Kapitel 39 - Sophia

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Ich wartete auf den dumpfen Schmerz, doch er kam nicht. Ich hörte nur noch das Rauschen in meinen Ohren und spürte das erdrückende Gewicht meines Vaters, der auf mir lag. Ich versuchte mich unter ihm hervor zu kämpfen.
„Dad!", rief ich und beugte mich über ihn. Ich drehte sein Gesicht zu mir und ich entdeckte, dass sein gesamter Oberkörper blutverschmiert war. Ich zog ihm panisch die Jacke aus und entdeckte eine klaffende Wunde in seinem Brustkorb.
„NEIN DAD BITTE NICHT! DAAAAAD!", schrie ich verzweifelt. Er hatte sich meine Kugel eingefangen. Er lag meinetwegen im Sterben, es war alles meine Schuld.
„Dad bitte bleib bei mir, tu mir das nicht an! Verlass mich nicht!", schrie ich verzweifelt und klammerte mich an meinen Dad. Seine Augenlider flatterten und er sah mich an.
„Mein Schatz...", begann er, doch er musste zu stark husten und spuckte weiteres Blut.
„Ruf einen Krankenwagen Theo! Jetzt!", brüllte ich ihm zu und versuchte die Blutungen irgendwie zu stoppen.
„Hör mir zu, mein Schatz, du musst etwas Wichtiges wissen...!" flüsterte mein Dad heiser, doch ich befahl ihm ruhig zu sein.
„Sei still und hör auf deine Kraft zu verschwenden! Wir werden dich hier lebendig rauskriegen, hast du verstanden!", sagte ich harsch. Da packte Dad meine Hand und sagte ernst: „Hör mir jetzt zu, mein Schatz", sodass ich automatisch verstummte.
„Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt, aber du musst wissen, dass ich dich zu deinem Schutz angelogen habe", er schluchzte kurz auf.
„Deine Mutter hat dich und mich nie verlassen, zumindest nicht freiwillig." Tränen strömten sein Gesicht herunter.
„Sie wurde schwer krank, als sie mit dir schwanger war und es hieß entweder du oder sie. Doch sie konnte nicht mit dem Gedanken leben dich zu verlieren. Ich habe sie angefleht mich nicht zu verlassen und weißt du was sie gesagt hat? Du wirst mein größter Anker im Leben werden und mich durch die schwere Zeit bringen, du wirst mein Engel sein und ihr letztes Geschenk an mich."
In mir zog sich alles zusammen. Mein ganzes Leben lang hatte ich ein Hass auf den Menschen, der das selbstloseste getan hatte, was ein Mensch hätte tun können. Der sein eigenes Leben für ein anderes geopfert hat. Ich begann zu weinen und klammerte mich an Dad's Hand.
„Und weißt du was Sophia? Sie hatte recht. Du warst mein Licht in der Dunkelheit und hast mich beschützt, du hast mich zum Lachen gebracht und mir die Lebensfreude zurückgegeben. Du bist ein Geschenk des Himmels und deswegen mach dir bitte nie, niemals wegen des Todes deiner Mutter Vorwürfe", sagte er leise, denn seine Stimme brach immer wieder ab.
„Dad, wieso... nein bitte. Verlass du mich nicht auch noch, ich habe dann niemanden mehr!", flehte ich ihn an und Tränen strömten mir über das Gesicht.
„Bitte ich schaff das nicht ohne dich. Daaaad!", schrie ich ihn verzweifelt an.
„Du bist nicht allein... Theo wird auf dich aufpassen. Er wird meinen Platz einnehmen und an deiner Seite sein, immer!", stöhnte er hervor und hustete erneut viel Blut.
„Theo versprich mir, dass du dich um sie kümmern wirst, versprich es mir", sagte er atemlos zu Theo, der seine Hand nahm und sie fest zudrückte.
„Ich verspreche es, dass ich mein Leben für sie geben werde", sagte er entschlossen. Doch ich wollte, dass gar nicht hören. Ich wollte das nicht akzeptieren.
„Wag es nicht aufzugeben. Du hast immer für mich gekämpft und auch für Mum, also tu es bitte auch jetzt Dad! Du kannst mich nicht einfach aufgeben!"
„Ich habe dich nie aufgegeben, also versprich mir, dass du es jetzt auch nicht tust, okay?", sagte er mit brüchiger Stimme und gab mir einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor seine Augenlider schwer wurden.
„Nein Dad nicht einschlafen, bitte nicht einschlafen, der Krankenwagen ist jeden Moment hier! Bitte!", rief ich verzweifelt und spürte, wie sein Händedruck immer schwächer wurde.
„Ich liebe dich mein Schatz und werde von oben mit deiner Mutter immer auf dich aufpassen", wisperte er und schloss langsam seine Augen.
Eine innerliche Leere machte sich in mir breit. Ich hatte das Gefühl eine Feuerwand verbrannte jede einzelne Zelle von mir, jeden glücklichen Gedanken, jegliches Glück was ich je gespürt hatte. Ich erstickte von innen heraus, vor Schmerz, Kummer, Trauer und Wut. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib, in der Hoffnung dieser Alptraum möge enden.

Schattenpfade im Licht - gefährliches VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt