Am nächsten Tag stand ich um halb acht vor dem Wecker auf. Keine Ahnung, woran das lag. Eventuell, dass ich die ganze Nacht und direkt nach dem Aufstehen an das bevorstehende Date denken musste. Ich saß sowas von in der Klemme. Ich wusste nicht mal was ich anziehen sollte, ach du scheiße, da musste Leyla mir später helfen. Der Morgen verlief recht gewöhnlich, Frühstücke servieren, Kaffee, Kuchen, lustige Gespräche mit Tony und alten Damen. Es wurde nie langweilig. Ich liebte meinen Job und den Kontakt mit den Menschen. Ich war gerade dabei mich meinem heißen Kakao zu widmen, wo die Frühstücksgäste größtenteils weg waren und die Kuchengäste noch nicht eingetroffen waren, als die Person auftauchte, mit der ich jetzt noch nicht gerechnet hatte. Ich kleckerte vor Schreck meine Schürze voll als Theo eintrat.
„Na das sollten wir vielleicht noch üben für heute Abend, nicht dass du dich noch blamierst", witzelte er.
„Haha sehr witzig, wusste gar nicht, dass wir heute Abend am selben Ort sind", entgegnete ich giftig.
„Wenn du mir einen Kaffee und deine Adresse gibst, schon", sagte er verführerisch. Das hieß er wusste doch nicht meine Adresse. Das hätte ich jetzt nicht ganz gedacht. „Ach was, also das hätte ich jetzt nach deinen bisherigen Stalker Qualitäten schon gedacht, dass du weißt, wo ich wohne", sagte ich sarkastisch.
Er beugte sich noch näher über den Tresen rüber und flüsterte.
„Glaub mir, dass würdest du nicht wollen. Du hättest regelmäßig Besuch und einen Verrückten, der dein Fenster hochklettert", flüsterte er und ich wurde rot im Gesicht, was ihm zum Grinsen brachte. Arsch. Ich drehte mich schnell um und machte ihm seinen Kaffee fertig, mit seinen besonderen Extrazutaten. Dann nahm ich einen Coffee to go Becher und schrieb meine Adresse drauf.
„3.80$ macht das bitte und wag es ja nicht mir Mitleidstrinkgeld zu geben!", drohte ich ihm. „Keine Sorge Muffin. Ich muss ja für heute Abend sparen."
„Muffin!!! Geht's noch. Nenn mich noch einmal so und du gehst heute Abend alleine aus!", schimpfte ich wütend.
„Ja die anderen gefielen mir auch besser. Bis später Prinzessin." Er griff nach dem Kaffee und zwinkerte mir zu.
„Danke ich wusste auf dich ist Verlass."
„Vielleicht habe ich dich auch verarscht und dich an einen Drogendealer weitergeleitet!", rief ich ihm noch hinterher.
„Das werde ich wohl herausfinden, aber glücklicherweise kennst du nur alte griesgrämige Damen", sagte er noch und mit diesen letzten Worten drehte er sich auf dem Absatz um.
„Was war denn das?", fragte mich ein geschockter Tony. Ja was war das. Bevor ich bemerkte, dass diese Frage nicht mein Unterbewusstsein, sondern Tony ausgesprochen hatte, fragte er mich schon das Nächste.
„Hast du mir vielleicht was zu erzählen?"
„Ehm, nein, nur ein paar Auseinandersetzungen, sonst nichts", versuchte ich ihn abzuwimmeln.
„Liebes, das war Flirten auf Höchstem Niveau und ich muss sagen so scheiße warst du nicht, aber er war heißer", sagte er grinsend.
„Tony! Ich will doch auch gar nicht flirten oder ihn scharf machen!", schimpfte ich.
„Aber er tut es, sonst hättest du wohl kaum einem Date zugestimmt. Ich bin stolz auf dich. Wann trefft ihr euch?", fragte er aufgeregt. „Heute Abend", sagte ich murrend.
„Ja gut, dass du mir das auch noch erzählst, da wirst du aber schön pünktlich hier Schluss machen, um dich schick zu machen, also nicht, dass du nicht hübsch wärst, im Gegenteil. Du solltest dennoch endlich mal wieder einen besonderen Abend haben, wo du dich hübsch machst, von einem superheißen Typen eingeladen wirst und dich verwöhnen lässt", plauderte er euphorisch auf mich ein.
„Ok reicht Tony. Möchtest du ihn vielleicht daten?", entgegnete ich bissig.
„Nein danke, ich habe mir meinen eigenen Romeo geangelt."
„Ah, und wie läufts?", versuchte ich die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken.
„Ganz gut, wir waren schon mehrmals aus und gehen morgen ins Kino und danach zu ihm", erzählte er.
„Ahaaaa."
„Nein Sophia du kommst da auf ganz falsche Gedanken. Nur ein bisschen Wein und so!", verteidigte er sich.
„Hmmm, ich glaub's auch", sagte ich kopfnickend.
„Konzentrier du dich mal lieber auf dein Date, das wird bestimmt prickelnd", erwiderte er und wir mussten beide über uns Lachen und zum Glück kamen auch schon die nächsten Gäste, denn diese Unterhaltung konnte und wollte ich nicht weiterführen. Tony war wie ein älterer Bruder für mich, wir waren uns so vertraut, dass wir uns sehr viel Persönliches erzählten, doch manches konnte dennoch unangenehm werden, zumal Tony sehr penetrant im Ausquetschen war. Um viertel nach fünf drängte Tony mich schon.
„Sophia ich schaff das hier allein! Geh endlich nach Hause!", drängelte er mich.
„Ist ja gut. Ich mach mich auf den Weg", meckerte ich.
„Gut so. Ganz viel Spaß und denk dran nichts überstürzen", meinte er mir noch unbedingt sagen zu müssen.
„Tony! Ich kann allein auf mich aufpassen", antwortete ich genervt.
„Weiß ich. Bis übermorgen!", rief er mir noch zu.
„Bis Übermorgen." Und so verschwand ich durch die Tür.
Auf meinem Heimweg bekam ich bereits einen kleinen Nervenzusammenbruch. Ich schrieb Leyla, dass sie mir dringend helfen müsste, denn ich hatte keinen Plan was ich anziehen sollte. Zuhause sprang ich erst mal unter die Dusche. Ich war gerade auf dem Weg zum Kleiderschrank, da rief Leyla mich an.
„Hey sorry ich hatte noch so ein blödes Seminar. Also ich würde auf jeden Fall was Extravagantes sagen. Ich meine, wenn er schon schick sagt, dann heißt das was", sagte sie.
„Was bitte für Extravagantes. Mein Kleiderschrank ist jetzt nicht gerade vielseitig oder besonders", stöhnte ich auf.
„So ein Quatsch. Also ich würde auf jeden Fall ein Kleid oder einen Rock nehmen, damit man deine schönen Kurven auch sieht", sagte sie und grinste durchs Telefon hindurch.
„Leyla, das war jetzt nicht mein Ziel", mahnte ich sie und ging zum Kleiderschrank.
„Ok ich schaue mal was ich habe. Ich habe hier einen bordeauxroten Bleistiftrock, den gleichen auch in rosa und noch einen Jeansrock, aber das ist wahrscheinlich zu freizeitmäßig. Also an Kleidern habe ich noch so ein schwarzes Enganliegendes Kleid, das ist recht schlicht aber vielleicht etwas zu düster und..."
„Anziehen und ein Foto schicken", unterbrach sie meinen Monolog.
„Ok Chefin wird gemacht", antwortete ich und zog mir das Kleid über, es war schulterfrei, jedoch mit langen Ärmeln, die unter der Schulter ansetzten. Der Rücken war mit einem Kreuzbandmuster verschnürt und verspielt. Vorne war noch zur Dekoration ein schwarzer Gürtel mit silberner Schnalle angebracht. Mir fiel ein, dass ich noch so alte schwarze Overkneeboots hatte. Ich begutachtete mich im Spiegel und musste zugeben, dass das Outfit gut zusammenpasste. Dann nur noch meinen beigen Mantel, silberne Uhr, Kette, Armband und Ohrringe und das Outfit stand. Ich schickte Leyla ein Foto und es kamen eine Menge Herzsmileys und Ausrufezeichen zurück.
„Du siehst hammermäßig aus. Das und nichts anderes wirst du tragen", schrieb sie mir und ich bedankte mich noch für ihre Hilfe.
„Kein Problem immer gerne. Und ganz viel Spaß heute Abend, und wenn was ist, denk dran du kannst dich immer melden", kam zurück und ich bedankte mich bei ihr.
Ich ging ins Bad und schminkte mich ein wenig. Die Augen gestaltete ich etwas dunkler, sodass mein blau gut zur Geltung kam. Meine Haare ließ ich größtenteils offen. Nur die vorderen Strähnen band ich zu einem kleinen Minidutt zusammen. Ich war pünktlich fertig und es war viertel nach sieben. Das ganze Kleidungsdesaster hat doch länger als gedacht gedauert.
„Wow, Schatz du siehst umwerfend aus. Hast du heute noch was vor?", fragte mein Dad mich.
„Ehm ja, ich bin gleich noch verabredet", erwiderte ich.
„Und mit wem, wenn ich fragen darf?", hakte er kritisch nach.
„Ehm, ein Freund aus dem Café", erklärte ich mich.
Jetzt nannte ich ihn schon Freund.
„Aha, na dann ganz viel Spaß und pass auf dich auf. Ich muss jetzt auch los zur Arbeit bis morgen", sagte er liebevoll und drückte mich. „Bis morgen", erwiderte ich noch und so verschwand er auch schon zur Tür.
Ich wurde mittlerweile verdammt nervös. Ich hatte bestimmt schon drei Mal Deo aufgetragen, doch mir wurde jedes Mal aufs Neue heiß. Ich wartete fertig angezogen und definitiv nicht bereit in meiner Fensternische, von wo aus ich einen guten Blick auf die Straße vor unserer Haustür hatte. Um fünf vor halb hörte ich nur wie irgendein Idiot sein Motor wieder dermaßen aufheulen ließ. In dem Moment wurde das Geräusch lauter und dieses Auto mit dem Idioten blieb vor unserer Tür stehen. Das war doch wohl ein Scherz. Ging es noch Machohafter. Ich sah nur wie aus dem dunkeltürkisfarbenen Audi R8 Theo im Anzug stieg. Oh Fuck. Ich ging aus meinem Zimmer und sah im Vorbeigehen im Spiegel, dass ich bereits jetzt einen roten Kopf hatte. Na super. Dann auf ins Abenteuer.
Ich öffnete die Tür und da stand er schick und groß im Anzug vor mir. Von unten sah er noch eindrucksvoller aus als von oben.
„Hi, ging es nicht noch lauter und angeberischer?", ging ich auf ihn los.
„Hi, ich freu mich auch dich zu sehen. Wollen wir los?", fragte er übertrieben nett.
„Wohin gehen wir?"
„Erfährst du noch früh genug, Neugierige."
Er öffnete mir die Tür sehr gentlemanhaft und ließ mich einsteigen. Er ging zu seiner Seite startete den Motor und düste im Affenzahn los. Heilige Scheiße konnte der Autofahren und sah dann auch noch ungemein sexy aus mit seinem weißen Hemd und dem Jackett. Nein Sophia wir wollen ja nicht jetzt schon schwach werden. Ach so, und wie soll ich bitte das Kribbeln in meinem Bauch ignorieren. Das könnte ja amüsant werden. Wir fuhren gute 20 Minuten durch Manhattan, bis wir vor einem riesigen Hochhaus stehen blieben, dem 28 Liberty Gebäude. Er öffnete mir die Tür und hielt mir seine Hand hin.
„Du siehst heute noch umwerfender als sonst aus. Pass auf dich auf", raunte er mir in mein linkes Ohr. Ich bekam sofort eine Gänsehaut und ignorierte das anziehende Gefühl seiner Nähe und seiner Stimme. Wie können sich Gefühle so schnell ändern. Sollte ich ihm nicht immer noch misstrauisch sein. Das Bedrohliche, das Ungewisse es war alles völlig verblasst. Wir gingen den roten Teppich Richtung marmorierter Eingangshalle. Dort übergab Theo irgendeinem Angestellten den Schlüssel und führte mich zu einem der vielen Aufzüge.
„Bereit für die Wolken?", fragte er mich und drückt auf den 60. Stock. Ach du scheiße, was hatte der denn bitte vor. Oben angekommen wurden wir vom Ober begrüßt und er führte uns zu einem Zweiertisch. Er war direkt an der Fensterfront, die die gesamte New Yorker Skyline zeigte. Die Stadt leuchtete allmählich im goldenen Licht auf. Ich hatte das Gefühl wir würden schweben.
„Und gefällt es dir?" „Bist du denn des Wahnsinns!", antwortete ich begeistert.
„Oh danke, dass fasse ich jetzt mal als Kompliment auf, dass du einfach zu überwältigt bist", sagte er lächelnd. Ich lächelte ihn ironisch an.
„Ja ich bin etwas sprachlos, normalerweise bin ich nicht so weit oben über New York", erwiderte ich und wir setzten uns an den Tisch und starrten immer noch beide in die Ferne.
Zumindest dachte ich das, bevor mir auffiel, dass er mich die ganze Zeit anstarrte.
„Habe ich schon wieder was Komisches gemacht, oder warum starrst du mich so an?", fragte ich nervös.
„Ich liebe es, wenn du völlig fasziniert von etwas bist. Du reist an einen anderen Ort in dem Moment", sagte er leicht verträumt.
„Ich befinde mich gerade an einem völlig anderen, mir fremden Ort. New York ist einfach magisch und verzaubert mich immer wieder aufs Neue", erwiderte ich fasziniert.
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Schattenpfade im Licht - gefährliches Verlangen
ChickLitHast du dich auch schon einmal blind auf deine Gefühle verlassen und dich von etwas Dunklem hinreißen lassen? Vor dieser Frage steht die 23-jährige Sophia, die eigentlich ihr ganzes Leben in New York durchgeplant hat. Doch was, wenn da plötzlich jem...