Zuhause angekommen ging ich mit Theo zur Haustür.
„Möchtest du mit hochkommen?", fragte ich ihn irgendwie ganz blöd.
„Gerne. Dann weiß ich schon mal welches Fenster ich hochklettern muss", sagte er amüsiert.
Ich verdrehte die Augen und schloss die Tür auf. Oben angekommen sah ich, dass mein Dad zuhause sein musste, na das konnte ja lustig werden. Ich öffnete die Tür zur Wohnung.
„Hi Dad, ich bin's und ich habe noch jemanden mitgebracht", rief ich. Theo folgte mir ganz brav in die Wohnung, fast schon etwas eingeschüchtert. Da kam mein Dad aus der Küche.
„Hi mein Schatz", begrüßte er mich, bevor er den neuen Besuch genau musterte.
„Bist du dafür verantwortlich, dass meine Tochter diese Nacht nicht zurückgekommen ist?", fragte er mit ernster Stimme.
Das war doch jetzt nicht sein Ernst. Theo und ich liefen hochrot an, weil wir genau an das eine dachten, doch er fing sich ganz gut und antwortete:
„Ich habe ihre Tochter davon überzeugt so spät nicht noch das Taxi zu nehmen, geschweige denn die U-Bahn, da die Gastgeberin sehr großzügig für jeden ihrer Gäste ein Zimmer gebucht hatte. Ich habe sie zum Zimmer geleitet und sie heute Morgen nach Hause gebracht, da sie keine angemessenen Klamotten für die öffentlichen Verkehrsmittel dabeihatte."
Ich musste fast loslachen, so charmant wie er sich ausdrückte und gewiss einen Teil der Geschichte ausließ, der sich zwischen aufs Zimmer bringen und heute Morgen wegbringen abgespielt hatte.
„Ich will dir sagen Kumpel, wenn du es auch nur wagst ihr ein Haar zu krümmen oder ein Riss in ihrem gutmütigen Herzen zu verrichten, bist du tot. Glaub mir, ich kenne über 500 Arten dir den Tod zu bescheren, ohne dass es jemand merkt", drohte er ihm, wobei er sogar kleiner als Theo war, aber das wirkte hier gerade nicht so.
„Dad!", unterbrach ich ihn wütend.
„Sorry Schatz, aber sowas wollte ich schon immer mal machen", sagte er deutlich fröhlicher.
„Hi ich bin Jackson, Sophias Vater freut mich dich kennenzulernen", sagte er herzlich und drückte Theos Hand, der komplett verwirrt dastand.
„Ach ja und der letzte Teil über die 500 Wege, der ist wahr", fügte er noch zwinkernd hinzu.
„Ganz witzig Dad, du hast ja mal wieder eine tolle Show abgeliefert", sagte ich ein wenig funkelnd.
„Immer gern", antwortete er noch lächelnd, bevor wir auf meinem Zimmer verschwanden. Ich schloss die Tür hinter mir und stöhnte laut auf.
„Es tut mir so leid, er ist manchmal etwas komisch und nervig und..."
„Es ist alles gut Sophia. Ich mag deinen Dad, er ist witzig und hat das gleiche gute Herz wie du", unterbrach er mich. Ich lächelte zurück und ging zum Schrank, um mir was Anständiges zum Anziehen herauszusuchen. In der Zeit betrachtete Theo mein Zimmer sehr genau.
„Ein schönes Zimmer hast du. Es strahlt so viel Wärme, Erinnerungen und ein Gefühl von Zuhause aus", sagte er leicht verträumt.
„Und diese Fensternische. Lass mich raten da sitzt du immer und liest oder schreibst mir berüchtigte Nachrichten", lachte er und ich brauchte ihm erst gar nicht zu antworten, um ihm zu sagen, dass er mich gut einschätzen konnte. Ich suchte mir eine Jeans und einen weißen Strickpullover. Natürlich begutachtete mich Theo von oben bis unten, als ich mich umzog.
„Schon mal was von Privatsphäre gehört!", rief ich ihm empört zu.
„Ach komm, da ist nichts Neues dabei für mich", sagte er verschmitzt.
