften, nochmal ein paar gute Grad wärmer. „Ich habe wirklich noch nie so eine schöne, glamouröse und durchdachte Location hier oben gesehen. Sie haben die Dachterrasse in einen Märchenwald verzaubert und dennoch sieht man ganz New York und fühlt sich zu Hause. Es ist magisch. Mein größter Respekt für ihre Arbeit Miss", sagte plötzlich der Ober, mit dem ich schon einige Gespräche geführt hatte.
„Vielen Dank. Ja es war sehr viel Arbeit, aber mir wurden auch gute finanzielle Spielräume gegeben, die ich mit meiner Kreativität ausfüllen konnte", erwiderte ich.
„Das sieht man, dass sie sich Mühe gegeben haben und ihre individuellen Träume und Ideen haben einfließen lassen und vor allem, dass sie selbst viel geschuftet haben, damit alles perfekt wird. Ich möchte Ihnen nur sagen Miss, dass wir unseren Teil auch hoffen, so gut wie Sie zu erledigen und Ihnen wünschen selbst an dem Abend teilnehmen zu können und ihn zu genießen. Denn Sie sehen viel zu umwerfend aus, um nur neben dem Geschehen zu stehen."
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, dankeschön", sagte ich etwas überrumpelt von den lieben Worten.
Ich prüfte als aller letztes noch die Hotelzimmerbelegungen, dass auch ja jeder unterkommen würde und alles vorbereitet war, sodass ich um halb vier dann sehr nervös auf einer der Sitzloungen saß, da es in ca. einer Stunde los gehen würde.
„Hier ist ihr Kakao Miss", sagte plötzlich einer der Kellner. Er war noch recht jung aus und stellte mir eine Tasse dampfenden Kakao hin.
„Vom Chef, der soll die Nerven beruhigen." Er zwinkerte mir zu und verschwand. Ok das war merkwürdig, aber sehr nett. Anscheinend war ihm mein Kakaokonsum in den letzten Vorbereitungstagen aufgefallen. So genoss ich meinen Kakao und passte ja auf mein Kleid nicht zu ruinieren und relaxte mich ein wenig in der Sonne mit Blick auf New York, was einen nur so träumen und staunen ließ.
Gegen kurz vor halb fünf, begannen wir mit dem Auffüllen der hunderten Champagnergläser zum Empfang. Die Kellner waren fleißig am Korken knallen und postierten sich an ihre Plätze auf der Dachterrasse, wo zunächst der Empfang begann, bei dem schönen Wetter, welches den Blumenhimmel nur so leuchten ließ.
„Die Lobby berichtet, dass das Brautpaar vorne mit den ersten Gästen angekommen sei", sagte der Ober zu mir.
„Ok gut dann heißt es jetzt Showtime an alle, das wird eine besondere, glamouröse Hochzeit, mit vielen besonderen Gästen, denen es an nichts mangeln darf. Also los!", motivierte ich das Team, obwohl Ansprachen eigentlich nicht so mein Ding waren.
Da kamen Amber und ihr Mann auch schon aus dem Aufzug. Amber trug ein wunderschönes weißes, verziertes und glitzerndes Kleid, was sie wie eine Prinzessin, noch viel mehr eine Königin aussehen ließ. Ihre Haare waren aufwendig hochgesteckt und mit Perlen und Steinchen verziert, ihr Make-Up absolut professionell und schick. Allem in allem sah sie sehr eindrucksvoll aus, wie auch ihr Ehemann an ihrer Seite, der auch wie man zugeben musste, nicht schlecht aussah und sehr elegant wirkte. Doch beide strahlten über beide Ohren und schienen sehr glücklich zu sein. Amber stürzte auf mich zu und umarmte mich.
„Oh Sophia, dass sieht alles so fabelhaft aus und so perfekt, du hast dich wirklich selbst übertroffen und am meisten mit deinem eigenen Outfit, du siehst traumhaft schön aus", sagte sie aufgeregt und glücklich.
„Du, das kann ich nur zurückgeben ihr beiden sieht umwerfend aus. Ich hoffe ihr hattet eine sehr schöne Trauung", erwiderte ich.
„Oh ja, so romantisch und emotional", schwärmte sie.
„Hi ich bin Collin, der Mann von Amber. Tut mir leid, dass wir uns vorher nie persönlich getroffen haben, aber wie ich sehe, haben Sie und meine Frau ja alles richtig gemacht", stellte sich Collin vor.
Die ersten Gäste strömten in den Eingangsbereich, sodass ich Amber und Collin zur Dachterrasse führte, damit die weiteren Gäste ihnen folgten.
„Sophia!", schrie Amber plötzlich und mein Herz blieb stehen.
„Das ist ja absolut unmöglich. Wie hast du es geschafft, so eine Märchenlocation zu schaffen? Ich hätte es mir nicht in meinen kühnsten Träumen so schön vorgestellt", schluchzte sie leicht.
Erleichterung erfasste mich, denn ich hatte den Nagel, wie erhofft, auf den Kopf getroffen. Auch Collin schien beeindruckt, sie staunten hinweg Schritt für Schritt, bis ihnen der Kellner den Champagner an bot.
„Sophia, du hast es geschafft dem schönsten Tag in unserem Leben etwas Magie zu verleihen. Danke!", sagte Amber und drückte mich fest. Die weiteren Gäste strömten auf die Dachterrasse und kamen nicht aus dem Staunen heraus. Mein Stolz wuchs innerlich und ich freute mich, dass alles so gut ankam. Nach einer viertel Stunde war die Terrasse auch schon gut gefüllt. Schicke elegante Abendkleider, Anzüge und Smokings zierten die Location. Man konnte meinen, die ganze High Society New Yorks befand sich auf diesem Dach Manhattans und feierte die Hochzeit von Amber und Collin. Der Bräutigam ergriff das Wort und begrüßte die Gäste.
„So Hallo erstmal alle zusammen. Ich möchte euch hier auf dem schönsten Dach New Yorks begrüßen, um mit uns heute diesen besonderen Tag zu feiern. Dass dieser Tag so möglich geworden ist und sich in diese Traumlocation verwandelt hat, haben wir meiner Frau und vor allem Sophia zu verdanken, die ich euch einmal vorstellen möchte. Wie ihr sehen könnt, hat sie ein unglaubliches Talent, Magie an Orte zu bringen und Träume wahr werden zu lassen, deswegen ein herzliches Dankeschön für diese Überraschung, die du uns schon beschert hast und für alle Weiteren, die an diesem Abend und in dieser Nacht noch kommen werden, denn heute wird gefeiert, bis die Sonne wieder aufgeht, also erhebe ich das Glas auf uns alle und wünschen uns eine tolle Feier! Cheers!"
Die Gläser klirrten und die Leute begannen zu lachen und zu reden. Ich hielt mich zunächst etwas bedeckt, bis eine nette Frau auf mich zu kam.
„Hey ich bin Nathalie, die beste Freundin von Amber, ich wollte sagen, dass deine Künste mich wirklich überzeugt haben und ich sowas noch nie gesehen habe", sagte sie.
„Dankeschön, ich habe so eine große Hochzeit in dem Rahmen auch noch nicht organisiert muss ich sagen und bin sehr erleichtert gerade", erwiderte ich, mit immer noch hoch rotem Kopf, nach dieser Ansprache, auf die ich so nicht vorbereitet gewesen war.
„Ich würde dich gerne ein paar Freunden weiter empfehlen bei denen die Verlobung schon quasi ansteht und wenn mein Freund dann auch endlich mal so weit ist, werde ich mich bestimmt auch bei dir melden", sagte sie zuversichtlich.
„Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank", erwiderte ich vollkommen überrascht und erfreut zugleich.
Meine Hoffnung hier gute Connection zu schließen, hat sich erfüllt.
„Ach was, nenn mich Nathalie bitte. Bist du in Begleitung gekommen? Wenn nicht kann ich dich gerne ein paar meiner Freunde vorstellen, dann brauchst du nicht alleine deinen Champagner trinken", bot sie hilfsbereit an.
Ich war so glücklich erleichtert und überfordert von der Situation, weil ich niemals gedacht hätte, dass es so einfach werden könnte.
„Ehm, nein ich bin alleine hier, sehr gern", antwortete ich etwas verhalten, weil ich noch so perplex von den Geschehnissen der letzten Minuten war. So traf ich auf noch vier andere sehr nette junge Frauen, die mich nach meinen Interessen und Leben fragten, mir viele interessante Geschichten erzählten und irgendwann anfingen die männlichen Gäste auszuspotten. Ich musste aufpassen, denn den Champagner konnte man sehr gut trinken und die Kellner sorgten wie bestellt für sofortigen Nachschub, nur dass ich noch ein wenig klar denken wollte, bis der Abend richtig begann. Keine Ahnung, ob das vom Champagner kam, aber aus irgendeinem Grund kribbelte es schon eine ganze Weile in meinem Körper, was mich etwas nervös machte. Gegen viertel vor sechs musste ich mich dann kurz verabschieden, um einmal bei den Kellnern vorbeizusehen, ob alles mit den Essenvorbereitungen im Saal lief. Markus, der Ober, beruhigte mich, dass alles wie geschmiert lief. Die Band rief mich an, dass sie auch pünktlich um 19 Uhr eintreffen sollte. Marcus führte die Hochzeitsgesellschaft in den Speisesaal, wo das Orchester bereits leise im Hintergrund spielte, sodass die Gäste voller Staunen den Saal betraten, ihre Plätze einnahmen und teilweise schon hungrig das Buffet betrachteten. In der Zeit als noch kurze Reden gehalten wurden und das Buffet eröffnet wurde, ging ich zurück zur Terrasse. Die Kellner waren dabei alles wieder piko bello sauber zu machen, die Bar auf den kommenden Ansturm später vorzubereiten, sowie die ganzen Lichter schon einmal einzuschalten und noch einmal etwas zu richten.
Es dämmerte langsam und die Lichter unter dem Blumenhimmel verwandelten die Terrasse in ein Märchenwald. Ich ging zur Scheibe, hinter der New York selbst anfing zu leuchten, während die Straßen in ein goldenes Licht getaucht wurden. Ich verharrte noch einen Moment, als ich jemanden hinter mir spürte.
„Hi Prinzessin."
Es waren zwei Worte, die mein Herz zum Stehen brachten. Ich drehte mich um, unfähig irgendwas zu tun oder zu sagen, als ich in die einzigen grünen Augen blickte, die meine Welt auf den Kopf stellten. Er trug einen hellgrauen leicht karierten Anzug, mit weißem Hemd, schicken braunen Schuhen, einer vermutlich sauteuren Uhr und seine Haare sahen wie immer sexy aus.
„Erzähl mir nochmal du wärst keine Prinzessin. Denn aussehen tust du wie eine aus einem Märchen, wunderschön, umwerfend, anmutig und glamourös", sprach er leise.
„Was tust du hier, was zum...?" Ich konnte es nicht fassen und war zu sehr geschockt.
„Collin ist mein Cousin. Ich habe dich schon vorher beim Sektempfang gesehen und konnte meinen Augen nicht trauen, als du da plötzlich standest, wie ein Engel mitten in der Menge. Du warst so in deinem Element, da hast du mich gar nicht wahrgenommen unter den vielen Leuten."
„Doch ich habe dich wahrgenommen, aber nicht gesehen. Wie all die Zeit", sagte ich leise, doch er verstand es und schaute stutzig.
„Ist auch nicht so wichtig, muss ich jetzt nicht erklären. Ich habe nichts mehr groß mit dir zu bereden, also bitte ruinier mir nicht den Abend, denn ich muss dafür sorgen, dass er perfekt wird", sagte ich verzweifelt und wollte gehen, da nahm er meine Hand und hielt mich fest. Da war es, das Kribbeln explodierte in mir und ließ mich schaudern.
„Es tut mir unglaublich leid Sophia, ich habe es total verpeilt, ich wollte dir schreiben und da war mein Handy schon weg, ich hätte dir schon viel eher Bescheid geben sollen, das war ein schrecklicher Fehler von mir, es tut mir leid", flehte er mich an.
Und ich spürte eine Erleichterung, weil es ihm gut geht, eine Erleichterung, weil er sich ja doch noch irgendwie für mich interessierte und eine Wut, weil ich mich von ihm distanzieren wollte, was aber unmöglich war bei seiner Nähe.
„Ich... Ich kann jetzt nicht", sagte ich und lief in Richtung Speisesaal. Ich konnte mir jetzt kein Gefühlschaos erlauben, also flüchtete ich zum Buffett und nahm meinen Platz ein, bis Nathalie mich rief, mich doch an ihren Tisch zu setzen, wo bereits einige aufgestanden waren. Das war keine schlechte Idee, etwas Ablenkung und gutes Essen würde helfen. Also ging ich zum Buffett und nahm mir etwas vom Gemüse, den Kartoffeln und vom Rinderfilet, wo ich unweigerlich an mein erstes Date mit Theo zurückdenken musste.
„Pass auf, das Fleisch ist roh", flüsterte jemand hinter mir und nahm sich auch ein Stück. Ich verharrte einen Moment wie festgefroren, bevor ich mich umdrehte und ohne ein Wort zurück zum Platz ging.
„Kennst du ihn da?", fragte Nathalie plötzlich und zeigte auf Theo.
„Flüchtig vielleicht, wieso?", fragte ich, ohne groß aufzuschauen.
„Nun ja er scheint dich entweder zu kennen oder sehr zu mögen, so wie er dich ansieht", erwiderte sie und automatisch blickte ich kurz auf, sodass sich unsere Blicke trafen. Ich konnte nicht sagen was er dachte oder wollte. Er hatte ein leichtes Grinsen auf den Lippen und wirkte so geheimnisvoll und verschlossen, wie so oft.
„Ja keine Ahnung ich kann ihn eigentlich nicht so wirklich ausstehen, versuchte ich das Thema umzulenken, um nicht länger drüber nachzudenken. Zum Glück unterbrach ihre Freundin Sarah sie, um sie etwas wegen einem geplanten Spiel zu fragen, sodass ich weiteren unangenehmen Fragen entkam. Ich genoss das Festmahl, welches vom allerfeinsten war. Dazu bestellte ich mir ein Glas Weißwein und begutachtete den Saal. Alle Leute waren entspannt am Reden oder Essen und schauten dem Orchester zu, welches wundervolle Musik spielte. Es passte so gut in das Ambiente und schaffte eine entspannte und zugleich edle Stimmung. Alle schienen sehr glücklich zu sein, vor allem Amber und Collin. Sie zwinkerte mir zu, als sie mich ansah und wies mir zu, zum Buffet zu kommen. Ich stand auf und sie kam auf mich zu.
„Sophia, hast du schon die Tarte au Chocolat probiert, die ist so gut, wie im Café wo wir waren", schwärmte sie. Ich musste lachen.
„Weißt du was ich bei denen am Tag danach bestellt habe für heute? Richtig! 20 Tarte au Chocolat", sagte ich grinsend.
„Nein, nicht dein Ernst", sagte sie vollkommen entrüstet und überrascht.
„Oh doch, nachdem ich gesehen hatte, wie gut du die findest und selbst probiert habe, wie lecker die sind, habe ich die auf die Dessertkarte mit aufgenommen", sagte ich.
„Du bist so ein Schatz Sophia, wirklich! Und jetzt möchte ich, dass du gleich zur Bar flitzt und dir was Leckeres zu Trinken holst und dann Spaß hast. Du hast das so verdient und es läuft alles so am Schnürchen, da darfst du jetzt auch mal etwas loslassen, ok?", sagte sie mit eindringlichem Blick zu mir.
„Ja ist ja gut, werde ich machen", gab ich nach und schnappte mir ein Stückchen der Schokoladentorte und ging zum Platz zurück. Als ich fertig war, ging ich hinaus zu Markus, um nachzusehen, ob die Band, mittlerweile eingetroffen war. Sie war zum Glück schon am Aufbauen, sodass wir gleich auf der Terrasse schon etwas Musik hatten. Ich ging nach draußen, wo es sich einige Gäste bereits in den Loungen gemütlich gemacht hatten.
„Darf ich Sie auf einen Drink einladen?", erklang Theos tiefe raue Stimme.
„Naja, einladen wohl kaum", sagte ich schnippisch zurück.
„Dürfte ich dann von ihrer Gesellschaft profitieren und mit Ihnen zusammen die Aussicht genießen?", fragte er nochmal verführerisch nach. Ich musste unweigerlich grinsen. Er war hartnäckig.
„Also gut, ich hätte gerne noch ein Glas Champagner", sagte ich und ging zu einem der Stehtische, die direkt an der Skyline standen. Er kam zurück mit zwei Gläsern in der Hand.
„Einmal der Champagner für die wunderschöne Dame in Rot, die offensichtlich geheimnisvoller ist, als ich dachte", sagte er und setzte sich auf den Barhocker, mir gegenüber.
„Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt.
„Nun ja du hattest mir bisher nichts davon erzählt, dass du Hochzeitsplanerin bist und Märchenwälder aus dem Nichts herbeizauberst", sagte er bewundernd.
„Ehm ja, tut mir leid, dass hatte sich noch nicht ganz ergeben und ich wollte dir irgendwie nicht direkt beim ersten Treffen mein ganzes Leben auf dem Teller präsentieren. Zumal du mir bestimmt auch noch einiges verschweigst oder nicht?", fragte ich zurück und lenkte somit auf ihn.
„Da hast du recht, aber einiges kann ich dir erst später erzählen", sagte er.
„Ach und warum jetzt noch nicht?", fragte ich provokant.
„Nun ja manche Sachen erfordern tiefes Vertrauen und das muss ich mir erst noch hart erarbeiten", sagte er und schaute mir dabei tief in die Augen.
„Ganz gleich wie lang es dauert." Er nahm sein Glas in die Hand und ließ es mit meinem Klirren.
„Auf das Vertrauen und alle Abenteuer, die noch kommen", sagte er und ich spürte, wie mein Bauch schon wieder anfing zu Kribbeln und ich hatte noch nicht mal ein Schluck vom Champagner genommen.
