Kapitel 7 - Sophia

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Einige Zeit später wachte ich von allein um halb neun auf. Es lag ein ganzer Tag vor mir. Ich hatte noch frei und konnte heute endlich meine Hochzeitsplanungen abschließen und etwas Zeit für mich haben. Also machte ich mich fertig, frühstückte ein leckeres Schokomüsli mit Kakao und setzte mich mit meinem Laptop an mein Fenster. Dad schlief wahrscheinlich noch. Das war auch gut so, er hatte dringend etwas Schlaf nachzuholen. Ich schrieb Amber eine Nachricht, was ich bisher gebucht und bestellt hatte.
„Danke Sophia das klingt alles wunderbar. Ich wollte mich noch bei dir melden wegen dem Hochzeitstag. Du bist sehr herzlich mit deiner Begleitung eingeladen und kannst jemanden mitbringen, wenn du möchtest. Ach ja, und ich würde dir als Dankeschön auch noch gerne ein Kleid spendieren, also wenn du Zeit und Lust hast, könnten wir uns ja nochmal persönlich auf einen Kaffee treffen und ein besonderes Outfit für dich besorgen." Ich war völlig sprachlos von dem großzügigen Angebot, also antwortete ich ihr mit mehrmaligen Danksagungen, dass nur ich am Tag selbst alleine kommen werde. Sie antwortete recht schnell und meinte kein Problem und wann ich denn könnte, eventuell schon heute, sie hätte spontan nichts vor. Das passte mir perfekt bei meinen Schichten im Café. Ich schrieb ihr, dass wir uns um 13 Uhr treffen könnten, und sie schickte mir den Standort. Perfekt dann hatte ich jetzt noch Zeit alles zu regeln und eventuell noch etwas zu lesen.
Der Morgen verging recht schnell. Um 11.30 Uhr stand mein Dad verschlafen in der Tür.
„Guten Morgen der Herr. Gut ausgeschlafen?", begrüßte ich Dad lächelnd.
„Ja das tat sehr gut. Wundert mich, dass du schon auf bist, wo du doch mal frei hast", meinte er verwundert.
„Ja ich war schon auf und hatte noch einiges wegen der anstehenden Hochzeit zu klären. Ich treffe mich später mit Amber, der zukünftigen Braut, um noch einiges zu regeln und sie möchte mir ein Kleid für die Hochzeit spendieren", erzählte ich aufgeregt. „Was echt? Wie großzügig. Na dann, ganz viel Spaß, ich mach mich mal fertig für die Arbeit gleich", sagte er und verschwand. „Jup."
Ich widmete mich wieder meinem neuen Buch und war schon ganz gefangen in der Story. Um halb eins machte ich mich auf den Weg. Ich wollte auf keinen Fall zu spät sein, um keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. An einem kleinen französischen Café blieb ich stehen. Hier müsste es sein. Ich trat ein und merkte direkt Ambers Blick auf mir.
„Hi Sophia", begrüßte sie mich herzlich und lud mich zum Tisch ein.
„Hi Amber, danke für die Einladung", erwiderte ich. „Nichts zu danken. Ich hoffe du magst Schokolade, hier gibt es nämlich die beste Tarte au Chocolat. Ein absoluter Traum", schwärmte sie.
„Das trifft sich gut, ich liebe Schokolade", entgegnete ich. „Perfekt." Wir gaben unsere Bestellung auf, zwei Tarte au Chocolat, ein Milchkaffee und ein Kakao. Während des Essens zeigte ich ihr meine Listen und groben Pläne von der Raumgestaltung, die mein nicht vorhandenes Zeichentalent versucht hatte zu skizzieren. Ich war sehr erleichtert, als ich merkte wie begeistert Amber war, sie hatte höchstens ein paar Raumanordnungen zu korrigieren, aber ansonsten wirkte sie voller Vorfreude und überzeugt davon, dass dies der schönste Tag ihres Lebens werden könnte.
„So und du hast wirklich keinen den du mitbringen möchtest zur Hochzeit, das könnte auch ein magischer Abend für dich werden", versuchte sie mich zu überzeugen.
„Das wird es ganz bestimmt, solange alles glatt läuft", erwiderte ich nervös.
„Bei deinem Talent mit Sicherheit. Naja, es werden auch genügend Junggesellen eingeladen, vielleicht ergibt sie ja..."
„Amber!", unterbrach ich sie. „Ok ok, ist ja gut. Dann shoppen wir jetzt erstmal ein schönes Outfit für dich", schlug sie euphorisch vor. Sie war mir so sympathisch und erinnerte mich ein wenig an Maxim.
„Das ist wirklich nicht nötig Amber", versuchte ich es, doch sie war nicht davon abzubringen. „Doch ist es, wenn du schon keine Begleitung mitbringst, sorgen wir dafür, dass du umwerfend aussiehst. Also ich habe da einen super Laden, da bin ich seit Jahren und die haben bisher immer ein Kleid für den richtigen Anlass für mich gefunden. Da ist, by the way, auch mein Hochzeitskleid her", erzählte sie voller Freude und bezahlte einfach so für mich mit und wir verließen das Café.
Der Laden war nur ein paar Straßen weiter. Er war riesig und ging über mehrere Stockwerke. Man sah schon tausend Kleider einem entgegen glitzern und die riesigen Buchstaben über dem Eingang, wo stand: „Cinderella, hier wird jeder ihrer Träume war." Wow, was für eine gute Masche. Wir gingen hinein und wurden sofort mit Sekt empfangen. In so einem feinen Laden war ich noch nie gewesen, weil ich niemals etwas Bezahlbares gefunden hätte.
„Hey Linda, ich habe heute jemand besonderen mitgebracht, für den wir etwas Bestimmtes suchen", rief sie.
„Hi Schätzchen, steht nicht deine Hochzeit jetzt an?", quietschte die Frau, die schon auf uns zu gerannt kam.
„Ja in zweieinhalb Wochen circa." „Ahh wie spannend, du musst mir unbedingt Fotos schicken, wenn ich schon ausgerechnet an dem Wochenende an der Pariser Fashion Week teilnehmen muss", meinte sie freudestrahlend und aufgeregt.
„Mach ich. So und das hier ist Sophia ein junges Supertalent, was Hochzeitsplanung angeht und weil sie keine Begleitung mitbringt, sondern sich einen auf der Hochzeit sucht, brauchen wir das hammermäßigste Kleid was du hast", sprach sie zu Linda.
„Also so ganz ist es nicht, aber ja", verteidigte ich mich. Linda lachte.
„Dann werden wir mal in den dritten Stock fahren da haben wir denke ich die richtigen Abendkleider für dich." Linda war eine herzliche, süße kleine Frau. Ich schätze so Anfang 50, wobei sie dennoch sehr jung wirkte. Wir fuhren in einem gläsernen Aufzug hoch. In den ersten zwei Stockwerken gab es Brautkleider, dann kamen die Abendkleider, die auch nochmal in 1000 Kategorien und Farben unterteilt waren. Ich staunte. Noch nie hatte ich so viele teure und schöne Kleider auf einmal gesehen. Es war wirklich wie im Märchen.
„Hast du schon irgendwelche farblichen Vorstellungen?", fragte Linda mich.
„Nicht wirklich mir stehen auch nicht sonderlich viele Farben, allein schon wegen meinen blonden Haaren wird es bei auffälligeren Tönen schwierig, deswegen trage ich viel blau", erzählte ich ihr.
„Das stimmt Saphirblau, sehe toll an dir aus, aber ich glaube ich habe da was Neues für dich mit dem du nur so aus der Menge stichst. Natürlich nicht mehr als die Braut, aber zumindest für die Junggesellen. Wenn nicht der Saphir, wie wäre es mit dem Rubin?", fragte sie mich mit großen Augen. „Rot?", erwiderte ich misstrauisch. Das trug ich echt selten, eigentlich gar nicht, höchstens Bordeauxrot, sonst sah ich immer wie ein Feuerwehrauto aus.