„Dann weiß ich nicht was daran so spannend ist", entgegnete ich.
„Oh wenn du wüsstest. Dieser Anblick könnte niemals an Kraft verlieren", sagte er und kam auf mich zu. Er schaute mir lange in die Augen, bis er sich langsam runter beugte, um mich zu küssen. Es war als wäre es gestern. Ich spürte sofort wie mir die Hitze in die Wangen schoss und mein ganzer Körper anfing zu Kribbeln. Atemlos löste ich mich von ihm.
„Hast du schon eine Idee was wir noch machen?", fragte ich ihn.
„Ja habe ich", entgegnete er, schnappte sich meine Hand und zog mich aus dem Zimmer.
„Erfahre ich auch noch wohin?", fragte ich ihn.
„Nö, das siehst du dann", antwortete er ganz stumpf.
„Mister Hatch, es hat mich gefreut Sie kennenzulernen und ich freue mich schon aufs nächste Mal. Ich denke ich werde nochmal des Öfteren vorbeikommen", sagte er freundlich.
„Das hoffe ich doch wohl und nenn mich bitte Jackson. Bis später Schatz", verabschiedete Dad sich. „Bis später!", rief ich noch zurück und da waren wir auch schon durch die Tür verschwunden. Wir stiegen in sein Auto ein und fuhren Richtung Manhattan. Während der Fahrt löcherte ich ihn mit Fragen, wo wir denn nun hinfuhren. Als wir nach einiger Zeit das Auto geparkt hatten und ein paar Meter gelaufen waren, fiel es mir ein.
„Gehen wir ins Museum of Modern Arts?", fragte ich aufgeregt. Da wollte ich schon seit langem mal wieder rein. Ich fand es dort immer so inspirierend. Theo lächelte mir nur zu, nahm meine Hand und ging mit mir Richtung Eingang. Mein Herz machte einen Satz, als er so unerwartet nach meiner Hand griff.
Wir gingen über zwei Stunden durch die Galerie, aßen Kuchen im Café und kommentierten viele Bilder und diskutierten angeheitert. Es war angenehm über etwas ganz anderes außerhalb unserer Leben zu sprechen, was aber dennoch sehr viel Tiefgang hatte und einiges über unsere Charakterzüge verriet. Theo analysierte den Ausdruck des Künstlers, dass warum und was genau er an die Menschen appellieren wollte. Hingegen ging ich auf die Hintergrundgeschichte des Künstlers ein und auf seine persönlichen Emotionen und Gefühle, die er in sein Werk steckte, um vielleicht einen Schmerz loszuwerden oder eine Freude zu teilen. Es war ein spannender Nachmittag, den wir anschließend noch im Park verbrachten, wo wir gemütlich umher spazierten.
„Ich werde morgen nochmal für einige Tage nach San Francisco wegfliegen müssen", sagte Theo.
„Das ist echt sowas von unfair. Kannst du mich nicht mitnehmen?", fragte ich neidisch.
„Würde ich ja gerne, aber ich schätze, du musst auch arbeiten, stimmts?", fragte er betrübt.
„Ja das stimmt die ganze Woche."
„Dann telefonieren und schreiben wir zwischendurch, ok?", sagte er zuversichtlich.
„Na das kann ja lustig werden mit unserem vollen Terminkalender und dann noch der Zeitverschiebung", sagte ich ironisch.
„Ist ja zum Glück nur eine Woche", erwiderte er und öffnete mir die Autotür.
„Das war wirklich ein toller Nachmittag. Danke nochmal", sagte ich zu ihm lächelnd.
„Immer gerne, ich fand es auch sehr interessant und lustig. Gut zu wissen dass du jedem Menschen in die Seele blicken kannst", sagte er und spielt auf meine Kunstinterpretationen an.
„Also meine Ideen waren ja wohl besser und realistischer als deine Fantasiegeschichten", entgegnete ich.
Wir redeten auf der Fahrt noch ein wenig und stiegen vor meiner Haustür wieder aus.
„Ich glaub, ich werde dich vermissen, auch wenn es nur eine Woche ist", sagte ich.
„Ich dich auch", erwiderte er und gab mir ein Kuss auf die Stirn.
„Verlier nicht wieder dein Handy, sodass du mir schreiben kannst", sagte ich ernst und er rollte mit den Augen.
Ich streckte mich zu ihm hoch und unseren Lippen trafen sich. Mein Herz schlug mir sofort zum Hals, als ich ihn schmeckte und spürte wie seine Zunge in meinen Mund eindrang. Er brummte kurz auf, als ich leicht an seiner Lippe sog und er sich schweratmend löste.
„Ich muss jetzt gehen, sonst verführst du mich hier noch", wisperte er und gab mir ein Wangenkuss zum Abschied.
„Pass auf dich auf und schreib mir, wenn du gut angekommen bist", bat ich ihn.
„Mach ich Prinzessin und denk dran, wenn auch nur irgendetwas ist, rufst du mich an und ich komme so schnell ich kann", sagte er ernst und ich wusste, dass er wahrscheinlich so verrückt wäre es zu tun.
„Mach ich, bis dann", rief ich ihm noch hinter her und so ging Theo zum Auto zurück und fuhr davon. Wir hatten nicht mehr über den Vorfall mit seinem Bruder gesprochen, aber das war vielleicht auch besser so. Ich verbrachte den Rest des Abends damit mein Emailfach zu durchforsten und antwortete meiner neuen Klientin, welche wichtigsten Infos ich vorab zur Einschätzung und Antwort benötigte. Ich legte mich früh schlafen, um am nächsten Morgen wieder mal um 5:30 Uhr aufzustehen.
Im Café hatte ich einen sehr ruhigen Morgen, der mir viel Zeit verschaffte, einiges an Kuchen und Torten zu backen. Rosetta und Charlie kamen auch wieder zum Frühstück. Oscar der Miesgelaunte natürlich auch wieder und auch sonst kamen einige der Stammgäste. Der Morgen verging sehr schnell. In meiner Mittagspause scrollte ich auf meinem Handy herum, als eine Nachricht von Theo reinkam.
„Bin gut angekommen. Denk an dich"
Ich fing an zu grinsen und schrieb zurück.
„Viel Spaß, ich freu mich schon dich wiederzusehen."
„Na was grinst da jemand denn so?", fragte Tony mit einem vielsagenden Lächeln.
„Nichts wichtiges", erwiderte ich und versuchte mich schnell nach vorne zu flüchten, um seinen unangenehmen Fragen auszuweichen.
„Wenn du mir schon nichts darüber erzählen willst, dann wenigstens über die Hochzeit am Wochenende?", fragte er bettelnd.
„Na gut, aber nichts anderes ok?", sagte ich.
„Keine unangenehmen Fragen, sag mir nur kurz ob ihr euch vertragen habt?", hakte er doch wieder nach.
„Ja haben wir und jetzt reichts!", sagte ich ernst, denn wenn Tony einmal anfing, dann war er nicht mehr zu stoppen. Die ersten Kuchenbestellungen kamen rein und währenddessen erzählte ich Tony von der Megahochzeit. Er kam gar nicht mehr aus dem Staunen und Schwärmen heraus.
„So eine Hochzeit will ich auch", sagte er.
„Läuft es denn schon so gut bei euch?", fragte ich.
„Also einen Antrag hat er mir jetzt noch nicht gemacht, aber ansonsten kann ich mich nicht beschweren", witzelte er.
„Also anscheinend läuft es gut, so wie du drauf bist", stellte ich fest und nun war Tony der, der den Rückzug antrat und es dabei beließ.
Gegen frühen Abend war ich wieder zu Hause, gab meinem Dad sein Stück Kuchen mit und machte es mir in meinem Fenster gemütlich. Amber hatte mir geschrieben und sich für die Wahnsinnshochzeit bedankt, natürlich nicht ohne Kommentar zu mir und Theo. Darunter hatte sie einige Fotos der Hochzeit hinzugefügt, die die Fotografen an dem Abend geschossen hatten. Sie waren mir in dem Gewusel kaum aufgefallen, hatten aber anscheinend super Fotos geschossen, wie es aussah. Der Blumenhimmel und die New Yorker Skyline hatten einen Traumhintergrund abgegeben, sodass jedes Foto absolut saß. Beim letzten Foto stockte mir der Atem. Das Foto hatte den Moment eingefangen, als Theo und ich uns zum ersten Mal geküsst hatten. Es war so intim fotografiert. Man sah, wie wir uns in den Armen hielten, eine andere Welt betraten und wir uns unseren Gefühlen hingaben. Das Foto berührte mich total und ich war so dankbar, dass der Fotograf diesen besonderen Moment gespürt und aufgenommen hat.
Anschließend sah ich mir eine neue Folge meiner Serie an und ging dann schon um 9 Uhr ins Bett, denn ich war hundemüde. Ich startete meine Playlist und viel sofort in einen tiefen Schlaf.
Die nächsten Tage arbeitete ich jeden Tag, damit ich mal ausnahmsweise das ganze Wochenende frei hatte.
Am Freitag planten die Mädels wieder mal einen Partyabend mit den Jungs. Sie waren in der Woche komplett mit der Uni und den ersten Prüfungen beschäftigt, doch das Wochenende bräuchten sie zum Feiern. Zumindest Leyla und Maxim, Mel war nicht ganz so begeistert, stimmte dann jedoch zähneknirschend zu. So trafen wir uns Freitagabend wieder bei mir zum Vorglühen.
„So jetzt werden hier aber mal Fakten aufgedeckt!", sagte Maxim plötzlich mit so lauter und ernster Stimme, dass wir uns erschraken.
„Also Mel von dir will ich wissen, was es Neues gibt und du Sophia hast uns mit Sicherheit auch einiges zu erzählen", sagte Maxim mit einem wohlwissenden Lächeln.
„Ich wäre dafür wir warten bis die Pizza kommt und davor trinken wir noch mindestens eine Flasche Wein und ein paar kurze, um in Stimmung zu sein", warf Leyla rettend ein.
„Na schön", murmelte Maxim und gab sich damit zufrieden.
„Ich habe leckeren Nimm2-Schnapps dabei!", rief Leyla und so tranken wir alle eine Runde, dann die zweite, dann die dritte, die vierte, die fünfte, ich hörte irgendwann auf zu zählen und so kam es, dass wir irgendwann ziemlich belustigt auf meinem Teppich saßen und vor uns her gackerten und lallten.
„So ich glaube jetzt wäre ich in der Stimmung News zu erfahren", meinte Leyla glucksend.
„Also Liam und ich sind zusammen, aber irgendwie auch nicht. Also wir küssen und kuscheln und er ist immer so nett und meldet sich ständig, aber ich weiß halt nicht, ob wir jetzt offiziell zusammen sind oder nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich dafür bereit bin, aber eigentlich habe ich sehr starke Gefühle für ihn, aber sie machen mich auch verrückt und unsicher", sprudelte es aus Mel so plötzlich heraus, dass wir alle einen Moment brauchten.
So ein Monolog hätte auch von mir kommen können.
„Dann musst du auf ihn zugehen Mel!", du bist selbstbewusst und taff und stellst die Dinge immer richtig und klar, sprich ihn drauf an, am besten heute!", sagte Maxim begeistert.
„Nein spinnst du ich muss ja jetzt auch nichts überstürzen, ich meine ich weiß ja nicht mal selbst was ich will und am Ende fühlt er sich dann noch bedrängt und zieht sich zurück", erwiderte Mel.
„Aha dann magst du ihn doch und willst seine Freundin sein, sonst würdest du das nicht so sagen", warf Leyla ein und ich musste ihr zustimmen, aber dennoch konnte ich sehr gut nachempfinden wie Mel sich gerade fühlen muss. Schließlich habe ich in irgendeiner Weise parallel das gleiche durchgemacht wie sie.
„So und wie sieht es da bei dir aus, meine Liebe?", schob Mel damit mir den schwarzen Peter zu. Wie nett von ihr.
„Also...ehm... ich... wir haben uns einige Male getroffen und nett geredet und so und jetzt gerade ist er in San Francisco und letzte Woche war er in Singapur, also viel beschäftigt", erzählte ich erstmal, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich ihnen den Hochzeitsabend mit all seinen Geschehnissen erklären sollte, sodass ich versuchte dem auszuweichen, worin ich nicht wirklich gut war.
„Ah ja und die Katze meiner Oma trägt jetzt einen Wollpullover. Hallo, ich meine die wichtigen und spannenden Details. Du kannst mir kaum weiß machen, er hätte dich noch nicht geküsst", sagte Maxim empört und ich lief rot an.
„Also habt ihr euch geküsst?", hakte sie nach, als ich nicht drauf einging.
„Nun ja also... irgendwie...", versuchte ich mich zu retten, doch da war keine Chance.
„Ist da etwa noch mehr gelaufen?", fragte Maxim mit wackelnden Augenbrauen und kam gerade richtig in Fahrt und auch die anderen wurden jetzt richtig neugierig.
„Er ist einfach auf der Hochzeit aufgekreuzt, hat mich total überrumpelt, nachdem er sich eigentlich eine Woche nicht gemeldet hat. Hat mich abgefüllt, meine Unterhose geklaut, mich durch die Menge auf beiden Armen getragen, mich vor seinem verrückten Bruder gerettet, mich getröstet, mich zum Lachen gebracht, mit mir romantisch getanzt, mich geküsst, mich zum Zimmer gebracht und dann mit mir geschlafen!", polterte ich die Kurzfassung des Abends heraus." Maxim, Leyla und Mel fiel die Kinnlade herunter.
„Das ist jetzt nen Scherz, oder?", fragte Maxim mich ernst und noch immer perplex.
„Nein, ist es nicht", erwiderte ich. Im nächsten Moment hörte ich nur noch Gekreische um mich herum, als sich die Mädels auf mich stürzten.
„Ich bin so stolz auf dich meine Liebe", sagte Maxim mit Tränen in den Augen und ich musste loslachen, der Wein war wohl gerade bei uns allen am Wirken.
„Ich muss euch auch noch was beichten", sagte Leyla plötzlich und wir verstummten.
„Ich habe mich in letzter Zeit öfter mal mit einigen Jungs getroffen und mich auf was Offenes eingelassen, also meistens so für ein zwei Nächte. Ich bin jetzt nicht gegen eine feste Beziehung, aber ich wollte halt mal was Neues ausprobieren und so hatte sich da halt das ein oder andere Mal was ergeben."
Jetzt war es für Maxim endgültig vorbei. Diese Masse an Informationen war zu viel für sie.
„Ihr wollt mich doch verarschen und auf den Arm nehmen!", rief sie empört und schon beleidigt, weil sie uns nicht ernst nehmen konnte. Wir lachten uns kaputt, während Maxim nur dumm dreinschaute und es nicht fassen konnte.
„Ach kommt her ihr drei", sagte sie und drückte uns alle fest. „Ich wünsche mir für euch drei das Allerbeste. Hauptsache ihr seid glücklich und habt Spaß und wehe einer von diesen Idioten bricht euch das Herz, da werde ich höchstpersönlich den Rachefeldzug planen. Ist das klar?", fragte sie ernst und wir nickten alle einstimmend.
Kurz danach brachen wir auch schon auf, um die Jungs am „Eleven" zu treffen. Eine Diskothek, die meistens keinen Eintritt verlangte, wo jedoch vernünftige, junge Leute waren und Spaß hatten. Die anderen saßen bereits an der Bar, als wir ankamen und sie begrüßten. Wir bestellten uns eine Runde Longdrinks und quatschten. Jasper kam zu mir und setzte sich neben mich.
„Hey war die Hochzeit wie erhofft ein voller Erfolg?"
„Ja absolut ein Traum, wie ihn sich jeder wünscht. Wetter hat ja auch gut mitgespielt und es ging noch sehr lange", erzählte ich.
„Cool das freut mich. Wenn nochmal sowas ist, kannst du gerne jederzeit Bescheid sagen."
„Danke, das ist wirklich nett. Die Nächste steht jetzt glaube ich erst im Dezember an. Das soll eine weihnachtliche Hochzeit werden und dazwischen mal sehen. Manchmal ergibt sich etwas noch sehr spontan, wenn den Leuten plötzlich auffällt, wie schön der Herbst mit seinen Farben ist. Vor allem wenn es nochmal sonnig wird", sagte ich.
„Das glaub ich dir. Manche Leute erwarten wahrscheinlich, dass wenn sie jetzt heiraten wollen, du das auch in zwei Wochen organisiert bekommst, ohne groß über den Aufwand und alles nachzudenken", meinte Jasper und genauso war es oft. „Hey wollen wir gleich tanzen gehen?", meinte Maxim und war aber schon dabei uns auf die Tanzfläche zu zerren.
Wir tanzten ausgelassen und sangen aus vollem Herzen mit. Irgendwann ging ich kurz zur Bar, um mir ein Wasser zu bestellen, da kam Jasper mir auch schon hinterher.
„Hey alles gut?", fragte er. „Ja alles gut, ich brauch nur kurz ein Schluck Wasser", erwiderte ich.
„Ehm, ich wollte dich mal gefragt haben, ob wir uns vielleicht mal auf ein Kaffee treffen können, denn ich find dich echt nett", fragte Jasper hoffnungsvoll.
„Oh ehm... ja an sich gerne. Ich sollte dir nur sagen, dass ich mich zu Zeit schon mit jemanden anderen treffe, den ich kennengelernt habe, nur dass du das fairer Weise weißt", sagte ich unbehaglich.
„Ja kein Problem. Also wenn das komisch ist und Probleme gibt, brauchen wir uns auch nicht allein zu treffen, dann machen wir das mit den anderen mal wieder zusammen. Ich dachte nur, ich nutze mal die Gelegenheit", sagte er entspannt was mich erleichterte.
„Du bist wirklich cool, danke Jasper."
An dem Abend wurde lang und ausgiebig gefeiert. Gegen drei Uhr verabschiedeten wir uns und fuhren mit der U-Bahn nach Hause.
„Lasst mal morgen, wenn es schön ist, mit den Jungs picknicken?", schlug Leyla schon im Halbschlaf vor.
„Ja gute Idee. Sophia, du denkst daran die Jungs morgen zu fragen. Du bist bestimmt als erstes wach oder Mel", gähnte Maxim.
„Ja kriegen wir hin. Machts gut, bis morgen ihr drei", sagte ich noch bevor ich ausstieg und die restlichen Meter zur Wohnung ging. Ich schlurfte die Treppen hoch, nahm mir noch eine Wasserflasche mit ans Bett, schminkte mich ab, zog mich schnell um und fiel wie ein gefällter Baum ins Bett.
Am nächsten Tag schrieb ich in unsere neue Gruppe die Beach Boys and Girls, so hatten wir uns nach unserer Bareskalation genannt, wer Lust und Zeit für ein Picknick hätte.
Also fing ich am Morgen an einen Kuchen zu backen, mit dem ich dann gegen Viertel vor drei am Central Park aufkreuzte. Irgendwann trudelten nach und nach die andere ein. Einige hatten Obst, Kekse, Süßigkeiten und Radler mitgebracht, mit dem wir uns in die letzten warmen Sonnenstrahlen setzten. Das Wetter war diesen September ungewöhnlich gut für New York. Wir lachten viel und spielten Fragerunden, um mal wieder etwas mehr über die Jungs zu erfahren, von denen wir noch nicht genügend Persönliches wüssten, wie Maxim behauptete. So wurden die Jungs von Fragen gelöchert, die mehr oder weniger angemessen waren, aber uns alle zum Lachen brachten.
Als wir uns langsam auflösten bemerkten wir natürlich alle, dass Mel und Liam sich gemeinsam auf den Weg machten und anscheinend noch zu einem Rendezvous verabredet waren.
„Hey Sophia, hast du heute Abend schon was vor?", fragte mich Leyla plötzlich.
„Nein eigentlich nicht", erwiderte ich.
„Wie wäre es mit einem Filmabend zu zweit?", fragte sie.
„Gerne, dann gleich bei dir?", schlug ich vor.
„Klingt gut"
Ich fuhr nach Hause, packte meine Tasche und machte mich auf den Weg zu Leyla. Leyla wohnte allein in einem kleinen Studenten Apartment. Es war wunderschön. Klein aber fein, wie es sich für New York gehörte. Auf dem Weg holte ich was beim Mexikaner. Und so saßen wir auf ihrem kleinen Sofa mit unseren Tortillas und quatschten über die letzten Tage und all die spannenden Ereignisse. Irgendwann holten wir uns eine Flasche Wein dazu und so kam es, dass wir auf das Thema Sex kamen.
„Ok also war es so, dass es einen dominierenden Partner gab bei euch oder war es sehr ausgeglichen?", fragte Leyla mich.
„Also angesichts der Tatsache, dass ich null Erfahrung hatte, war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass er die Führung übernommen hat und ich muss sagen, ich mag das irgendwie. Er gibt einem so ein Gefühl, wo man sich fallen lassen kann, man will, dass er einen irgendwie führt und leitet", sagte ich leicht beschwipst.
„Also bei mir war das zu Anfang auch erst so und ich muss sagen, dass ich mittlerweile ein Fan von beidem bin und deswegen sehr zufrieden mit wechselnden Partnern, weil man so viele verschiedene Rollen einnehmen kann", erklärte sie.
„Das klingt echt spannend Leyla und ich finde es richtig gut, dass du dazu stehst.
„Danke. Das brauch immer ein bisschen, obwohl es ja eigentlich Quatsch ist, aber du kennst ja unsere Gesellschaft. Was kannst du dir denn vielleicht vorstellen mit ihm auszuprobieren. Meinst du er ist so der Sextoy Typ? Ich meine, wenn du sagst er ist recht verführerisch und dominant?", fragte Leyla.
„Du ich habe keine Ahnung er hat manchmal sehr schmutzige Sachen angedeutet, wovon ich nicht weiß was ich halten soll, weil es mich irgendwie anspricht, also das mal auszuprobieren und dann fühl ich mich irgendwie schlecht und..."
„Nein, wag es erst gar nicht so zu denken Sophia, wir sind nicht mehr im 19. Jahrhundert. Hallo, ganz egal ob Bondage oder BDSM. Das sollte mal nicht so verteufelt werden", unterbrach sie mich.
„Weißt du was viel schlimmer ist? Die nicht Befriedigung der Frau. Damals war es denen scheiß egal, ob die Frauen auf ihre Kosten kamen oder nicht. Da waren sie Objekte, die nicht wussten wie ihnen geschieht und nun sind wir frei. Probieren Gelüste und Fantasien aus und dann ist es falsch, obwohl man glücklich, erregt und letztendlich befriedigt ist. Das muss man nicht verstehen, ich habe keine Ahnung wer sich diese Normen und Werte ausgedacht hat", schimpfte sie und ich war froh so offen mit ihr darüber zu reden. Man fühlte sich nicht so falsch, weil man manchmal „unartige" Gedanken hegte, sondern verstanden.
„Auf die Freiheit, die Gelüste und den richtig guten Sex, den wir noch haben werden", sagte Leyla und hob ihr Glas. Wir stoßen an, lachten und quatschten noch weiter, bis wir uns entschieden Fifty Shades of Grey anzufangen. Das musste nach diesem Gespräch einfach sein.
Als wir ins Bett gingen war es halb zwei und so schliefen wir nachdem wir zwei Flaschen Wein, oder auch mehr, geleert hatten ein.
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Schattenpfade im Licht - gefährliches Verlangen
ChickLitHast du dich auch schon einmal blind auf deine Gefühle verlassen und dich von etwas Dunklem hinreißen lassen? Vor dieser Frage steht die 23-jährige Sophia, die eigentlich ihr ganzes Leben in New York durchgeplant hat. Doch was, wenn da plötzlich jem...