„Warum musstest du so lange in Singapur sein?", fragte ich ihn, denn ich wollte es irgendwie verstehen.
„Ich musste nach Singapur zu einem Kunden fliegen. Dieser Kunde ist schon sehr lange bei uns und hatte ein sehr dringendes Anliegen, bei dem ich ihn beraten musste. Es war ein recht schwieriges Thema, weil es um einen Zusammenschluss der Firma mit einer weiteren ging, wobei diese eigentlich deren größter Konkurrent ist, und deswegen musste da ganz viel gerechnet, verhandelt und geklärt werden. Deswegen hat das auch alles so lange gedauert aber ja."
„Okay", sagte ich.
„Nur okay, kein was soll der Mist und du hättest trotzdem schreiben können und ein ich will dich nicht mehr sehen?", fragte er vorsichtig.
„Nein, denn wir sind menschlich und dazu gehören Fehler, Pech und Glück im Leben. Das ist ungünstig gelaufen, aber das kann man jetzt nicht mehr ändern. Und ich habe einfach keine Kraft und Lust mehr sauer auf dich zu sein, weil ich dich eigentlich mag."
Super, der Alkohol zeigte mal wieder seine Wirkung und ließ mich schneller sprechen als denken. Sein Blick verriet ausnahmsweise mal einiges. Anscheinend überraschte es ihn, aber auf eine positive Art und Weise.
„Ich glaube wir brauchen noch etwas Nachschub an Getränken, denn das Gespräch entwickelt sich gerade äußerst interessant", sagte er amüsiert.
„Keine Ahnung ob das eine gute Idee ist, aber dann diesmal einen Cocktail, Mojito gerne", sagte ich.
„Kommt sofort", antwortete er und ging zur Bar.
Ich konnte es nicht vermeiden, ihn die ganze Zeit zu beobachten. Wo führte dieser Weg nur hin?
Plötzlich riss mich ein junger Mann aus meinen Gedanken.
„Hi ich bin Mason. Du bist offenbar diejenige, die meinem Bruder den Kopf verdreht hat. Freut mich dich kennenzulernen."
Er streckte mir seine Hand hin. Ich war erstmal zu perplex, um sie zu nehmen und zu reagieren.
„Ehm hi, ich bin Sophia."
„Bist du seine Begleitung?", fragte Mason mich.
„Ehm nein, ich bin hier eigentlich die Hochzeitsplanerin", antwortete ich.
„Ach so krass. Also dann erstmal mein Lob und Respekt für die tolle Arbeit, es ist wirklich der Wahnsinn", beteuerte er.
Er sah Theo nicht wirklich ähnlich und schien eigentlich ganz nett.
„Übernachtest du auch hier?", fragte er mich dann.
„Nein ich nehme das Taxi zurück, ist nicht so weit", erwiderte ich.
„Ich habe die große Suite mit Doppelbett, also wenn es doch später wird, kannst du gerne mal vorbeischauen", sagte er mit einem Grinsen, welches einen ekeln lies.
Ok anscheinend war er doch ein Arschloch.
„Danke, aber ich habe es eigentlich nicht so mit notgeilen Arschlöchern, die sich noch von ihren Eltern das Geld schnorren, also such dir wen anderes!", giftete ich ihn an.
„Ah wie ich sehe, hast du meinen herzallerliebsten Bruder schon kennengelernt", sagte Theo ironisch, der gerade mit zwei Mojitos von der Bar zurückkam.
„Ja ich muss mich hier ja selbst vorstellen und erfragen, ob du sie dir schon für heute Abend geklärt hast. Man weiß ja nie bei dir", sagte er mit einem schelmischen Grinsen.
Wow. Das wurde ja interessant, aber darauf hatte ich absolut keine Lust. War er wirklich so ein Player, für den ich ihn zu Anfang auch hielt.
„Hey ich komm gleich wieder, ich muss noch was mit der Band besprechen", sagte ich kurz und ging schnellen Schrittes in den Innenbereich, um Marcus aufzusuchen und der Band Bescheid zu geben, dass sie in der nächsten halben Stunde die Live-Musik starten könnten.
„Sophia warte, das ist...", rief Theo mir noch hinterher, doch da war ich schon Richtung Tür.
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Schattenpfade im Licht - gefährliches Verlangen
Genç Kız EdebiyatıHast du dich auch schon einmal blind auf deine Gefühle verlassen und dich von etwas Dunklem hinreißen lassen? Vor dieser Frage steht die 23-jährige Sophia, die eigentlich ihr ganzes Leben in New York durchgeplant hat. Doch was, wenn da plötzlich jem...