„Also ich weiß nicht recht, bisher ähnelte ich immer mehr einem Feuerwehrauto", sagte ich unsicher.
„Oh Schätzchen, wir werden dich in einen glänzenden Rubin verwandeln. Wir haben letzte Woche einen absoluten Traum von Kleid rein bekommen", schwärmte sie und verschwand schnell in Richtung Aufzug.
„Glaub mir Linda hat echt Ahnung und die haben hier für jedes Mädchen das Märchenkleid", versicherte Amber mir.
„Da bin ich mir sicher, bei der Auswahl. Hoffentlich sitzt es auch an allen Stellen richtig", fragte ich mich laut.
„Oh glaub mir, da habe ich mir auch immer Sorgen gemacht, aber glaub mir lieber eine normale Körbchengröße, denn das sieht in den Kleidern viel schöner aus", sagte Amber aufmunternd, als Linda auch schon herbeigeeilt kam.
„So da habe ich es. Ach, es hat eigentlich nur auf dich gewartet." Ich war wie erstarrt als ich das Kleid betrachtete es war tief, tiefrot, hatte einen leichten Stoff, der an den Seiten runter fiel, sah aber dennoch schmal genäht aus. An der Seite war ein langer Schlitz zu erkennen, in dem der Stoff sich teilte. Es hatte einen glitzernden Gürtel, ab dem ein wunderschöner Pailletten Stoff mit Spitze begann, der sich unter dem Gürtel verlief wie Regentropfen an einer Fensterscheibe. Oben war es Schulterfrei, aber dennoch langärmlig. Es war ein Traum von Kleid.
„Möchtest du es anprobieren?" Ich konnte nur nicken. Ich nahm es entgegen und schlüpfte in die Kabine. Ich zog es mit solch einer Behutsamkeit und Vorsicht an, dass es eine Ewigkeit dauerte, bis ich fertig war. Linda schloss noch den Knopf am Rücken. Erst jetzt fiel mir auf, dass es einen tiefen, tiefen Rückenausschnitt hatte, quasi mein ganzer Rücken lag frei, und mein bräunlicher Teint kam zur Geltung, den ich wohl von meiner Mum geerbt hatte. Ich stieg auf einen kleinen Hocker, weil das Kleid noch viel zu lang war und erst angepasst werden müsste. Ich drehte mich zur Spiegelfront und blickte einen fremden Menschen an. Es war ich, doch so hatte ich mich noch nie gesehen. Ich sah elegant, anmutig und schön aus.
„Das ist es!", sagte Amber. „Du siehst so umwerfend aus."
„Da hatte ich wohl doch den richtigen Riecher", lobte Linda sich selbst und das auch zu Recht. „Linda es ist der Wahnsinn, ich habe noch nie so etwas gesehen oder gefühlt", sagte ich freudestrahlend. Ich drehte mich im Kreis und sah wie der Stoff leicht um mich herumflog. Wie er an der Seite meine langen Beine entblößte, aber anmutig und graziös, vielleicht auch ein bisschen sexy. Ich liebte es mit jeder Faser meines Körpers.
„So dann fehlen ja nur noch die passenden Schuhe, da bräuchte ich nur noch deine Schuhgröße Kleines?", fragte Linda aufgeregt.
„Oh, ehm ja, die sind leider sehr klein also wird das wahrscheinlich nichts", stotterte ich verunsichert.
„Hör mal wir heißen Cinderella, weil wir jedem Mädchen ihren Traum erfüllen möchten, egal welche Kleider oder Schuhgröße, sonst hätten wir ja wohl kaum so viele Stockwerke", schimpfte sie empört.
„36 habe ich in Sneakern, deswegen trage ich auch nie High Heels, bin also eine Anfängerin, also bitte was stabiles", bat ich sie nett.
„Kein Problem Liebes, kommt sofort", sagte Linda und flitzte auch schon wieder los.
Kurz darauf erschien sie mit blutroten High Heels, welche genau den Farbton meines Kleids hatten und auch glitzerten. Sie besaßen oben einen kleinen Riemen für den Halt, wirkten jedoch eindeutig zu hoch für mich.
„Keine Sorge, die Höhe ist eine Illusion. Siehst du die Sohle, das sind einige Zentimeter Plateau. Bedeutet am Ende ist es gar nicht mehr so hoch für den Fuß. Probier sie einfach mal an", beruhigte Linda mich, nachdem sie vermutlich meinen skeptischen Blick gesehen hatte. Ich zog sie an und merkte, dass mein Fuß wirklich nicht so hoch drinstand. Der Riemen war meine Rettung. Ich hatte guten Halt und konnte halbwegs stolz damit laufen.
„Also das sieht doch gar nicht mal schlecht aus. Am Ende des Abends joggst du damit", scherzte Amber. Tatsächlich war das Tragegefühl angenehm und ich dachte mir, für einen ganzen Tag war das machbar.
„So dann haben wir es würde ich sagen, dann kürzen wir jetzt noch das Kleid und dann kannst du es nächste Woche abholen", sagte Linda und klatschte in die Hände Ich zog mich in der Kabine um, und fand das Preisschild, welches unten am Saum angeheftet war. 3000$! Das ist wohl nen Scherz.
„Amber das kann ich nicht annehmen, das ist zu viel und zu teuer und leider habe ich nicht so viel Geld, um den Rest dabei zusteuern", sagte ich aufgebracht.
„Sophia ich weiß wie die Preise sind, Linda gibt mir sogar noch etwas Nachlass und wie gesagt, es soll ja auch für dich ein magischer Abend werden und wir spendieren das gerne", beschwichtigte sie mich.
„Weiß denn dein zukünftiger Mann denn überhaupt davon?", hakte ich unsicher nach.
„Er weiß von den groben Finanzen und hat nicht sehr viel Zeit sich damit zu beschäftigen, deswegen lässt er mir freie Hand und Verfügbarkeit über das Geld. Hauptsache es wird der perfekte Abend. Und das wird es dank dir", sagte sie.
„Vielen Dank Amber, das ist so großzügig, ich kann es wirklich nicht fassen."
„Immer gerne wirklich", erwiderte sie und ging mit Linda mit zur Kasse. Mir war so mulmig bei dem Gedanken daran, was sie gerade für mich ausgab.
„Deine Schuhe bleiben für die Anprobe noch hier, um zu gucken ob auch wirklich alles sitzt. Zwar macht Linda nie Fehler, aber sie will auch auf Nummer sicher gehen, bei ihr gibt es kein Risiko", erklärte sie mir und wir verließen den Laden. „Danke!", sagte ich nochmals.
„Ach, ich freu mich einfach so sehr auf den Tag und für dich auch. Ich habe für dich schon fleißig bei meinen letzten Junggesellen in der Gruppe geworben", sagte sie grinsend.
„Das ist sehr nett. Danke", antwortete ich leicht sarkastisch.
Wir schlenderten noch ein wenig durch die Stadt, bevor wir uns verabschiedeten. Zuhause angekommen duschte ich mich und beschloss mir und Dad was Leckeres zu kochen. Ich entschied mich für einen Kartoffelauflauf mit Schinken, Kohlrabi und Käse. Ich holte die fehlenden Zutaten schnell beim Laden um die Ecke. Es war wirklich praktisch für Dad's und meine Flexibilität und Spontanität einen so nah bei sich zu haben. Ich schälte die Kartoffeln, kochte sie, bereitete die Soße vor und überstreute am Ende alles mit viel Käse.
Als der Auflauf fertig war, nahm ich mir eine große Portion, klappte meinen Laptop auf und schaute Netflix. Wann Dad nach Hause kommen würde war fraglich, das könnte zehn, zwei oder sechs Uhr sein. Also machte ich es mir selbst gemütlich und genoss den Auflauf. „Na, was machst du gerade?", erschien eine Nachricht auf meinem Handy. Sie war natürlich von Theo. „Ich schaue gerade Netflix".
„Cool was schaust du dir an?", fragte er.
„Einen Disneyfilm."
„Disneyfan bist du also auch noch", staunte er.
„Was machst du so?", fragte ich ihn zurück.
„Arbeite noch an einem Projekt."
„Wie man Clubs sicherer gestaltet, oder was?", schrieb ich zurück.
„Autsch, der hat gesessen. Meinst du, du kannst meine Entschuldigung annehmen, zumindest ein Teil davon schon mal?", hakte er erneut nach.
„Ich habe viel zu tun", antwortete ich kurz.
„Aha, aber Interesse hättest du?", entgegnete er sofort.
„Nein das habe ich nicht!", tippte ich schnell zurück.
„Tja zu spät, du hast dich verraten, du bist sehr wohl neugierig, wahrscheinlich denkst du schon länger drüber nach wie du mir zu verstehen gibst, dass deine Antwort Ja lautet, ohne natürlich deine Position und deinen Stolz aufzugeben", schrieb er und ich konnte sein Grinsen förmlich sehen. Wie zum Teufel konnte er meine Gedanken so gut lesen, bzw. mich einschätzen. Er kannte mich nicht mal richtig.
„Weißt du was Engel ich mach's dir ausnahmsweise leicht. Ich bin übermorgen um halb acht bei dir. Mach dich schick, ich habe was Feines ausgesucht", stellte er einfach so fest.
„Vergiss es, ich habe dem nie zugestimmt", schrieb ich überrumpelt zurück.
„Oh doch, und ich weiß, dass deine Schichten nie länger als halb sieben gehen, dann dürfte das ja noch passen", sagte er selbstsicher. Dieser unverschämte, dreiste Idiot, der kennt nicht mal meine Adresse. Oder doch? Ich meine bei dem, was der schon alles über mich herausgefunden hat, ich meine er hat mich lange genug beobachtet. Gruselig.
„Freu mich", kam noch, doch ich antwortete ihm nicht mehr, weil ich keine Ahnung hatte, was ich ihm schreiben sollte. Ich war komplett überfordert mit der Situation. Ach du scheiße, auf was hatte ich mich da eingelassen. Nachdem ich natürlich geweint hatte, wie bei fast jedem Disneyfilm, merkte ich wie die Müdigkeit mir in den Knochen saß. Ich putzte schnell die Zähne und fiel sofort ins Bett. Vorher legte ich Dad noch einen Zettel hin wo drauf stand: „Mitternachtssnack steht im Kühlschrank." Manchmal bekam mein Dad nachts nochmal richtig Hunger und aß dann ganz viel Schokolade, es sei denn wir hatten was Warmes da. Was auch nicht viel besser war aber besser als Schokolade. Sein armer Lebensrhythmus war komplett hinüber. Hoffentlich würde ihm das nie zum Verhängnis werden. Ich schlief friedlich ein und zum Glück traumlos. Am nächsten Morgen war ich ausgeschlafen wie lange nicht mehr. Ich schrieb Leyla, ob sie nach der Uni Lust hatte sich zu treffen. Sie war natürlich noch nicht wach. Wahrscheinlich verpennte sie wieder Mal ihre erste Vorlesung. Das war eine. Ich blickte aus dem Fenster und sah wie die Sonne sich durch die Wolken kämpfte, es war angenehm warm. Perfektes Jogging Wetter, wie wäre es Sophia? Ja, ich könnte wirklich mal wieder joggen. Also zog ich mir meine Sportsachen an und lugte in den Kühlschrank, anscheinend hatte Dad sich heute Nacht wirklich am Auflauf bedient. Ich legte ihm ein Zettel mit einer kurzen Nachricht hin und verschwand leise durch die Tür. Ich lief in Richtung eines kleinen Parks. Die frische Morgenluft tat gut, ich fühlte mich gestärkt und wach.
Währenddessen dachte ich immer wieder an das bevorstehende Date mit Theo. War es die richtige Entscheidung? Also begann ich eine pro-kontra-Liste in meinem Kopf anzuführen. Was kann schon schief gehen. Warum sollte ich mal nichts wagen. Mein Dad sagte immer, dass was dir vorher am meisten Angst macht, werden deine größten Abenteuer sein. Und ich musste zugeben er hatte was, er war attraktiv geheimnisvoll, selbstbewusst, selbstsicher, und er konnte nett sein. Doch er hatte auch eine Arschlochseite. Ich hatte immer noch einen freien Willen. Ich könnte ihn immer noch abweisen und sagen, dass es mir nicht gefällt und ich kein Interesse habe. Was schadet es etwas mehr über ihn herauszufinden und das Spiel einfach mal mitzuspielen. Wenn er meinte er könnte mich einschüchtern kann er das Vergessen. Ich habe zu viel erlebt und das Temperament meiner Oma geerbt. Jane. Sie war eine tolle Oma, konnte noch besser backen als ich und hat mir alles gezeigt. Sie war immer eine starke Frau und das habe ich mir zum Vorbild genommen. Ich musste morgen erst noch eine Schicht im Café geben. Ich könnte Tony fragen, ob er mich etwas eher gehen lässt, damit ich mich noch fertig machen könnte. Ich schaute auf mein Handy und sah, dass ich meine Kilometer erreicht hatte, also lief ich noch locker zurück und sprang direkt unter die Dusche. Den Rest des Morgens fertigte ich noch ein paar neue Raumskizzen an und überlegte wen ich anheuern könnte, um beim Aufbauen zu helfen. Um 15 Uhr traf ich mich dann mit Leyla in der Eisdiele. Eigentlich war es schon etwas frisch für Eis, doch nichts ging über eine heiße Waffel mit Vanilleeis und Erdbeeren. Wir suchten uns einen freien Tisch in einer gemütlichen Sitzecke mit Sesseln und Kissen. Es war immer herrlich bunt und einladend gestaltet, viele abstrakte Gemälde, die einen nachdenken und staunen ließen. Nicht solche Klassiker wie Kaffeebohnen oder Eisbecher, nein richtige Kunst. Sowas würde auch in meinem Café hängen. Und vielleicht ein paar originelle Bilder vom Team, das wirkt immer so persönlich und offen.
„Gibt es schon etwas Neues bei Mel und ihrem Lover?", fragte ich Leyla.
„Na, nicht wirklich. Du kennst sie ja, wie abweisend sie bei solchen Fragen ist. Aber ich habe sie zusammen auf dem Campus gesichtet", sagte sie mit vielversprechender Stimme.
„Naja, sie studieren ja auch das gleiche und besuchen dieselben Vorlesungen.", erwiderte ich.
„Ja, aber das sah mir anders aus, so bisschen Tuddeleien und so", sagte sie und grinste.
„Aha. Wenn du das sagst."
„Ist alles in Ordnung, du wirkst irgendwie so schweigsam?", fragte mich Leyla plötzlich und mir bleib fast meine Waffel im Hals stecken.
„Ok also jetzt hast du eindeutig was zu verbergen, du bist nicht gut darin, was zu verheimlichen", lachte sie.
„Ne schön ich brauch wirklich deinen Rat in etwas", gab ich zu und erzählte ihr von meiner ersten Begegnung mit Theo im Café, und dem Gefühl was ich nun endlich zuordnen konnte, worüber sie Bescheid wusste, die unangenehme oder komische Situation im Club, wie auch immer man sie betrachten möchte, unser Treffen hinter dem Café, unsere Chatkonversation und mein ganzes Gefühlschaos. Im ersten Moment wirkte sie wie verstummt, bis sie dann los quietschte und dann wieder ganz Ernst wurde. „Von wegen Hirngespinnste. Gefühle betrügen uns nie!", sagte sie überzeugt und stolz.
„Ja ist schon echt creepy, wenn ich daran denke, dass ich ihn jedes Mal gespürt habe, ohne ihn zu sehen oder zu kennen", sagte ich.
„Das kann eigentlich nur eins bedeuten. Dass ihr füreinander bestimmt seid", meinte sie euphorisch und verwirrte mich damit ganz schön.
„Also jetzt mal halblang, hast du die bedrohlichen, komischen Teile der Geschichte schon vergessen?", fragte ich sie entgeistert.
„Ach ja und er hat mich auf ein Date eingeladen, bzw. zwingt mich dazu, also will er mich morgen einfach abholen, weiß nicht mal ob ich komme, geschweige denn, wo ich wohne", erzählte ich noch so nebenbei, als wäre das alles ganz normal.
„Glaubst du wirklich nach dem ganzen kranken Scheiß, weiß er nicht, wo du wohnst?", sagte sie ungläubig. „Ja du hast recht, ist naiv zu glauben", gab ich zu.
„Uuhh das klingt viel zu romanhaft, als dass es wahr sein könnte", trällerte sie.
„Ehm ich glaube kaum. Da fehlt mir die Liebe, das Klischee und das Gentlemanhaft", sagte ich genervt.
„Ach pappalapapp. Das siehst du nur noch nicht, das ist doch in den Büchern auch immer so. Und außerdem etwas Daily Drama gehört zu jedem Leben, jeder Beziehung und jedem Roman dazu", meinte sie freudig. „Leyla! Ich habe mich noch nie mit ihm getroffen, geschweige denn bin ich in ihn verliebt!", mahnte ich sie.
„Aber du musst zugeben, dass du ihn interessant findest und er deine Welt offensichtlich etwas auf den Kopf stellt", sagte sie wissend.
Nicht nur nen bisschen, aber das konnte ich ihr nicht sagen, schließlich musste ich mich selbst eigentlich vom Gegenteil überzeugen und wollte es, wenn, eh nicht zugeben. Genauso wie ich ihr und den anderen nicht sagen konnte, warum ich manchmal so verhalten, so ruhig und so misstrauisch gegenüber neuen Typen war.
„Ich weiß nicht was ich denken oder fühlen soll."
„Da gibt es kein sollen, du fühlst es und kannst eh nichts dagegen machen, geschweige denn es steuern", tadelte sie mich. „Ja da hast du wohl recht", stöhnte ich auf.
Wir quatschten danach zum Glück noch über andere Dinge und gingen im Park spazieren. Es war ein richtig schöner entspannter Nachmittag. Gegen frühen Abend trennten wir uns.
Zuhause lag ein Zettel auf dem Tisch auf dem stand: „Tut mir leid Schätzchen, jemand ist im Krankenhaus ausgefallen, deswegen muss ich so viele Nachtschichten machen. Dein Auflauf hat mir den Tag gerettet, er war traumhaft. Wünsch dir noch einen schönen Abend, hoffe du hattest einen schönen Nachmittag. Hab dich lieb. Kuss Dad."
Ich ging zum Kühlschrank und stellte mit Erschrecken fest, dass er tatsächlich alles aufgegessen hatte. Will der mich verarschen? Er hat einfach den ganzen Auflauf gegessen. Das ist mir einer. Plötzlich sah ich im Kühlschrank noch einen kleinen Zettel. „Ja ich habe den ganzen Auflauf gegessen, tut mir leid. Als Entschädigung hier etwas Geld, falls du dir etwas bestellen möchtest." Das war mein Dad. Herzensgut und witzig wie immer. Bestellen war keine so schlechte Idee, ich war platt vom vielen Laufen und hatte richtig Hunger auf Pizza. Also bestellte ich mir bei unserer Lieblingspizzeria eine Pizza Prosciutto. 30 Minuten später klingelte es an der Tür und ich nahm die köstlich duftende Pizza entgegen. Ich schnappte mir meine Kuschelsocken, Decke und den Laptop und setzte mich in meine Fensternische. Was will man mehr. Ich aß genüsslich meine Pizza und schaltete richtig ab, nach dem schönen und doch auch anstrengenden Tag.

Schattenpfade im Licht - gefährliches VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt